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Kronprinz im Sattel

Was von Weitem so aussieht wie der Ausflug des örtlichen Kegelvereins, ist die Wahlkampftour von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière in seinem sächsischen Wahlkreis. Sein Ergebnis von 45 Prozent vor vier Jahren will er toppen, nur dann ist er als Angela Merkels Kronprinz noch im Rennen.

Von Nadine Lindner | 05.09.2013
    "Dann haben wir hier noch den Postwagen. Weil wir hatten ja eine Post in Boritz."

    In heller Freizeithose und orangefarbenenem Wahlkampf-Shirt der CDU steht Thomas de Maizière in einer großen Scheune und begutachtet mit interessierter Miene die umfassende Sammlung historischer Landmaschinen. Der Inhaber, der 87-jährige Hartmut Loose, ist voll in seinem Element.

    Etwa 30 Leute sind dabei. Die Wahlkreismitarbeiterin mit Familie, Bürgermeisterinnen aus der Gegend, Sympathisanten. Riesa, Leutewitz, Schänitz, Boritz, Nieder-Lommatzsch - immer an der Elbe lang strampelt der CDU-Politiker auf dem Fahrrad durch seinen Wahlkreis. Die Orte sind klein, er muss jeden Wähler einzeln aufsuchen.

    Was für die SPD der Tür-zu-Tür-Wahlkampf ist, läuft bei de Maizière eben am Gartenzaun: Anhalten, plaudern, Volksnähe zeigen, das ist heute sein Programm.

    "So sieht das hier aus bei zehn Metern. Da haben wir das Wasser ungefähr auf der Höhe hier.
    "Wie geht es denn der örtlichen Feuerwehr? Nachwuchs?"
    "Ja, genau das ist das Problem."
    "Und Bambinisachen, bringt das was? Ja, das ist angefahren, mancherorts..."
    Auf die Folgen der Juni-Flut wird der Verteidigungsminister oft angesprochen. Konzentriert hört er zu, fragt nach. Dieses Thema brennt den Leuten unter den Nägeln – nicht die Drohnen-Affäre, wegen der de Maiziere in Berlin unter Druck stand, erklärt er.

    "Flut, dann öffentlicher Personennahverkehr, Schulnetzplanung. Also die Frage, wie kommt mein Kind in die Schule?"

    Was von weitem so aussieht wie der Ausflug des örtlichen Kegelvereins, ist die Wahlkampftour von Thomas de Maizière - Bundesverteidigungsminister und Direktkandidat im Wahlkreis 156 - Meißen. Vor vier Jahren hat er zu Hause 45 Prozent der Erststimmen gewonnen. Am 22. September hofft er, dieses Ergebnis noch zu toppen.

    Denn dann, nur dann ist de Maizière als Angela Merkels Kronprinz noch im Rennen. Er setzt darauf, mit Multiplikatoren zu sprechen, also mit dem Bürgermeister, dem Feuerwehrkommandanten, dem Vereinsvorsitzenden.

    "Wenn der Ortsvorsteher sagt, der Herr de Maizière war hier, dann spricht sich das rum im ländlichen Raum."

    Der Minister wirkt entspannt. Er fährt gerne Rad, plaudert auf der Strecke über seinen letzten Fahrradurlaub an der Mosel. Hier im Sonnenschein am grünen Elbufer sind der Konflikt in Syrien und die Euro-Hawk-Affäre ganz weit weg.

    Mit von der Partie ist auch Gerti Töpfer, Oberbürgermeisterin von Riesa, Mitglied im Stadtverband der CDU. Sie kennt de Maizière schon lange, hat ihm auch während der Drohnenaffäre immer den Rücken gestärkt.

    Die Basis steht hinter ihm. Nein, mehr noch, bei Angriffen schließen sich die Reihen, sagt die OB. Sie gerät richtig ins Schwärmen, wenn sie vom sächsischen Spitzenkandidaten spricht und peilt in Gedanken schon die Bundestagswahl 2017 an – mit einem möglichen Kanzlerkandidaten de Maizière.

    "Und ich glaube, viele in Deutschland wissen, was sie an ihm haben, an seiner Klugheit, an seiner strategischen Weitsicht. Und bei der nächsten Wahl, warum nicht. Ich traue es ihm zu, auf jeden Fall."

    Soweit denkt Thomas de Maizière noch nicht. Er ist mit dem Werben um jede einzelne Stimme für die kommende Bundestagswahl beschäftigt, auch wenn das ein mühseliges Geschäft sein kann. Er hält vor einem kleinen Haus mit riesigen Blumenbeeten, wo eine Frau in die Gartenarbeit vertieft ist. Verdattert nähert sie sich dem unbekannten Gast am Gartentor.

    "Kennen sie mich? Nicht wirklich, ne? Ich bin der Herr de Maizière. Ich mache 'ne Radtour und ein bisschen Wahlwerbung."

    Die Frau hat mittlerweile ihre Gartenhandschuhe ausgezogen und hält de Maizières Geschenke, einen Einkaufschip und den Flyer, in der Hand. Ungläubig starrt sie immer noch auf die Gruppe in den orangefarbenen T-Shirts, die sich vor ihrem Gartentor aufgebaut hat. Hier kommt der Minister offenbar nicht an:

    "Sie müssen es nicht nehmen."
    "Ja, Danke."
    "Alles Gute. Tschüß!"

    Ein paar Meter weiter – Rast in der Elbklause in Nieder-Lommatzsch. Während sich seine Mitradler stärken, nutzt er auch hier die Gelegenheit, um Wählerstimmen zu werben. Für ein paar Minuten nimmt er an einer Kaffeetafel Platz: eine ehemalige Grundschullehrerin feiert so ihre Pensionierung.

    "Sind sie traurig, dass sie aufhören müssen?"
    "Naja teils, teils."

    Die Atmosphäre ist vertraulich, die Damen kennen den Minister vom Meißener Literaturfest. Dort haben sie ihm mal bei einer Lesung gelauscht, und auch jetzt konnte er wieder bei ihnen punkten:

    "Sympathisch, volksnah, wie es im Wahlkampf sein muss."

    Auch hier ist Syrien kein Thema. Doch bei der Frage, ob von der Euro-Hawk-Affäre was hängenbleiben wird an de Maiziere, ist sich die Kaffeerunde nicht ganz so einig:

    "Politiker sollen keine Fehler machen."
    "Ja, aber er muss nur das ausbaden, was ihm andere eingebrockt haben."
    "Für mich ist es wichtiger, was im eigenen Land passiert. Und nicht so, ob die jetzt Drohnen kaufen oder dorthin schicken."

    Noch ein Stück Kuchen, einen Schluck Kaffee gibt es in der Elbklause, dann radelt die Wahlkampfmannschaft weiter. Die Gartenzäune von Merschwitz, Leckwitz und Grödel sind jetzt die nächsten Ziele.