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Kritk an Microsoft, Google und Yahoo

In Ländern wie China oder dem Iran wird die freie Nutzung des Internets massiv eingeschränkt. Verfassern regierungskritischer Texte drohen Sanktionen. Dabei werden Diktaturen auch von großen Konzernen wie Microsoft, Google oder Yahoo unterstützt.

Von Andreas Baum | 07.11.2005
    Die Mechanismen, mit denen Diktaturen die Freiheit im Internet einzuschränken versuchen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Das Ziel dagegen ist immer das Gleiche: Das Internet ist wie kein anderes Medium geeignet, herrschende Pressefreiheit zu umgehen. Wer Informationen oder Meinungen ins Netz stellen will, braucht nur einen Rechner und Internetzugang. In Ländern wie Kuba, Birma oder Nordkorea wird der Zugang zum Internet fast komplett unmöglich gemacht, in Kuba schon dadurch, dass kaum jemand einen Computer kaufen kann. Schwellenländer wie China, Vietnam oder der Iran dagegen haben die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Internet erkannt und fördern es - im Prinzip. Aber sie kontrollieren es auch. Sie entwickeln ausgefeilte Methoden der Filterung bestimmter Inhalte und überwachen es penibel. Am prekärsten ist die Situation in China, wie Katrin Evers sagt, Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen in Deutschland.

    " China ist das weltweit größte Gefängnis für Internetjournalisten und für Internetdissidenten. Dort sind derzeit 63 Personen hinter Gittern. Das Erschreckende an der Situation in China ist, dass da wirklich fast tagtäglich die Überwachung ausgeweitet wird. Es gibt ein Heer von Internetpolizisten. In Internetcafés muss man Fingerabdrücke abgeben, seinen Pass vorzeigen, es gibt ganz ausgefeilte Filtermechanismen die die Verbreitung bestimmter Informationen, vor allem was Menschenrechte, was Demokratie angeht, einschränken. "

    Reporter ohne Grenzen beklagt, dass die Diktaturen von großen Internetkonzernen unterstützt werden. Microsoft kooperiert demnach mit dem chinesischen Regime, ebenso die weltgrößte Suchmaschine Google, indem sie Zensur- und Filtermechanismen unterstützen. Andere sind den Vorwürfen zufolge sogar dafür verantwortlich, dass Menschen, die ihre Informationsfreiheit im Netz genutzt haben, im Gefängnis sitzen.

    " Yahoo zum Beispiel hat durch die Herausgabe von Internetdaten zur Verhaftung des jungen Internetjournalisten Xi Tao beigetragen. Aber auch Google oder die Suchmaschinen von Microsoft filtern entsprechende Seiten aus den Suchmaschinen heraus. Wenn ich also einen Menschenrechtsbegriff eingebe bei Google in China, dann finde ich bestimmte Seiten dort gar nicht. "

    Google, Microsoft und Yahoo reagieren bislang nicht auf die auf die Appelle von Menschenrechtsorganisationen, ihre Zusammenarbeit mit Diktaturen zu beenden. Offenbar überwiegen die Interessen, auf dem expandierenden Internetmarkt eines Landes wie China rechtzeitig präsent zu sein. Auch im Iran könnten die Machthaber nicht so effektiv das Internet kontrollieren und zensieren, bekämen sie nicht qualifizierte Hilfe von Internetkonzernen. Das Internet ist hier in den vergangenen Jahren zum wichtigsten unabhängigen Medium geworden. Umso eifriger versuchen die Machthaber in Teheran die Freiheit gerade der Internetjournalisten und Weblogger einzuschränken. Hellhörig werden sie bei bestimmten Tabuthemen, wie der iranische Journalist Hossein Derakhshan berichtet. Er betreibt in Kanada drei Weblogs mit politischen Themen zum Iran, auf persisch und auf englisch.

    " Es gibt eine Reihe von bestimmten Tabus. Wer sie bricht, kommt auf die schwarze Liste. Wer den Obersten Führer des Iran herausfordert oder ihn nur erwähnt auf eine Weise, die als unhöflich empfunden wird, bricht das Gesetz. Aber auch das Nuklearprogramm des Iran darf nur in dem vom Regime vorgegebenen Rahmen diskutiert werden. Zum Beispiel ist es verboten, darüber zu diskutieren, ob das Nuklearprogramm umweltschädlich ist. Diese Debatten sind verboten. "

    Als Derakhshan im Frühjahr selbst in den Iran reiste um sich über die Wahlen zu informieren, musste er erfahren, dass seine Arbeit von den Machthabern sehr ernst genommen wird. Am Tag seines geplanten Rückfluges wurde ihm die Ausreise verweigert. Er wurde am Flughafen ausgerufen und aufgefordert, in einem Raum der Sicherheitskräfte zu warten.

    " Nachdem ich meinen Flug verpasst hatte, kam jemand und sagte: Sie können nicht einfach so gehen. Wir wissen, was Sie getan haben. Wenn Sie das Land verlassen wollen, müssen Sie sich erklären und sich für einige Ihrer Texte entschuldigen. Ich hatte den Obersten Führer kritisiert und übers Atomprogramm geschrieben, aber auch das Verhältnis zu Israel thematisiert und Internet-Filter, was sie besonders interessierte. Als ich im Informationsministerium eine Befragung über mich ergehen lassen musste, sah ich, dass sie Ausdrucke aus meinem Weblog hatten. Schließlich musste ich etwas schreiben, um Iran verlassen zu können. "

    Derakhshan widerrief seine schriftliche Entschuldigung, sobald er wieder in Kanada war. Daraufhin schrieb ihm das Teheraner Informationsministerium, dass er im Iran künftig nicht mehr erwünscht sei. Nun kann er nicht mehr in sein Heimatland reisen, was seine journalistische Arbeit, die auf Kontakten in den Iran beruht, erheblich erschwert.

    Den möglichst freien Austausch von Informationen im Internet haben sich auch die Vereinten Nationen zum Thema gemacht. Mitte November soll in Tunesien der Weltinformationsgipfel ausgetragen werden, der dies fördern soll. Das Regime von Präsident Ben Ali aber sei eines der repressivsten der Welt, was die Informationsfreiheit im Internet angehe, meint Katrin Evers von Reporter ohne Grenzen.

    " Es sind Hunderte von Websites gesperrt, es gibt keine unabhängigen Medien in dem Land, Demonstrationen für eine freie Presse werden verboten, Journalistengewerkschaften können sich nicht gründen, selbst ein Gipfel der Menschenrechtsliga ist jüngst verhindert worden. Das heißt, dieses Land, das sich jetzt auch mit diesem Gipfel auf dem internationalen Parkett des Internetaustausches bewegen möchte, ist hinter den Kulissen ganz repressiv. "

    Reporter ohne Grenzen und andere Menschenrechtsorganisationen werden den Weltinformationsgipfel deshalb nutzen, um auf die Missstände auch im Gastgeberland selbst aufmerksam zu machen.