Samstag, 20. April 2024

Archiv

Krim-Krise
"Stunde der Diplomatie"

Die Union warnt vor einer militärischen Reaktion des Westens auf die Krise in der Ukraine. Die Initiative zur Einrichtung einer Kontaktgruppe der Bundeskanzlerin beweise, "dass die Stunde der Diplomatie noch nicht vorbei ist", sagte ihr außenpolitischer Sprecher Philipp Mißfelder im Deutschlandfunk. Er betonte, dass die Situation verfahren sei und appellierte daran, eine politische Lösung zu finden.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.03.2014
    Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion
    Für Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, ist jede militärische Option undenkbar. (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    Jasper Barenberg: Er wird international scharf kritisiert, der russische Militäreinsatz auf der Krim. Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama werfen Kreml-Chef Wladimir Putin vor, gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Bei einem Telefonat waren sich die beiden einig, dass es jetzt auf die Einigkeit der internationalen Gemeinschaft ankommt. Außerdem wollen sie prüfen, wie die Ukraine bei der Bewältigung ihrer finanziellen Probleme und der humanitären Situation unterstützt werden kann.
    Und am Telefon begrüße ich Philipp Mißfelder, den außenpolitischen Sprecher der Union im Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Mißfelder!
    Philipp Mißfelder: Guten Morgen!
    Diplomatisches Geschick der Staatenlenker jetzt gefragt
    Barenberg: Nur wenige Zentimeter sieht die Führung in Kiew, sieht der Ministerpräsident das Land vom Krieg entfernt – Sie auch?
    Mißfelder: Das hoffe ich nicht. Ich glaube, dass gerade insbesondere die Initiative der Bundeskanzlerin gestern gezeigt hat, und auch die Tatsache, dass der russische Präsident den Vorschlag dieser Kontaktgruppe angenommen hat, auch beweist, dass die Stunde der Diplomatie noch nicht vorbei ist, ganz im Gegenteil. Ich glaube, jetzt geht es gerade darum, zu zeigen, zu wie viel diplomatischem Geschick sind die einzelnen Staatenlenker in der Lage.
    Diplomatische Mittel noch nicht ausgeschöpft
    Barenberg: Und Sie haben den Eindruck, dass Putin mit der Zustimmung beispielsweise zur OSZE-Mission und zu dem Plan einer Kontaktgruppe beginnt, einzulenken?
    Mißfelder: Nein, das würde ich nicht sagen. Aber ich glaube, dass die diplomatischen Mittel bei Weitem nicht ausgeschöpft sind. Man müsste umgekehrt fragen, wie, in welcher Art würde man sich denn eine Militärmission der NATO, der EU vorstellen? Solle man die Ukraine aufrüsten, militärisch? Möchte man eine direkte Konfrontation mit Russland an dieser Stelle? Und dass sich sozusagen russische Soldaten und westliche Soldaten Auge in Auge an der Krim gegenüberstehen? Und ich glaube, diese Zuspitzung, die möchte von uns niemand.
    Druck auf Russland
    Barenberg: Auf der anderen Seite gibt es ja Politiker, die eine schnelle, starke und geschlossene Antwort jetzt des Westens verlangen. Rebecca Harms, die grüne Europaabgeordnete, zählt dazu. Wie könnte so eine schnelle, rasche und geschlossene Antwort denn aussehen, abgesehen vom Gesprächsangebot?
    Mißfelder: Es gibt ja, was die weiteren diplomatischen Mittel angeht, natürlich die Möglichkeit, den Druck auf Russland zu erhöhen. Das ist ja getan worden dadurch, dass alle G8-Länder Russland gesagt haben, wir setzen die Vorbereitungen für den G8-Gipfel in Sotschi aus und sind nicht mehr bereit, in diesem Format mit Russland an der Stelle zu reden. Also, die Drohung des amerikanischen Außenministers gestern, Russland aus G8 auszuschließen, ist ja keine Kleinigkeit, sondern es würde ja massive ökonomische Folgen haben auch für Russland, zu diesem erlauchten Kreis nicht mehr dazuzugehören und den Einfluss dort nicht mehr geltend zu machen. Vor dem Hintergrund, glaube ich, dass die geschlossene Antwort des Westens an dieser Stelle schon da ist. Aber die Frage ist eben, wie weit darf auch der Westen gehen. Und ich glaube, dass deshalb die Besonnenheit, die Barack Obama jetzt auch ausstrahlt, richtig ist.
    Barenberg: Sollte sich die Bundesregierung der Drohung des amerikanischen Außenministers anschließen, was den Ausschluss, den möglichen, aus dem Kreis der G8 angeht?
    Mißfelder: Ich finde es jetzt schon mal konsequent, dass wir sagen, die Vorbereitungen sind ausgesetzt. Weil jetzt muss auch erst mal das, was die Bundeskanzlerin und Herr Putin vereinbart haben, das muss erst auch einmal jetzt auf den Prüfstand gestellt werden, nämlich die Einsetzung dieser Kontaktgruppe. Und das Finden eines Formats, wo man über Bedingungen russlandseits, aber auch westlicherseits spricht und versucht, wieder die territoriale Integrität einerseits der Ukraine herzustellen und andererseits den russischen Interessen, die ja auch aus russischer Sicht nicht ganz unberechtigt sind, gerecht zu werden. Das ist ja das Verfahrene an der Situation, dass sich im Grunde Kiew und Moskau vollkommen im Recht fühlen und deshalb auch keiner bereit ist, von seinen Forderungen abzugehen.
    Barenberg: Sie sprechen von den berechtigten Interessen Russlands. Würden Sie auch sagen, dass die Verantwortung für die Eskalation nicht nur auf russischer Seite liegt?
    Mißfelder: Das ist ganz schwierig zu sagen, denn Herr Putin hat ja selber entschieden, die Soldaten dahin zu schicken, und es hat ihn ja niemand dazu gedrängt. Also, der Westen hat ihn jedenfalls nicht dazu gedrängt. Es ist nur die chaotische Situation, die in Kiew stattgefunden hat, die halt die Emotionen in Russland hat so hochschwappen lassen, denn es gibt ja noch die andere Theorie, der hänge ich nicht an, wo gesagt wird, Putin habe quasi nur auf die Gelegenheit gewartet. Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass die Nerven in Moskau einfach blank lagen, auch in den letzten acht Tagen, nachdem Frank-Walter Steinmeier und die anderen Außenminister der Europäischen Union aus Frankreich und aus Polen ja einen großen Erfolg gelandet hatten mit dieser Unterschrift von Herrn Janukowitsch und auch Herrn Klitschko und anderen Oppositionsführern. Was aber dann nicht einmal 24 Stunden gehalten hat, sondern dann letztendlich in der Luft zerrissen worden ist von dem Maidan-Platz. Und daraufhin fühlte sich Moskau unter Druck gesetzt und hat eben eskalatorisch reagiert. Und das ist an dieser Stelle eben das Verfahrene. Natürlich hätte ich mir persönlich gewünscht, wenn man diesen Weg des geordneten Prozesses, der ja die Vereinbarung mit den EU-Außenministern zugrunde lag, dass man diesen Weg weiter geht und versucht, das Ganze in einem geordneten Verfahren zu regeln. Das wäre besser gewesen.
    Barenberg: Sie haben die Rolle von Außenminister Steinmeier und den anderen europäischen Außenministern angesprochen. War es richtig, dass die Bundesregierung, dass auch die anderen europäischen Regierungen geschwiegen haben, als der ausgehandelte Kompromiss, als das ausgehandelte Abkommen verletzt wurde und nichts mehr wert war, nur Stunden, nur Tage, nachdem die drei Kiew verlassen hatten?
    Mißfelder: Ja, was sollte man machen an der Stelle? Wir haben an dieser Stelle eines gesehen: Dass die Oppositionsführer, mit denen wir geredet haben, offenbar nicht die Kraft hatten, das, was sie vorher unterschrieben haben, durchzusetzen. Das ist eine Lehre aus der – so sympathisch sie im Einzelnen auch sein mögen oder auch so unsympathisch, wie andere Oppositionsführer auch offensichtlich sind, war eines klar: Sie sprechen nicht für den Maidan. Und man musste auch innerhalb von Kiew sehen, das hatte Frau Adler auch schon mal berichtet an anderer Stelle in ihren Analysen, dass natürlich der Druck innerhalb der Ukraine selber immer noch da ist. Also, es gibt ja unterschiedlichste Kräfte, die unterschiedlichste Vorstellungen davon haben, was der beste Weg und die beste Zukunft für ihr Land sein sollten. Und deshalb sind die Oppositionsführer, die neue Regierung jetzt in Kiew natürlich unter einem wahnsinnigen Druck. Und dem sind wir an dieser Stelle auch nicht standgehalten.
    Krim als Teil der Einflusssphäre Russlands
    Barenberg: Zum Schluss, Herr Mißfelder – im Moment stehen die russischen Truppen auf der Krim. Ende März soll es ein Referendum geben. Können wir jetzt schon sagen, dass bis auf Weiteres Russland seinen Daumen auf der Krim behalten wird?
    Mißfelder: Man hat ja in den letzten Tagen schon sehr viel erlebt, aber momentan sieht es so aus, als wenn es so bleibt, dass Russland die Krim definitiv als Teil seiner Einflusssphäre definiert. Und daran wird sich aus meiner Sicht auch in den nächsten Wochen nichts ändern. Der internationale Schaden, der angerichtet wird für Russland aus der Stelle, der ist immens, und ich glaube auch, dass das wirtschaftliche Folgen insgesamt haben wird und dem Ansehen Russlands auch nicht nützt. Aber die Situation ist so verfahren, und ich appelliere ganz eindeutig noch mal daran - so verhält sich ja auch die westliche Welt und die Anführer der westlichen Welt aus meiner Sicht richtig, dass man versucht, eine politische Lösung zu finden, weil jede militärische Option ist für mich undenkbar.
    Barenberg: Der Appell an eine politische Lösung. Vielen Dank für dieses Gespräch, Philipp Mißfelder, der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke!
    Mißfelder: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.