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Kritik jüdischer Verbände
Münz (AfD): "Ich sehe keinen Antisemitismus in unserer Partei"

Der religionspolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Volker Münz, hat die Antisemitismus-Vorwürfe jüdischer Verbände als Anmaßung kritisiert. Sie seien "durch nichts zu belegen", so Münz im Dlf. 17 jüdische Organisationen hatten die AfD in einer Erklärung als menschenverachtend und rassistisch bezeichnet.

Volker Münz im Gespräch mit Stefan Heinlein | 06.10.2018
    Der Abgeordnete Volker Münz (AfD) spricht bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag.
    Der religionspolische Sprecher der AfD im Bundestag, Volker Münz, weist die Antisemitismus-Vorwürfe gegen seine Partei zurück (picture-alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Stefan Heinlein: Und am Telefon begrüße ich jetzt den religionspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Volker Münz. Einen schönen guten Morgen nach Göppingen!
    Volker Münz: Ja, guten Morgen, Herr Heinlein, ich grüße Sie!
    Heinlein: Herr Münz, Juden in der AfD, warum ist das kein Widerspruch?
    Münz: Das ist kein Widerspruch, weil jüdische Deutsche genauso sich für Politik interessieren und einsetzen wie andere Menschen in Deutschland auch. Und warum sollen nicht jüdische Mitglieder in der AfD sein? Und ich begrüße das ausdrücklich, dass jüdische Mitglieder sich hier zusammenschließen und damit der jüdischen Stimme ein Gewicht verleihen.
    Heinlein: Es gibt ja bereits die Christen in der AfD. Herr Münz, warum ist die Religionszugehörigkeit für Ihre Partei offenbar so wichtig?
    Münz: Es ist so, dass wir sehr viel Wert legen auf die kulturellen Grundlagen unserer Gesellschaft. Und wir sagen nicht umsonst, wir wollen das jüdisch-christliche Abendland bewahren. Insofern sind uns die religiösen Wurzeln sehr wichtig und mir persönlich ist das ein wichtiges Anliegen. Und leider wird das oft in der Öffentlichkeit gering geachtet, welche Grundlagen unsere Kultur hat, und da spielt die Religion eine Rolle.
    "Die Juden sind quasi unsere älteren Geschwister"
    Heinlein: Was verbindet denn eine Religion, in diesem Fall das Judentum, mit den politischen Zielen Ihrer Partei, der AfD?
    Münz: Es ist so, dass unsere Kultur, unsere Gesellschaft stark auf der Religion aufbaut, und das ist nun mal das Christentum. Und das Christentum wiederum ist ja, wie Paulus gesagt hat, aufgepfropft als Zweig auf den jüdischen Stamm. Insofern verbindet uns Christen mit den Juden sehr, sehr viel. Die Juden sind quasi unsere älteren Geschwister. Und deswegen ist es mir auch ein Anliegen, dass wir hier zusammenarbeiten. Ich war mit dabei bei der Gründung der Christen in der AfD und ich freue mich eben, dass sich jetzt auch die Juden in der AfD zusammengeschlossen haben. Und wir haben gemeinsame Themen wie das Eheverständnis, Familienverständnis, und da, denke ich, können wir gut zusammenarbeiten.
    Heinlein: Herr Münz, wenn sich jetzt Muslime entscheiden würden, einen Kreis zu gründen, Muslime in der AfD, findet das Ihre Unterstützung?
    Münz: Ich hätte nichts dagegen. Ich würde das auch begrüßen. Wie gesagt, wir sind offen für alle Menschen in Deutschland, die sich bekennen zu unserem Land, zu unserer Kultur. Insofern hätte ich da auch nichts dagegen.
    Heinlein: Wenn jetzt aber Ihre jüdische Organisation sagt, dass die antisemitische Sozialisation von Muslimen bekämpft werden muss, passt das denn zusammen mit Ihrer Auffassung zu sagen, ich kann mir auch vorstellen Muslime in der AfD, das ist kein Problem?
    Münz: Also ich habe mich bisher nie einem Dialog verschlossen und ich habe jetzt neulich auch bei der Ahmadiyya-Gemeinde gesagt, ich begrüße es, wenn Muslime sich für eine liberale Form des Islam einsetzen. Das ist dringend notwendig, weil das die Grundlage ist, um hier in Deutschland, sage ich mal, sich einzubringen. Das ist Voraussetzung, dass unsere Werte akzeptiert werden. Und da liegt es eben an allen Menschen, insbesondere, wenn Sie mich fragen, an den Muslimen, sich hier einzubringen.
    "Es bringt mich vor allen Dingen auf die Palme"
    Heinlein: Herr Münz, die AfD ist antidemokratisch, menschenverachtend und in weiten Teilen rechtsradikal, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von 17 jüdischen Organisationen. Ich gehe davon aus, dass Sie das kennen, dabei ist unter anderem der Zentralrat der Juden in Deutschland, also die wichtigste Stimme. Und die Forderung lautet unter anderem, dass diese Organisation keine Alternative für Juden ist. Wie sehr bringt Sie diese sehr, sehr klar Stellungnahme zum Nachdenken?
    Münz: Ja, es bringt mich zum Nachdenken, es bringt mich vor allen Dingen auf die Palme. Es sind hier Dinge geäußert worden, wir seien antidemokratisch, menschenfeindlich. Ich würde ja gern mal wissen, woran das festgemacht wird. Und ich halte es für eine Anmaßung, wenn hier öffentlich darüber geurteilt wird, welche Partei Juden gefälligst nicht zu wählen haben oder welcher Partei sie sich anschließen dürfen oder nicht. Wo kommen wir denn da hin? Und das soll demokratisch sein? Das widerspricht der Demokratie.
    Heinlein: Die Erklärung der 17 jüdischen Organisationen geht ja noch weiter, Zitat: "Die AfD ist die Partei, in der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoah ein Zuhause hat." Fühlen Sie sich da richtig charakterisiert?
    Münz: Das ist eine Unterstellung, die durch nichts zu belegen ist, und ich finde das nicht in Ordnung, ich finde es eine Frechheit, so was zu äußern. Ich würde gerne mit diesen Herrschaften mal sprechen, woran sie das festmachen, und dann kann man darüber ja diskutieren. Ich sehe keinen Antisemitismus in unserer Partei, im Gegenteil, wir prangern Antisemitismus an. Den einheimischen, aber insbesondere den importierten Antisemitismus.
    Heinlein: Sie fordern Belege, Herr Münz.
    Münz: Ja.
    Heinlein: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte", das ist ein Zitat wörtlich von Ihrem Parteichef Alexander Gauland. Wie kann man das, Herr Münz, anders interpretieren als einen Beleg für die Relativierung und Leugnung der Schoah, die ja der Zentralrat der Juden bei der AfD beklagt?
    Münz: Ja, ich finde diese Aussage von Herrn Gauland nicht in Ordnung, das habe ich ihm auch gesagt. Aber daraus abzuleiten, dass wir den Judenmord damit leugnen, das halte ich für viel zu weit gefasst. Und generell muss man sagen, dass der Antisemitismus-Vorwurf viel zu oft, viel zu häufig gebraucht wird. Damit relativiert man selbst die Schrecken des Nationalsozialismus, wenn man das mit allem und jedem in Zusammenhang bringt. Ich halte das nicht für in Ordnung.
    "Zu allem und jedem wird jetzt der Antisemitismus-Vorwurf erhoben"
    Heinlein: Es gibt ein weiteres Zitat: "Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Sie kennen das, Ihr Parteifreund Björn Höcke 2007 in einer Rede, er meinte das Holocaust-Mahnmal. Noch einmal, ist das nicht ein Beleg für die Relativierung und Leugnung der Schoah, die der Zentralrat der Juden bei der AfD beklagt?
    Münz: Also noch mal, ich finde auch nicht alles gut, was gesagt wird. Aber hier muss man sagen, was ist es denn sonst? Ist es ein Denkmal der Freude? Nein, es ist ein Denkmal der Schande. Und da reinzuinterpretieren, dass Höcke gesagt hätte, es sei ein Schandmal, das ist nicht in Ordnung. Ich habe aber trotzdem Höcke kritisiert, weil diese Aussage so interpretiert wird. Aber er hat das objektiv gesehen so nicht gesagt. Es ist ein Denkmal über die Schande. Und wie gesagt, da jetzt was reinzuinterpretieren, das ist genau das, was ich gesagt habe: Zu allem und jedem wird jetzt der Antisemitismus-Vorwurf erhoben, das entwertet den Antisemitismus und relativiert ihn.
    Heinlein: Interessant ist ja, dass der Vorwurf von jüdischer Seite kommt, der Antisemitismus. Herr Münz, wenn bei Kundgebungen wie in Chemnitz AfD-Politiker Seite an Seite mit Neonazis, Hooligans und Skinheads marschieren, dann sagt der Zentralrat der Juden, die AfD sei keine politische Heimat für Juden, sondern ein Fall für den Verfassungsschutz. Herr Münz, müssen Sie sich noch schärfer abgrenzen von Gruppen, wo antisemitische Parolen gegrölt werden und der Hitlergruß gezeigt wird?
    Münz: Wir müssen uns alle abgrenzen von Extremisten. Das gilt nicht nur für uns, das gilt für andere Parteien auch. Und wenn ich daran denke, wie wenig Scheu auf der linken Seite besteht, mit dem Schwarzen Block zum Beispiel zu marschieren, dann hat auch die Linke eine Veranlassung, sich abzugrenzen. Also noch mal, wir müssen uns alle überlegen, mit wem wir auftreten, wer sich zu Demonstrationen dazugesellt, das hat man auch nicht immer im Griff, das ist was anderes, aber jeder muss gucken, mit wem er sich zusammentut, das ist klar.
    Heinlein: Sie haben jetzt hier die Gelegenheit, sich abzugrenzen von rechtsradikalen Gruppen. Von wem wollen Sie sich abgrenzen?
    Münz: Ja, natürlich grenzen wir uns ab und ich habe das auch schon oft gesagt, dass …
    Heinlein: Von wem?
    Münz: Jeder, der rechtsextremistische Gedanken äußert, Parteien oder Gruppen, die eben nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, davon grenzen wir uns ab, das haben wir auch immer getan. Und wenn eine Demonstration der AfD angemeldet wird und unter Tausenden laufen auch welche mit, dann ist es schwierig, das zu verhindern.
    Und es hat ja sich gezeigt, dass in Chemnitz, und das hat ja auch Herr Maaßen damit deutlich machen wollen, was immer gesagt wurde, Hetzjagden im großen Stil gab es nicht, es wird hier etwas in Zusammenhang gebracht, was es nicht gibt. Also noch mal, ich plädiere dafür, dass wir uns abgrenzen genau wie jeder andere auch von Extremisten. Aber zu sagen, die AfD hat hier ein besonderes Problem, da müssen sich die anderen auch an ihre Nase fassen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur/Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.