Freitag, 19. April 2024

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Kritikergespräch
Von Wölfen und Sextanten

Romulus und Remus, Rotkäppchen, Odin und sein Wolf: Um kaum ein Tier ranken sich so viele Mythen wie um jenes Tier, von dem der Haushund abstammt. "Wölfe" ist eines von vier vorgestellten Büchern im "Kritikergespräch". Doch auch ein Sextant und ein Brief an die Königin von England spielen eine Rolle.

Christine Knödler und Wieland Freund im Gespräch mit Tanya Lieske | 29.02.2020
Buchcover der 4 besprochenen Bücher
Ein Flüchtlingsjunge, die globalisierte Welt, Wölfe und andere wilde Tiere, das Jetzt und die Zukunft (Buchcover Peter Hammer Verlag, Gerstenberg Verlag, Ueberreuther Verlag, Atrium Verlag)
Eine Junge zieht aufs Land, und findet einen neuen Freund, Max. In dessen Elternhaus gibt es alles, was bei den Bio-Eltern des Erzählers nicht vorkommt, auch Chips und Computerspiele bis zum Abwinken. Doch dann beginnt die Jagdsaison, und jetzt wendet sich als Blatt, als die Wilden Tiere im Elternhaus des Kindes Zuflucht suchen. Ein Bilderbuch mit einer Botschaft, die sich gegen das Fleischessen richtet. So viel Pädagogik könnte nerven, doch Christine Knödler und Wieland Freund sind sich einig: die magischen Bilder der Kölner Illustratorin Katrin Stangl reißen vieles raus.
Didier Levy, Katrin Stangl (Illustration): "Als die wilden Tiere bei uns einzogen"
Aus dem Französischen von Silvia Bartholl
Peter Hammer Verlag, Wuppertal. 40 Seiten, 15 Euro
In ihrem preisgekrönten Debütroman erzählt die britische Autorin Onjali Q. Raúf von dem Schicksal des Flüchtlingsjungen Ahmed, der das Meer überquert und dabei seine Familie verloren hat. Seine neuen Freunde wollen ihm helfen und schreiben an die Queen. Wie im Kinderbuch üblich, wird alles gut, doch Wieland Freund erhebt Bedenken gegen eine solche "vordemokratische Lösung".
Onjali Q. Raúf, Pippa Curnick (Illustration): "Der Junge aus der letzten Reihe"
Aus dem Englischen von Katharina Naumann
Atrium Verlag, Zürich. 288 Seiten, 15 Euro
Dieser Jugendroman beschreibt eine vormoderne und doch globalisierte Welt. Die Macht des Konsortiums beruht darauf, dass die Menschern zwar reisen dürfen, dass sie aber keine Möglichkeit haben, ihren jeweiligen Aufenthaltsort zu bestimmen. Erst als sich Marietta, das Mädchen mit der genauen Uhr, und Charles, der Junge mit dem Sextanten, zusammenfinden, bröckelt die absolute Macht. Eine spannende Romanidee, die beide Kritiker für sich einnimmt. Und doch gerät dieser Roman ins Schlingern wegen seiner sprachlichen Ambitionen, argumentiert Christine Knödler.
Martin Gries: "Das Konsortium oder die ungenaue Zeit"
Verlag Ueberreuter, Berlin. 382 Seiten, 18,95 Euro
1859 wurde der letzte Wolf in Deutschland erschossen, seit fast 25 Jahren sind die Wölfe wieder zurück. Und sie sorgen für große Kontroversen in Deutschland, die auch von der alten mythischen Angst vor dem Wolf befeuert werden. Dieses Buch nimmt die Emotionen zurück, wenn auch nicht ganz raus: Ein Zusammenleben von Wölfen und Menschen ist möglich, argumentieren die Autorinnen. Die Kritiker sind sich einig: Dieses Sachbuch ist gelungen.
Bärbel Oftring, Theresa Schwietzer (Illustration): "Wölfe"
Gerstenberg Verlag, Hildesheim. 60 Seiten, 20 Euro