Dienstag, 19. März 2024

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Kritik an Regelungen zum Schulstart
"Eine Maske zu tragen, ist eher eine Zumutung"

Maskenpflicht nicht nur an der Schule, sondern auch im Unterricht - diese Regelung gilt für den Schulstart in NRW. Torben Krauß, Pressesprecher der Bundesschülerkonferenz, kritisierte dies im Dlf: Im warmen Klassenraum eine Maske zu tragen, sei eher eine Zumutung als guter Infektionsschutz.

Torben Krauß im Gespräch mit Kate Maleike | 04.08.2020
Schülerinnen und Schüler mit Masken sitzen an ihren Tischen im Klassenraum und lesen im Unterricht in Marktoberdorf im 27. April 2020.
Mädchen und Jungen ab der 5. Klasse müssen den Mund-Nase-Schutz auch während des Unterrichts tragen, erklärte das NRW-Schulministerium am Montag in Düsseldorf (imago / Action Pictures)
Zum Ende der Sommerferien wird bundesweit über eine Maskenpflicht an Schulen diskutiert. Als erste Bundesländer führen Hamburg und Nordrhein-Westfalen eine Maskenpflicht für Schüler, Lehrer und Schulmitarbeiter ein, auch weitere Bundesländer planen eine Maskenpflicht an Schulen. In Nordrhein-Westfalen gehen die Regeln noch weiter: Mädchen und Jungen ab der 5. Klasse müssen den Mund-Nase-Schutz auch während des Unterrichts tragen. Generell sollen die Schulen trotz der Corona-Pandemie nach den Ferien zurück in den Regelbetrieb.
Schülern kritisieren, dass sie zu selten mit einbezogen werden
Torben Krauß ist Pressesprecher der Bundesschülerkonferenz. Er erklärte im Deutschlandfunk die Sicht der Schülerinnen und Schüler auf die Regelungen für den Unterricht.
"Maskenpflicht an Schulen ist aus Sicht des Infektionsschutzes sicherlich sinnvoll, aber den ganzen Tag über im warmen Klassenraum bei sommerlichen Temperaturen eine Maske zu tragen ist eher eine Zumutung als guter Infektionsschutz", kritisierte Torben Krauß. Viele Länder hatten schon vor den Sommerferien sehr gute Konzepte und Ideen gehabt, wie man auch ohne Maskenpflicht guten Präsenzunterricht gewährleistet. Konkrete Details nannte Torben Krauß im Interview aber nicht.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Generell wünsche sich die Schülerschaft "so viel Unterricht, so viel Normalität wie möglich". Die Schüler stellten die Hauptgruppe der Betroffenen - insofern sei es bedauerlich, dass sie so selten in Beratungen miteinbezogen würden: "In der Vergangenheit wurden wir nur sehr selten an den Tisch geholt. Das ist sehr schade, weil wir uns auch sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen".
Schülerinnen und Schüler hätten beispielsweise konkrete Forderungen: "Wir sind sehr bedacht auf Digitalisierung. Wir fordern, mehr Geld für digitale Infrastruktur auszugeben." Rückstände in der Medienbildung müssten aufgeholt werden.
In der Bundesschülerkonferenz sind alle Landesschülervertretungen aus Deutschland regelmäßig im Austausch, auch um die Bildungspolitik mitzugestalten. Die aktuelle Diskussion um eine Maskenpflicht an Schulen zum Start des neuen Schuljahres findet hier allerdings kein gutes Echo. Torben Krauß ist Pressekoordinator der Bundesschülerkonferenz.
Ein Grundschüler mit Mundschutz stellt seine Ranzen im Klassenzimmer ab.
Datenlage vor dem Schulstart - Wie hoch ist das Corona-Infektionsrisiko in Schulen?
Zum Ende der Sommerferien beginnt in vielen Bundeländern wieder die Schule. Droht nun mit dem Präsenzunterricht eine stärkere Ausbreitung von SARS-CoV-2? Die Studienlage ist unklar.
Kate Maleike: Was ist denn falsch an einer Maskenpflicht an Schulen?
Torben Krauß: Die Maskenpflicht ist zwar aus Sicht des Infektionsschutzes sicherlich sinnvoll, aber den ganzen Tag über im warmen Klassenraum bei sommerlichen Temperaturen eine Maske zu tragen, das ist eher eine Zumutung als guter Infektionsschutz.
"Viele Länder schaffen es auch ohne Maskenpflicht"
Maleike: Das kann man nachvollziehen, zumal man ja auch in vielen Schulen gar nicht so richtig lüften kann, aber es geht ja nicht nur um die Sommerzeit, sondern möglicherweise auch um die Monate danach.
Krauß: Genau, das hoffen wir natürlich nicht, wir hoffen natürlich, dass wir so schnell wie möglich wieder zum normalen Regelunterricht zurückkommen, aber machen wir uns nichts vor: Corona wird uns noch was länger begleiten.
Maleike: Was ist denn die Alternative zur Maskenpflicht?
Krauß: Viele Länder hatten vor den Sommerferien schon sehr gute Konzepte und Ideen, wie man auch ohne Maskenpflicht einen guten Präsenzunterricht gewährleistet. Das wäre aus unserer Sicht auch wieder wünschenswert, viele Länder schaffen es ja auch ohne Maskenpflicht. NRW setzt das auch im Unterricht ein, und das ist für uns unverständlich, warum wir jetzt auf einmal die Maskenpflicht brauchen, obwohl es vor den Ferien noch ohne geklappt hat.
"Wünschen uns so viel normalen Unterricht wie möglich"
Maleike: Wie sieht denn dann die Rückkehr zum "normalen", in Anführungszeichen, Schulbetrieb in Präsenz aus Sicht der Bundesschülerkonferenz aus?
Krauß: Das hängt natürlich ganz von den Infektionszahlen ab. Wir wünschen uns so viel normalen Unterricht, Normalität wie möglich. Wir sind jetzt keine genauen Gesundheitsexperten, wir würden uns aber vor allem auch wünschen, dass man uns zuhört und dass man uns mit an einen Tisch holt, wenn es um die Ausarbeitung der Schulöffnungen und generell des Unterrichts in den nächsten Jahren geht.
Maleike: Da hören wir heraus, dass das für die aktuellen Szenarien nicht der Fall war, oder?
Krauß: Genau. In der Vergangenheit war es sehr selten der Fall, dass wir mal mit an den Tisch geholt wurden. Wir wurden von der Kultusministerkonferenz gekonnt ignoriert, die Bundesbildungsministerin lädt uns auch nicht zu Gesprächen ein, kommt auch nicht zu unseren Konferenzen. Das ist sehr schade, weil wir uns auch sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen.
"Können uns nicht erklären, warum wir so selten gehört werden"
Maleike: Die Schüler sind natürlich auch die größte Gruppe, um die es eigentlich geht. Sie haben selbst ein Corona-Abitur gemacht – so will ich das jetzt mal formulieren –, wie war das denn eigentlich, wie haben Sie das erlebt?
Krauß: Es war sehr ungewohnt, eine neue Situation, auch eine neue Herausforderung natürlich. Am Ende ist alles gut gegangen, aber es war auf jeden Fall ein mulmiges Gefühl auch während den Prüfungen.
Maleike: Die mangelhafte Mitbestimmung war ja auch schon beim Lockdown, sprich in der ersten Phase im März/April, das Thema. Sie haben auch da versucht, Gehör zu finden. Wie erklären Sie sich das, dass die größte Gruppe für dieses Thema so ignoriert wird oder überhaupt gar nicht miteingebunden wird in die Szenarien?
Krauß: Schwierig zu sagen. Wir haben natürlich häufiger auch mal unangenehme Themen, die wir ansprechen, aber es sind sehr wichtige Themen, und wir sind die größte Gruppe. Wir haben in Deutschland zum Glück natürlich auch die Schülervertretungsstrukturen, das sind alles gewählte Vertreter in den Gremien. Wir können uns das auch nicht so ganz erklären, warum wir so selten gehört werden.
Maleike: Was sind das denn für unangenehme Themen, jetzt im Bezug auf Corona zum Beispiel?
Krauß: Zum einen fordern wir zum Beispiel, mehr Geld für digitale Infrastruktur auszugeben. Wir sind natürlich sehr bedacht auf Digitalisierung, jetzt aktuell ist es das Thema Maskenpflicht – das hören die Kultusminister selten gerne.
Digitaler Unterricht: "Da ist noch viel aufzuholen"
Maleike: Es gab auch die Forderung an die Bildungspolitik, zum Beispiel vom Bundeselternrat, die Lehrpläne zu entschlacken, sozusagen an Corona anzupassen, stattdessen gibt es jetzt Lernstandserhebungen zum Anfang des Schuljahres. Was sagen Sie dazu?
Krauß: Das ist natürlich ein schwieriges Thema, die Lehrpläne von heute auf morgen abzuändern, stelle ich mir sehr schwierig vor. Nichtsdestotrotz ist das natürlich auch was Langfristiges, vor allem wenn wir Corona in den Blick nehmen. Das ist sicherlich was, was langfristig eine gute Idee ist vom Bundeselternrat, da wäre aber natürlich auch wieder der Wunsch, dass man alle Beteiligten miteinbezieht.
Maleike: Es ist ja in den letzten Wochen und Monaten auch stark darüber debattiert worden, dass man unter Umständen auch Schülerinnen und Schüler verliert in einem digitalen Unterricht, weil einfach zum Beispiel die Gerätschaften nicht da sind oder eben auch das Verständnis zu Hause nicht. Wenn wir jetzt mal ein bisschen weiterdenken, was könnte in Sachen digitalem Unterricht denn aus Ihrer Sicht noch verbessert werden?
Krauß: In den letzten Wochen wurden ja zum Glück schon einige Geräte bereitgestellt oder es wurde Geld für Geräte bereitgestellt, das ist auf jeden Fall schon mal der erste Schritt. Es bringt aber natürlich auch nichts, wenn man die Geräte nicht richtig benutzen kann, wenn die Lehrerinnen und Lehrer auch nicht damit richtig umgehen können, aber es zum Beispiel auch einfach an der Internetverbindung zu Hause fehlt. Da ist noch viel aufzuholen, da ist noch viel Bedarf auch in den nächsten Jahren, auch in Sachen Medienbildung in dem Bereich, dass man da die Sachen aufholt, die Rückstände aufholt und alle auf den gleichen Stand möglichst holt.
Maleike: Wir haben jetzt viel über Abstimmung, Mitbestimmung und Regelungen geredet, jedes Bundesland kocht ja sein eigenes Süppchen, das erleben wir ja auch gerade wieder, und einheitliche Regelungen sind aktuell offenbar nicht zu erreichen. Das wird ja auch häufig kritisiert. Wie steht da eigentlich die Bundesschülerkonferenz – die ja auch ein Flickenteppich ist, Sie sind ja auch ein föderales Organ sozusagen – zu diesem föderalen Corona-Flickenteppich in der Bildung?
Krauß: Da sind die Landesschülervertretungen auch nicht unbedingt einer Meinung. Viele würden sich mehr Zusammenhalt, mehr Einheitlichkeit wünschen, viele sagen aber auch, dass das System so, wie es ist, eigentlich ganz gut ist.
Maleike: Würden Sie denn sagen, dass Bildungsdeutschland aus der ersten Corona-Krise so ein bisschen gelernt hat für die sich jetzt andeutende zweite Welle?
Krauß: ich glaube, wir haben viel gelernt, wir Schülerinnen und Schüler, die Eltern haben viel gelernt, die Lehrer haben auch viel dazugelernt. Wenn man sich jetzt natürlich die Konzepte anschaut, sieht es so ein bisschen aus, als wurde das Gelernte wieder so ein bisschen über Bord geworfen, weil man mit ganz neuen Ideen und ganz neuen Strategien vorgeht. Ich glaube, wir haben viel gelernt, wir haben viel mitgenommen, es liegt aber natürlich jetzt auch an den Ministern, das umzusetzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.