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Krippenspiel
"Bei mir haben sie die Taufe ein bisschen vergessen"

Krippenspiele sind auch dort beliebt, wo wenige Christen leben. Im Osten Deutschlands sind die Marias und Josefs selten getauft, von den Eltern haben sie wenig religiöses Wissen mitbekommen. Ist das ein Problem? Ein Probenbesuch in der Mark Brandenburg.

Von Angelika Fey | 22.12.2017
    Kinder führen das Krippenspiel am Weihnachtsgottesdienst auf.
    Das Krippenspiel ist auch bei Konfessionslosen beliebt, trotz des Verkündigungscharakters der Weihnachtsgeschichte (Deutschlandradio / Angelika Fey)
    "Habt ihr schon den hellen Stern dort oben über der Stadt gesehen? - Ganz toll, hast du keine anderen Sorgen? - Oh wirklich, ganz schön!"
    Die Hirten proben ihren Text. Und die Regisseurin gibt Anweisungen:
    "Also, die Hirten haben verstanden? Ihr müsst euch ein bisschen breit machen hier vorne, ja?"
    Zum Breitmachen braucht es nicht viel, denn klein ist sie, die evangelische Kirche in der das Krippenspiel geprobt wird. Und alt ist die Kirche. Seit mehr als 600 Jahren steht sie im Örtchen Pillgram in der Mark Brandenburg, am östlichen Rand Deutschlands. Die kirchliche Tradition ist hier durch 41 Jahre DDR fast abgerissen. Viele ließen ihre Kinder auch nach der Wende nicht mehr taufen. Das macht sich beim Krippenspiel bemerkbar, erzählt Regisseurin Roswitha Noack:
    "Ich mache das jetzt schon zehn Jahre lang und habe immer versucht, Kinder ranzukriegen und da sind ganz wenige nur dabei, die getauft waren. Und bin froh, dass ich Kinder hier gefunden habe, die überhaupt mitmachen wollten. Da war es mir egal, ob die in der Kirche sind oder nicht."
    Ungefähr die Hälfte der 16 Kinder bei der heutigen Probe ist nicht getauft, schätzt Roswitha Noack. Eine davon ist die elf Jahre alte Lyn:
    "Also, meine Mutter ist getauft, meine Oma und mein Opa sind getauft, nur bei mir haben sie es irgendwie ein bisschen so vergessen."
    Beim Krippenspiel macht Lyn vor allem wegen der Gemeinschaft mit:
    "Also, es ist lustig, weil man hier auch andere Freunde hat, die man in der Schule nicht hat - wie zum Beispiel Kristin."
    Die steht neben ihr. Und ja, es stimmt, sagt Kristin, weil sie in verschiedenen Dörfern wohnen, kommen die Freundinnen sonst wenig dazu, sich zu treffen.
    Kirche als ein sozialer Player unter vielen
    Dass aus dem Krippenspiel ein Angebot geworden ist, an dem Kinder unbefangen teilnehmen - egal ob in der Kirche oder nicht -, das sei noch vor einer Weile anders gewesen, erinnert sich Susanne Noack. Sie ist Vikarin, also Pfarrerin in Ausbildung, und betreut das Krippenspiel gemeinsam mit der erfahrenen Roswitha Noack. Die beiden Frauen sind nicht direkt verwandt, leben nur beide in Pillgram. In ihrer eigenen Kindheit in den 90er-Jahren habe sie viel Skepsis gegenüber Kirche erlebt, erzählt Susanne Noack.
    "Aber ich habe den Eindruck, dass Kirche schon ziemlich viel getan hat, dagegen, dass Menschen befürchten, dass Kinder hier mit dem Taufstein erschlagen werden."
    Kirche werde inzwischen in Ostbrandenburg als ein sozialer Player unter vielen wahrgenommen, sagt sie. Die Menschen schätzten die kirchliche Bildungsarbeit, grade auf dem Land, wo sonst Vieles wegbricht. Und das Krippenspiel habe eine besondere Bedeutung, ...
    "... weil es einen Projektcharakter hat, also es hat ein Ziel, auf das alle gemeinsam hinsteuern. Und das ist, denke ich, genau das, was heute gut ankommt."
    Bei der Probe in der Kirche hat die sechs Jahre alte Vilda ihren Einsatz als Engel. Im wallenden weißen Gewand. Aufgeregt rattert Vilda ihren Text herunter. Sie kann ihn schon auswendig:
    "Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude in der Stadt Davids, die allem Volke widerfahren wird, denn euch - denn euch ist heute der Heiland geboren."
    "Dass Gott Mensch geworden ist, als ein Kind, damit können natürlich Kinder besonders viel anfangen", sagt Susanne Noack. "Also die kleine Babypuppe, die da in der Futterkrippe liegt, die ist für die Kinder immer sehr, die ist sehr begehrt."
    Missionieren mit der Krippe?
    "Das Krippenspiel basiert ja auf dem biblischen Bericht der Geburt Jesu", sagt Tilmann Kuhn, Pfarrer in Strausberg in Brandenburg, "und nimmt damit eine Geschichte auf, die ja eine Lebenswirklichkeit der Menschen widerspiegelt, nämlich, dass ein Kind geboren wird. Ohne das gibt's keine Gesellschaft. Und da kann jeder mitreden und das ist also primär erstmal nichts genuin Christliches, sondern etwas allgemein Menschliches."
    Doch ist Tilman Kuhn auch wichtig, dass die Weihnachtsgeschichte ihren Verkündigungscharakter behält.
    "In den Kirchen wird es ja eingebettet in den Gottesdienst in die Christvesper, in einen liturgischen Rahmen, der unmissverständlich ein vom Glauben geprägter ist, und der den Verkündigungsaspekt verstärkt. Den dann auch das Krippenspiel hat und das hindert, glaube ich, die Gefahr, dass es zu einer säkularen Veranstaltung werden könnte."
    Laiendarsteller führen am 25.12.2013 in den frühen Morgenstunden zur Frühmette in die St.-Salvator-Kirche Jöhstadt (Sachsen) ein Krippenspiel auf. Nach jahrhundertealtem Brauch beginnt das Weihnachtsfest im Erzgebirge traditionell mit den Frühmetten zwischen fünf und sechs Uhr. Nach dem Gottesdienst lassen Bergleute die Saison mit einem kleinen Bergaufzug ausklingen. 
    Aus dem Krippenspiel sei ein Angebot geworden, an dem Kinder unbefangen teilnehmen - egal ob in der Kirche oder nicht, erklärt Vikarin Susanne Noack (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Auch wenn bei diesem Krippenspiel in Ostbrandenburg die Hälfte der Kinder nicht getauft ist - andernorts sind es sogar 80 Prozent -, so bleibt das Religiöse präsent. Kritiker könnten nun einwenden, dass im Hintergrund der Taufstein lauert, dass die Kirche mit der Krippe missionieren wolle. Aber zumindest Roswitha Noack in Pillgram führt keine Strichliste für gelungene Bekehrungen. Ihre Erfolge sind kleiner. Die Kinder von früher, inzwischen erwachsen, würden sie immer noch herzlich grüßen, erzählt sie. Ein bisschen christliches Basis-Wissen habe sie ihnen mitgeben wollen:
    "Ich habe auch bei jeder Probe das Vaterunser immer zum Schluss gebetet, weil: Dieses Gebet braucht man im Leben, ob man getauft ist oder nicht. Und wenn es nur am Grab ist bei Verwandten, Bekannten."
    "Ich kenne das von früher auch so"
    Aber etwas mehr Mission ist doch: Obwohl die Mitgliedszahlen der evangelischen Kirche in Brandenburg weiter deutlich sinken, so scheint es ihr durch das Krippenspiel zu gelingen, die Beziehung zwischen Kirche und Dorf zu stärken. Auch Familie Pawelski nähert sich wieder an. Mutter Beate ist getauft.
    "Genauso in die Richtung hatten wir das auch. Wir haben ja auch das Krippenspiel - ich stamme ja hier aus Pillgram - und wir haben ja auch immer hier das Krippenspiel gemacht."
    In genau der Kirche, in der jetzt ihre Tochter mitspielt. Mit dem Unterschied, dass die Tochter nicht getauft wurde. Beate Pawelski erzählt, sie selbst habe sich entfremdet.
    "Ja und mein Mann hält nicht so richtig was davon."
    Dass ihre Tochter aber nun doch beim Krippenspiel dabei ist, sogar schon zum zweiten Mal, findet sie gut:
    "Ja, ich wollte einfach, weil ich das von früher auch so kenne, möchte ich eigentlich schon gerne, dass sie das mal so mitmacht, mitkriegt. Man lernt ja auch was. Man lernt die Bibel kennen."