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Kritischer Blick

Kernenergie. - Frankreich gehört zu den Staaten, die am stärksten auf Kernenergie setzen. Die Reaktorkrise in Japan hat daran nichts geändert. Allerdings wurden besondere Stresstest für die Anlagen angekündigt, Präsident Sarkozy will sogar einen Gipfel zu "weltweit einheitlichen Sicherheitsnormen im Atombereich" veranstalten.

Von Suzanne Krause | 31.03.2011
    Vor einer Woche zitiert die Tageszeitung Le Monde, was der Präsident der Nuklearen Überwachungseinrichtung ASN, Andre-Claude Lacoste, noch am 23. März behauptete:

    Es gibt keinerlei Grund, auch nur irgendein Kernkraftwerk in Frankreich zu schliessen.

    Am selben Tag erhielt Lacoste von Premierminister Francois Fillon schriftlich Mission, die auf europäischer Ebene vereinbarten Stresstests im AKW-Bereich zu organisieren. In einem heute veröffentlichten, grossen Interview von "Le Monde" gibt der ASN-Präsident betreffs der herkömmlichen Sicherheitschecks zu:

    Wir haben beispielsweise das Zusammentreffen eines Erdbebens mit einer Überschwemmung nicht studiert.

    In diesem Interview schlägt Andre-Claude Lacoste nun andere Töne an:

    Man kann nicht garantieren, dass es niemals einen schweren Unfall in Frankreich geben könne.

    Der neue Tonfall fällt auch Yves Cochet auf: seit langen Jahren kämpft der grüne Abgeordnete gegen die Atompolitik. Gestern Abend, im Anschluss an die Parlaments-Anhörung zu den Folgen des japanischen GAU in Frankreich, bilanziert Cochet:

    "Seit wenigen Tagen stelle ich fest, dass sich rhetorisch etwas entwickelt. Nicht nur dank des Interviews mit Lacoste heute. Vorgestern äusserte sich schon Jean-Francois Lacronique im Boulevardblatt 'Le Parisien'. Lacronique war früher Präsident des Instituts für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz, deren Experten die Sicherheitsnormen festlegen. Nun äussert er öffentlich Zweifel, was die atomare Sicherheit in Frankreich anbelangt. Aus einem solchen Mund war so etwas bei uns seit Beginn der zivilen Atomnutzung vor 35 Jahren noch nie zu hören."

    Zur Anhörung hatte Industrieminister Eric Besson gebeten. Sichtlich bemüht, die einheimischen Wogen zum GAU in Fukushima zu glätten. Zwar gibt Besson zu: das Risiko 0 existiere nicht. Dennoch bekräftigt er, dass die einheimischen Sicherheitsnormen zu den besten weltweit zählten. Bei den anstehenden Stresstests verspricht der Industrieminister "totale Transparenz":

    "Beim Treffen der Energieminister in Brüssel habe ich angekündigt, dass Frankreich bereit ist, bei unseren Stresstests ausländische Beobachter zuzulassen, von der Internationalen Atomenergiebehörde oder auch von anderen Nuklearsicherheitseinrichtungen. Und natürlich möchten wir, dass dies auch anders herum funktioniert. Um es deutlich zu sagen: Frankreich hat nichts zu verbergen, rein gar nichts."

    Bis Ende des Jahres soll die nukleare Überwachungseinrichtung ASN erste Ergebnisse des Stresstests der französischen Kernkraftwerke vorlegen. In seinem Missionsbrief gibt Premierminister Fillon fünf Punkte vor:

    Die Risiken einer Überschwemmung, eines Erdbebens, eines Ausfalls der Stromversorgung und des Kühlkreislaufs sowie die operationelle Leitung von Störfällen.

    Bei der Parlamentsanhörung stellte der grüne Politiker Yves Cochet klar: das reicht nicht:

    "Die Liste müsste erweitert werden. Beispielsweise bezüglich der Gefahr eines Flugzeugabsturzes, eines terroristischen Angriffs oder auch betreffs der Möglichkeit, dass in den kommenden 50 Jahren der Meeresspiegel ansteigt."

    Ebenso verlangt Cochet, an den Stresstests auch atomkritische Vereine mit Expertenwissen, wie Greenpeace oder das unabhängige Strahlenmess-Institut CRIIRAD, zu beteiligen. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat angekündigt: belege der Stresstest bei einem Kernkraftwerk Sicherheitsprobleme, würde die Anlage abgeschaltet. Yves Cochet meint: Fessenheim, das älteste Atomkraftwerk, müsse eigentlich sofort vom Netz.