Dienstag, 23. April 2024

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Kritik an Austausch von Fluggastdaten

Der SPD-Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler hält das Abkommen zwischen den USA und der EU über den Austausch von Fluggastdaten für unzureichend. Es bleibe unklar, was mit den erhobenen Daten in den USA geschieht, kritisierte Kreissl-Dörfler. Niemand könne überwachen, dass mit den Daten nach europäischem Recht umgegangen werde.

Moderation: Christiane Kaess | 29.06.2007
    Christiane Kaess: Am Telefon ist jetzt Wolfgang Kreissl-Dörfler, SPD und im Europäischen Parlament Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Guten Tag!

    Wolfgang Kreissl-Dörfler: Guten Tag!

    Kaess: Herr Kreissl-Dörfler, die Bundesregierung wertet es als Verhandlungserfolg, dass es kurz vor dem Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft jetzt noch eine Einigung zwischen EU und USA bei der Weitergabe der Daten von Fluggästen gegeben hat. Sehen Sie darin auch einen Erfolg?

    Kreissl-Dörfler: Sicher sehe ich den Erfolg darin, dass es zu einer Einigung gekommen ist, ein Abkommen zu haben, damit nicht jede Fluggesellschaft einzeln verhandeln muss. Das ist der Erfolg. Aber was ausgehandelt worden ist, da bin ich doch sehr, sehr skeptisch und bei weitem nicht so begeistert wie der Bundesinnenminister.

    Kaess: Warum?

    Kreissl-Dörfler: Wir haben keine Sicherheit darüber, wer denn die Daten letztendlich in den USA bekommt. Für uns ist doch immer die Frage gewesen, wer in den USA Zugriff auf die Daten hat, wer sie nutzt und wie sie wieder gelöscht werden. Das ist nach wie vor meiner Meinung nach unklar. Wir wissen aus der Vergangenheit, manche Institute wollen 40 Jahre speichern, was die CIA damit macht oder das FBI, ist nicht geklärt. Wir haben letztendlich auch keine Handhabe, das von uns aus mit zu überwachen, dass hier mit den Daten nach europäischen Datenschutzvorgaben umgegangen wird.

    Kaess: Wie hätte man dem denn entgegenwirken können?

    Kreissl-Dörfler: Zunächst einmal sollte man abklären, dass auch die Bürgerinnen und Bürger, deren Daten gespeichert werden, mal überprüfen können, nachfragen können, was denn mit ihren Daten letztendlich geschieht, wie sie verlinkt werden, wie sie vernetzt werden. Das wissen wir überhaupt nicht. Wir wissen auch nicht, welche Profile hier erstellt werden. Was soll denn der Essenswunsch? Sie können ja auch sagen, wenn jemand ein Flugzeug in die Luft sprengen will, dann wird er nicht gerade Moslem-Kost ankreuzen, sondern einen Schweinsbraten essen. Also das sind alles Dinge, wo ich hohe Bedenken habe, wie hier mit den Daten umgegangen wird.

    Kaess: Sind da Veränderungen noch möglich, und wird das EU-Parlament da auf Veränderungen noch drängen?

    Kreissl-Dörfler:! Das EU-Parlament hat ja keine Möglichkeit, das mit zu verändern. Entscheidend ist, was die nationalen Parlamente jetzt dazu sagen. Der Deutsche Bundestag muss sich mit diesen Vorschlägen auch ernsthaft auseinandersetzen.

    Ein Abkommen brauchen wir, gar keine Frage. Es würde nicht gehen, dass jeder einzeln hier verhandelt. Wie gesagt, das ist das einzig Positive. Da ist sicherlich mehr Datensicherheit da, als wenn jede Fluggesellschaft einzeln verhandelt. Aber so wie es jetzt ist, ist es unbefriedigend.

    Kaess: Fachleute sagen, hinter den weniger Daten verbergen sich die gleichen Angaben wie bisher. Können Sie das bestätigen?

    Kreissl-Dörfler: Ich habe das ganze Papier noch nicht gesehen, aber man kann ja in einen Datensatz noch mehr Punkte hineinschreiben und muss das genau analysieren. Das muss dem Parlament auch vorgelegt werden. Ich kann von 34 auf 19 gehen, aber die 19 umfangreicher gestalten. Und wichtig ist schon, wer bekommt sie, wie werden die verlinkt und welches Profil wird dann angelegt?

    Kaess: Die USA wollen diese Daten ja zum Schutz vor Terror. Das ist auch eines der großen Themen der EU-Innenpolitik. Der Vorwurf an Innenminister Schäuble während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft war, er wolle einen weitgehend unkontrollierten Datenaustausch innerhalb der Europäischen Union. Ist das also der gläserne Bürger auf europäischem Niveau? Kann man das so sagen?

    Kreissl-Dörfler: Wenn das alles so verwirklicht wird, was der Bundesinnenminister letztendlich schon vorgeschlagen hat, Online-Durchsuchungen und so weiter und so fort, dann kommen wir natürlich hin zu einem gläsernen Bürger. Das kann ja keiner wünschen. Ich habe nichts dagegen, dass bestimmte Daten auch gesammelt werden, aber entscheidend ist, wie funktioniert der Zugriff? Wir haben beim Prüm-Abkommen über den Austausch von polizeilichen Daten und polizeilicher Zusammenarbeit grenzüberschreitend ja auch einiges festgelegt, wie das funktionieren soll. Das ist sehr befriedigend meiner Meinung nach gelungen. Jetzt kommt es darauf an, was der Bundesinnenminister vorschlagen wird und auch will und wie das dann tatsächlich gehandhabt wird. Aber da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

    Kaess: Brauchen wir das, was Wolfgang Schäuble vorschlägt, ein europäisches Fluggastdatensystem wie in den USA?

    Kreissl-Dörfler: Ich habe ja mal vorgeschlagen, man müsste das eigentlich weltweit regeln und nicht zwischen den USA und Europa oder nur innerhalb Europas, denn diejenigen, die Attentate verüben wollen oder die zu dem harten Kern gehören, die werden auch immer Wege finden, auch anders ins Land zu kommen. Man kann mit dem Schiff reisen. Man kann es auch anders gestalten. Man kann grundsätzlich darüber streiten, ob diese Datenflut auch Sinn ergibt. In manchen Punkten sicherlich auch, aber das, was jetzt angeboten wird, ich glaube, die ersticken alle in Daten, so dass zum Schluss keiner mehr weiß, worum es geht.

    Kaess: Aber es würde auch Vorteile für die europäische Sicherheit durchaus bringen?

    Kreissl-Dörfler: Kann durchaus das mit bringen. Wir haben ja heute gehört, dass Sprengstoff gefunden worden ist am Piccadilly Circus in London. Also man muss sicherlich auch den internationalen Terrorismus bekämpfen, aber nur immer wieder die nächste Ausweitung zu fordern, die Grundrechte immer weiter auszuhebeln, das führt letztendlich zu mehr Verunsicherung und zu weniger Sicherheit.

    Kaess: Wolfgang Kreissl-Dörfler, SPD und Mitglied des Europäischen Parlaments. Vielen Dank.

    Kreissl-Dörfler: Ja, danke schön.