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Kritik an Datenbanken für Energieversorger
Energiekunden müssen ihre Daten schützen

Über Datenbanken für Energieversorger können wechselfreudige Kunden diskriminiert werden - das haben Medienrecherchen ergeben. Um sich davor zu schützen, müssten Energiekunden dafür sorgen, dass Anbieter ihre Daten nicht weitergeben, so Leonora Holling vom Bund der Energieverbraucher im Dlf.

Leonora Holling im Gespräch mit Georg Ehring | 09.09.2020
Eine Gasflamme leuchtet blau auf dem Kochfeld eines Gasherdes.
Zunächst lockt der Gasanbieter mit einer Prämie, dann folgen die Preiserhöhungen - wer das vermeiden will, muss den Anbieter öfter wechseln (picture alliance / Beijersbergen)
Energiekonzerne werben gezielt um Kundschaft, die gewillt ist, den Versorger zu wechseln. Wer häufig wechselt, kann tatsächlich viel an Energiekosten sparen - vor allem, wenn die Prämien einbezogen werden, mit denen viele Unternehmen Kunden anlocken. Nun wurden die Pläne zweier Wirtschaftsauskunfteien bekannt, darunter der Schufa, Datenbanken für Energieversorger einzurichten. Diese Pläne stoßen auf Kritik, unter anderem auch bei der Bundesnetzagentur.
Recherchen des NDR und der Süddeutscher Zeitung ergaben nämlich, dass mit solchen Datenbanken wechselfreudige Strom- und Gaskunden diskriminiert werden könnten. Sie könnten beispielsweise keinen neuen Stromvertrag mehr bekommen.
Energieversorger dürften sich sehr wohl aussuchen, mit welchen Kunden sie Verträge abschließen oder nicht, sagte Leonora Holling, Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, dazu im Deutschlandfunk. Für Verbraucher gebe es dennoch Möglichkeiten, sich vor sogenannten schwarzen Listen zu schützen: Sie müssten den Energieversorger anweisen, ihre Daten zu löschen, bevor sie kündigen. So könnten Versorger ihr Wissen über ihre Kunden nicht weitergeben – darunter eben auch das Wissen über die Wechselwilligkeit. Generell gelte: "Der Kunde muss wechseln, sonst bezahlt er zu viel", sagte Leonora Holling.
Ein grüner Stromstecker liegt am 03.11.2013 in Berlin auf einer Stromrechnung. 
Strom- und Gaspreise - Teure Grundversorgung
Grundversorgungstarife von Strom- und Gas-Anbietern sind in der Regel wesentlich teurer als Sondertarife, meint Ute Bernhardt, Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Wer einen Sondertarif bei einem neuen Anbieter wähle, könne bis zu rund 100 Euro im Jahr sparen.

Das Interview in voller Länge:
Georg Ehring: Frau Holling, haben Sie das denn schon mal mitbekommen, dass Interessierte abgelehnt werden und sich dann vielleicht bei Ihnen beschweren?
Holling: Die Frage habe ich gehört; ich kann es auch gerne beantworten. Es ist so, dass es für uns nichts Neues ist, dass solche, wir nennen es, schwarze Listen geführt werden. Was neu ist, dass es offensichtlich jetzt von Seiten der Energiewirtschaft eine systematische Aufarbeitung der Personen gibt, die wir als wechselfreudig bezeichnen.
Prämien werden mit "Preiserhöhungen wettgemacht"
Ehring: Welches Motiv vermuten Sie denn hinter solchen Ablehnungen?
Holling: Als Verbraucherschützer wissen wir, dass in der Regel die Sondertarife mit der Maßgabe angeboten werden, dem Kunden ein Schnäppchen im ersten Jahr zu präsentieren, was dazu führt, dass er hoffentlich dann aus Sicht der Versorger im zweiten und im dritten Jahr nicht wechselt, wo dann durch drastische Preiserhöhungen im Grunde das für den Versorger wieder wettgemacht wird, was er im ersten Jahr als Bonus ausgekehrt hat. Wenn jetzt der Verbraucher im ersten Jahr den Bonus mitnimmt und dann im zweiten Jahr wechselt, hat der Versorger im Grunde ein Minusgeschäft gemacht.
Ehring: Dürfen sich die Versorger denn aussuchen, mit wem sie Geschäfte machen?
Holling: Das ist ein privatwirtschaftlicher Vertrag. Das heißt, der Versorger darf sich sehr wohl aussuchen, mit wem er kontrahieren möchte oder nicht. Die einzige Ausnahme ist der Grundversorger. Der muss kontrahieren.
Kunden haben "Autonomie über ihre Daten"
Ehring: Wie sollten denn Betroffene reagieren, die dann keinen neuen Vertrag bekommen und bei denen der Wechsel abgelehnt ist? Kann man sich da beschweren?
Holling: Man kann sich unter Umständen beschweren, wenn man vorher etwas Cleveres gemacht hat, nämlich den Versorger aufgefordert hat, bevor man kündigt, die Daten zu löschen. Im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung habe ich ja Autonomie über meine Daten. Das heißt, ich weise ihn an, dass er nichts von dem, was er von mir erfahren hat, und das ist auch die Wechselwilligkeit, weitergibt. Versuche ich dann, bei einem neuen Versorger einen Vertrag zu bekommen, und werde dort abgelehnt aus mir nicht erklärlichen Gründen, könnte ich dann die entsprechenden Datenschutzbeauftragten informieren und sagen, ich gehe davon aus, meine Daten sind entgegen meinem Wunsch weitergegeben worden. Das könnte den Versorgern dann erhebliche Probleme bereiten.
Ehring: Sie raten nicht dazu, dem alten Versorger vorsichtshalber treu zu bleiben, um solchen Ärger zu vermeiden?
Holling: Wir als Bund der Energieverbraucher sind natürlich für Verbraucherschutz und wir sagen, die Preise im Strombereich sind sowieso viel zu hoch. Jeder Kunde ist gut beraten, dass auf jeden Fall der Versorger kein Malus-Geschäft macht, wenn er Kunden verliert. Der Kunde muss wechseln, sonst bezahlt er zu viel.
"Daten sammeln an sich ist wohl erlaubt"
Ehring: Ist es denn aus Ihrer Sicht erlaubt, solche Datenbanken zu führen?
Holling: Es ist mir nicht bekannt, dass es irgendwo eine Vorschrift gibt, dass das verboten wäre. Wenn Sie Schufa oder Kreditreform nehmen, das ist ein Geschäftsmodell, das seit Jahrzehnten besteht. Da hat, glaube ich, keiner Bedenken, dass das erlaubt ist. Sie als Verbraucher müssen im Grunde gucken, dass Sie dafür sorgen, dass die Daten nicht weitergegeben werden. Das Daten sammeln an sich ist wohl erlaubt.
Ehring: Sehen Sie denn Möglichkeiten, politisch dagegen vorzugehen?
Holling: Ich denke, man sollte schon zum Beispiel an das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz herantreten und sagen, da ist etwas im Argen, das sollte eigentlich nicht sein, da wird mit Daten etwas gemacht, was eigentlich nicht Sinn und Zweck ist. Ob man damit Erfolg hat, das wird man sehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.