Donnerstag, 25. April 2024

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Kritikergespräch
Über Literatur von Volker Braun und Durs Grünbein

In der ehemaligen DDR geboren, in Berlin lebend, politisch agierend und Georg-Büchner-Preisträger - Parallelen der Schriftsteller Volker Braun und Durs Grünbein. Welche weiteren Gemeinsamkeiten oder welche Unterschiede sind in den aktuellen Werken den beiden Schriftsteller zu finden?

Meike Fessmann und Lothar Müller im Gespräch mit Hubert Winkels | 30.05.2019
Buchcover: Volker Braun: „Handstreiche“ und „Verlagerung des geheimen Punkts - Schriften und Reden“ sowie Buchcover: Durs Grünbein: „Aus der Traum. (Kartei) - Aufsätze und Notate“
Volker Braun: "Verlagerung des geheimen Punkts - Schriften und Reden" und "Handstreiche" sowie Buchcover: Durs Grünbein: „Aus der Traum. (Kartei) - Aufsätze und Notate“ (3x Buchcover Suhrkamp Verlag, Foto Grünbein: imago stock&people/IPON)
Über welche Möglichkeiten verfügt unter den gegenwärtigen Bedingungen ein Schriftsteller zum Eingreifen in den Lauf der Dinge? Ein mit allen literarischen Traditionen vertrauter Volker Braun bedient sich der bewährten Prosaformen, um diesem Zweck näherzukommen: Aphorismen, Dialogfetzen, Zitate. In seiner Werkstatt entstehen Träume, Rätselhaftes, eigensinnige Wahrheiten, Beobachtungen zum schreibenden und fühlenden Ich und zur Welt. Solche handstreichartigen Überfälle erfolgen in der Schelmenperspektive: Der Schelm gründet sein Denken und Handeln auf den plebejischen Umgang mit den Dingen, ungehobelte Einsprüche, Angriffe und Verteidigungen, Burlesken, Handgriffe, Fingerzeige, Rippenstöße.
Volker Braun: "Handstreiche"
Suhrkamp Verlag, Berlin. 91 Seiten, 18 Euro.
Volker Braun: "Verlagerung des geheimen Punkts - Schriften und Reden"
Suhrkamp Verlag, Berlin. 319 Seiten, 28 Euro.
Als welthistorisches Ereignis zeigt sich der Widerspruch zwischen Realität und Traum im Untergang eines Staates, der DDR, und den Metamorphosen seiner Gesellschaft bis heute. Ein häufiges Thema in der Lyrik und Prosa von Durs Grünbein. An den Gegensätzen von Freiheit und Solidarität auf der einen Seite, Hass und Spaltung auf der anderen, an Deutschland und Europa entwickelt der Autor in seinem neuen Buch ,Aus der Traum (Kartei)’ seine Idee eines fantasiegeleiteten Widerstands gegen den Fetisch kruder Realität. Wo aber lägen Traum und Wirklichkeit näher beisammen als in der Kunst? Der Autor wendet sich schließlich jenen Dichtern und Philosophen zu, an deren Ästhetiken und Ideen er die eigenen Vorstellungen geschärft hat. Der Bogen spannt sich von der Antike bis in die Gegenwart, von Ovid über Pascal und Descartes bis Celan. Durs Grünbeins neues Buch ist eine Sammlung von Schriften verschiedener Genres: aus Aufsätzen, Reflexionen, Reden, Traumnotizen, Vorträgen, Sprechertexten und Gedichten. Aus der sammelnden und ordnenden Kartei seiner Stichworte ist ein Fundbuch hervorgegangen.
Durs Grünbein: "Aus der Traum. (Kartei) - Aufsätze und Notate"
Suhrkamp Verlag, Berlin. 573 Seiten, 28 Euro.