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Kritik am Stufenplan zur Behebung der US-Finanzkrise

Geoffrey Smith von der Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires sieht in dem USA-Schuldenpaket klare Unterschiede zum Umgang der EU mit ihrer Finanzkrise. Während die EU gleich am Anfang hart gespart habe, werde in den USA erst nach 2012 mit Kürzungen begonnen.

Geoffrey Smith im Gespräch mit Friedbert Meurer | 01.08.2011
    Friedbert Meurer: Die Einigung in der Nacht in Washington ist nicht nur in den USA, sondern weltweit mit einiger Erleichterung aufgenommen worden. Wir hören heute Morgen davon, dass die Börsen gute Zahlen melden. Die wenigsten hatten sich ausmalen wollen, was denn geschieht, wenn die USA wirklich zahlungsunfähig würden. In London begrüße ich Geoffrey Smith, er arbeitet für die Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires. Guten Tag, Herr Smith!

    Geoffrey Smith: Guten Tag!

    Meurer: Sind wir am Untergang knapp vorbeigeschrammt?

    Smith: Es würde so aussehen derzeit, das war gewiss. Ein sehr substanzieller und richtiger Schritt in die richtige Richtung, es war der erste große Schritt, den die USA da genommen haben. Aber es bleibt noch ein sehr langer Weg bis zur endgültigen Sanierung des US-Haushalts.

    Meurer: Gehen wir mal davon aus, Herr Smith, dass die beiden Kammern im US-Kongress zustimmen werden. Sind Sie sicher, im Moment, nach dem, was wir wissen, dass die Ratingagenturen dabei bleiben, die USA haben die Bonität AAA?

    Smith: Also, was gestern verabschiedet wurde, reicht dazu aus jedenfalls, einen Default zu vermeiden, einen Schuldenausfall zu vermeiden. Ob es dazu ausreicht, eine Herabstufung durch eine Ratingagentur - zum Beispiel Standard & Poor's -, das ist eine andere Frage. Die Ratings hängen mehr davon ab, wie der zukünftige Kurs der Schuldendynamik aussieht, und der längerfristige Kurs der US-Schulden ist mit diesem Abkommen ... na ja, das ist noch problematisch.

    Meurer: Es gibt ja einen Stufenplan über drei Stufen. Ist der wirklich so unpräzise, gibt es da so viele Unsicherheiten?

    Smith: Ja, also, zunächst einmal, von den dreieinhalb Billionen Kürzungen, die verabschiedet worden sind, treten erst 900 Milliarden sicher und relativ bald in Kraft. Das heißt, es ist der direkte Gegensatz von dem, was in Europa passiert, wo man gleich am Anfang sehr hart gespart hatte und sparen musste. In den USA hat man dann das Sparpaket so gebildet, dass die meisten, dass der weit größere Teil des Sparens und der Kürzungen erst nach 2012 geschehen. Und das erhöht natürlich das Risiko der Durchführung des Plans, zumal die politische Szene in Amerika nach wie vor sehr vergiftet bleibt, sehr radikalisiert und sehr verhärtet.

    Meurer: Nun wissen wir andererseits, Ratingagenturen verlangen erst eine strikte Sparpolitik, dann schätzen sie, zum Beispiel Griechenland stufen sie herab, weil die Konjunktur erlahmt. Ist der Kompromiss danach ausgerichtet worden, dass die Wirtschaftskonjunktur in den USA nicht abgewürgt werden soll?

    Smith: Ja, das ist das Hauptmerkmal davon, die Amerikaner haben ständig in ihrer Antikrisenpolitik den größeren Wert darauf gesetzt, das kurzfristige Wachstum zu unterstützen, und es ist richtig, dass alle Sanierungspläne, alle derartigen, sehr wachstumsempfindlich sind. Und man hat vor zwei Wochen in der Eurozone anerkennen müssen, dass die erste Gestalt der Euroschuldenabbaupläne wirklich zu hart war. Man hat sie abmildern müssen. In den USA könnte man noch gerechtfertigt behaupten, dass nicht hart genug gespart wird, und wie gesagt, das bleibt noch eine offene Frage.

    Meurer: Eine offene Frage bleibt auch: was wird aus den Steuerprivilegien für Besserverdienende in den USA, ab 250.000 Dollar Jahreseinkommen aufwärts? Wie haben Sie über diesen Streit gedacht oder wie denken Sie über diese Auseinandersetzung?

    Smith: Das ist im Grunde genommen nicht der Hauptpunkt, das ist einer der ... Das ist ein sehr nützlicher Punkt für die Figuren an beiden Rändern des politischen Spektrums in den USA, das ist ein ganz leichter Angriffspunkt für die Demokraten, für die Linken, und natürlich das Gegenteil für die am rechten Ende der Republikanerpartei. Also, man hat gesehen, dass dieses Paket von keiner der beiden großen Parteien einstimmig unterstützt wird. Deswegen habe ich gesagt: Ob irgendeine der Parteien das richtig durchführen kann wie geplant, das ist sehr risikobehaftet.

    Meurer: Um noch ein paar Daten bei Ihnen abzufragen, Herr Smith: Warum sinkt der Dollarkurs heute?

    Smith: Der Dollarkurs sinkt heute, weil der Dollar bei Ausbruch der Finanzkrise tendenziell so kontraintuitiv sich bewegt hatte. Alles, was die weltweiten Märkte beruhigt, führt dazu, dass der Dollar verkauft wird. Insofern, weil das den Marktteilnehmern erlaubt, etwas risikofreundlicher umzugehen.

    Meurer: Also, es ist ein gutes Zeichen, wenn der Dollarkurs sinkt?

    Smith: Ja, das kommt darauf an, natürlich. Aber für die Weltwirtschaft, für die Weltfinanzmärkte ist es sicherlich ein gutes Signal, dass keine neuen Spannungen in die Märkte kommen. Und also, was für Spannungen sich da längerfristig aufbauen wegen der Abschwächung des Dollarkurses, ja, das ist ein Problem für morgen und übermorgen.

    Meurer: Ein anderer Punkt: Wie kommt es, dass Öl teurer wird auf den Märkten?

    Smith: Ja also, wegen der erhöhten Risikobereitschaft erhöht sich die weltwirtschaftliche Tätigkeit. Öl ist natürlich der Rohstoff vor allem, der diese wirtschaftliche Tätigkeit erlaubt, der absolut notwendige Rohstoff dafür. Also, das erhöht die Nachfrage des Rohöls und natürlich des Preises dafür.

    Meurer: Die Einigung in Washington heute Nacht und Erläuterungen dazu von Geoffrey Smith von der Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires. Danke Ihnen herzlich nach London und auf Wiederhören, Herr Smith!

    Smith: Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.