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Kritisches Denken in der Wissenschaft fördern

Unter Akademikern wie auch im Rest der Gesellschaft ist kritisches Denken Mangelware - meinen die sogenannten "Skeptiker". Sie wundern sich darüber, was so alles in oder trotz der Wissenschaft geglaubt wird. Unter dem Motto "Wissenschaft fördern in einer Zeit der Ungewissheit" trafen sie sich jetzt in Berlin.

Von Daniela Siebert | 21.05.2012
    Warum glauben immer noch so viele Menschen, wir würden nur zehn Prozent unseres Gehirns benutzen? Was passiert wenn ein Moskito genau in einen Akupunktur-Punkt sticht?

    Solche Fragen werden auf dem Welt-Skeptiker-Kongress gestellt. Der hatte dieses Jahr das Motto "Wissenschaft fördern in einer Zeit der Ungewissheit". Das Anliegen, das dahintersteht, erklärt Julia Offe, Kongress-Organisatorin von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, GWUP:

    "Wir wollen damit sagen, dass viele Leute heutzutage ein bisschen überfordert sind mit den ganzen Entscheidungen, die sie treffen können, mit Unsicherheiten, und dann gerne einfache Antworten suchen, so wie sie zum Beispiel Wahrsager oder auch Alternativmediziner anbieten."

    Julia Offe ist promovierte Biologin. Auch in diesem Wissenschaftsbereich gebe es einen problematischen Trend, findet sie: das Negieren der Evolution zugunsten einer höheren Macht:

    "Das was mich auch dazu gebracht hat, in die GWUP einzutreten, war vor ein paar Jahren, dass es auch kreationistische Tendenzen gab in Deutschland, glücklicherweise ist es nicht schlimmer geworden und es war auch ziemlich gut zurückzudrängen, aber es gab Leute, die durchaus Einfluss hatten, die zumindest in einem Nebensatz geäußert haben, dass man überlegen könnte, ob man 'Intelligent Design' - also eine besondere Form des Kreationismus – an Schulen lehren könnte."

    Die "Skeptiker" wollen die Wissenschaft als einen Weg verteidigen, die Dinge immer wieder neu zu betrachten und zu hinterfragen erklärt Julia Offe. Sobald beispielsweise für das Wirken von Homöopathie Beweise nach wissenschaftlichen Standards auftauchen, lasse auch sie sich davon überzeugen betont die Biologin.

    Der schwedische Philosophie-Professor Sven Ove Hansson findet den Begriff "Skeptiker" deshalb auch eher irreführend:

    "as was wir, die Mitglieder dieser Bewegung, was wir tun ist eigentlich: die normale Wissenschaft zu verteidigen."

    Und die müsse manchmal auch vor Pseudo-Skeptikern geschützt werden so Hansson: Vermeintlich kritische Geister, die sich für ihre Äußerungen auch noch bezahlen lassen. Über sie empörte sich der ehemalige Vorsitzende der schwedischen Skeptiker-Vereinigung auch in seinem Kongress-Vortrag.

    "Das sind Leute, die skeptisch nur gegenüber einigen Dingen sind, z. B, sie sind gegen Klimawissenschaft, aber dann haben sie andere Kriterien für Klimawissenschaft als für die übrige Wissenschaft. Das ist also pseudo-skeptisch. Skeptisch sein muss eine Methode sein, dass man verschiedene Dinge mit denselben Kriterien untersucht."

    Geld bekommen solche "Miet-Mäuler" laut Hansson beispielsweise von der Ölindustrie bei Klimafragen oder von der Tabakindustrie, wenn es ums Passivrauchen geht.

    Die rund 300 in Berlin versammelten Skeptiker kamen querbeet aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Ein roter Faden, der sich dabei erkennen ließ: viele von ihnen beklagten den schlampigen bis betrügerischen Umgang mit Zahlen und Daten. Von Natur aus vorne mit dabei, der Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer:

    "Ich bin immer skeptisch, wenn Zahlen in die Welt gesetzt werden von Leuten, die an der Wirkung ein persönliches Interesse haben: Umfragen zum Beispiel – wenn der ADAC eine Umfrage macht zum Tempolimit auf Autobahnen, weiß ich sofort, was rauskommt, dito wenn Die Grünen eine machen, weiß ich auch was rauskommt – vorher schon."

    Ein weiteres Problem, das die "Skeptiker" umtreibt, ist: viele Informationen kommen gar nicht erst in die Öffentlichkeit. Weil wissenschaftliche Studien in den Schubladen interessierter Kreise verschwinden oder von renommierten Fachzeitschriften nicht veröffentlicht werden. Dazu exemplarisch der britische Psychologie-Professor Chris French:

    "In der Psychologie wird vieles nicht publiziert. Es ist schwer zu sagen wie viel. Und man kann sicher sein: viele der Effekte, die in Psychologie-Magazinen berichtet werden, sind keine wirklichen Effekte, sie sind wahrscheinlich nicht robust und reproduzierbar."

    Es gibt also noch viel zu tun für die "Skeptiker", um die wahre Wissenschaft zu retten.