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Krumme Geschäfte mit dem Sport

Es ist das Ende eines Strafprozesses. Aber es ist noch lange nicht das Ende des größten Schmiergeldskandals der Sportgeschichte. Der lässt die Entwicklung des Welt-Sportes in einem völlig neuen - allerdings trüben Licht dastehen. Vor dem Strafgericht des Kantons Zug wurden heute drei Manager des Sportrechte-Vermarkters ISL/ISMM verurteilt.

Von Jens Weinreich | 02.07.2008
    Die weit verzweigte ISL-Gruppe war einst die unangefochtene Nummer eins im weltweiten Sportmarketing. Der Konzern musste dennoch im Frühjahr 2001 Konkurs anmelden und hinterließ einen Milliardenschaden. Es war die zweitgrößte Pleite der Schweizer Wirtschaftsgeschichte - nach der Pleite der Fluggesellschaft Swissair.

    In Zug waren sechs ehemalige ISL-Manager angeklagt. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen unter anderem Betrug, Gläubigerschädigung, betrügerischen Konkurs, mehrfaches Erschleichen von Falschbeurkundungen und Veruntreuung vor - und forderte mehrjährige Haftstrafen. Dabei ging es nur um einen kleinen Teil aus der gigantischen Schadenssumme - um lediglich 100 Millionen Franken, die dem Fußball-Weltverband Fifa aus Verträgen vorenthalten worden sein sollen. Die Fifa verstrickte sich im Laufe der jahrelangen Ermittlungen und des Prozesses in immer mehr Widersprüche.

    Das Strafgericht sprach nun drei der sechs Manager frei. Zwei wurden wegen Falschbeurkundung zu Geldstrafen verurteilt. Der ehemalige ISL-Chef Jean-Marie Weber, der Hauptangeklagte, wurde wegen Veruntreuung zur Zahlung von 84.000 Franken verurteilt. Der Fifa wurde ein Teil der Untersuchungskosten auferlegt. Die Anwälte der drei Beschuldigten legten Berufung ein.

    Soweit klingt der Prozess nach einer ganz normalen Wirtschaftsstrafsache. Der Fall ISL ist aber mehr, denn ein Nebeneffekt dieses Prozesses war, dass ein gigantisches Schmiergeldsystem offen gelegt wurde: Detailliert wird in den Prozessunterlagen das Korruptionssystem beschrieben, mit dem die ISL zwanzig Jahre lang den Weltsport dominiert hat. Es ist der größte Korruptionsfall der Sportgeschichte. Es geht um Bestechungsgelder in Höhe von 156 Millionen Franken. Schmiergeldzahlungen standen damals in der Schweiz nicht unter Strafe. Die ISL-Manager sind also dafür nicht zu belangen. Aufklärungsbedarf besteht jetzt allerdings bei jenen Weltverbänden, die mit der ISL Geschäfte gemacht haben.

    Zwischen 1989 und 2001 wurden 138 Millionen Franken Schmiergeld an hohe Sportfunktionäre gezahlt. 18 weitere Millionen waren bereits auf Konten von Schwarzgeldstiftungen transferiert, mussten aber - unmittelbar vor dem Konkurs - wegen der akuten Finanzlage der ISL-Gruppe zurück überwiesen werden. Der ehemalige ISL-Finanzchef Hans-Jürg Schmid sagte vor Gericht:

    "Das ist, als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden. Alle diese Zahlungen waren notwendig, um überhaupt Verträge zu bekommen und dass die sich dran halten."

    Mit "die" meint Schmid die Sportfunktionäre. Und der einstige ISMM-Chef Christoph Malms erklärte zu seiner Verteidigung:

    "Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts. Ohne das geht es nicht."

    Eigentlich müsste die Sportgeschichte neu geschrieben werden. Denn der Prozess in Zug hat dokumentiert, dass im olympischen Weltsport kein wichtiger Fernsehvertrag, kein Sponsorenprogramm, kein Marketingdeal möglich war, ohne Bestechungsgeld an Sportfunktionäre zu zahlen. In der Anklageschrift wird diese Praxis auf Dutzenden Seiten erläutert und mit Aussagen aus den Vernehmungsprotokollen belegt. Während der Hauptverhandlung hat keiner der ehemaligen ISL-Manager widersprochen. Nur im Interview wollte sich niemand äußern: Kein Angeklagter, kein Verteidiger, kein Untersuchungsrichter, nicht der Staatsanwalt - und schon gar nicht die Richterin.

    Der englische Journalist Andrew Jennings beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit dem sportpolitischen ISL-Komplex. Er hat 1992 sein erstes Buch dazu geschrieben und zahlreiche andere Skandale im Weltsport enthüllt.

    "Die ISL hat Fifa-Funktionäre Bestechungsgeld wie Lohn gezahlt. Das hat einer der Angeklagten im Prozess sogar bestätigt: Sie haben Schmiergeld bekommen wie andere Menschen Gehalt. Das wurde nicht im Verborgenen gemacht, da mussten nicht auf Parkplätzen Briefumschläge mit US-Dollars übergeben werden. Nein, alle sechs Monate gab es für Fußballfunktionäre Geld von Schwarzkonten in Steuerparadiesen."

    Peter Danckert, Vorsitzender des Bundestags-Sportausschusses, hat sich inzwischen mit dem Sachverhalt vertraut gemacht - und ist erschrocken.

    "Diese Dimensionen waren vor der Aufklärung, vor der Verhandlung in der Schweiz eigentlich kaum vorstellbar. Man hat hier und da geahnt, dass es mit unlauteren Mitteln zugehen würde. Aber dass es diese enormen Dimensionen haben würde, das ist, glaube ich, ein neuer Fakt und zeigt eigentlich, dass die Selbstheilungskräfte dort nicht funktionieren, dass offensichtlich auch keine große Bereitschaft besteht, das lückenlos aufzuklären. Dass keine Bereitschaft besteht, Gelder, die auf strafrechtlich relevante Weise - ob verjährt oder nicht verjährt , lasse ich mal offen - zurückgefordert werden müssten, dass das niemanden interessiert."

    Die ISL (International Sports & Leisure) wurde 1982 vom damaligen Adidas-Chef Horst Dassler gegründet. IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch, den Dassler inthronisiert hatte, bedachte die ISL schnell mit einem ersten Großauftrag: Dem neuen Sponsorenprogramm des Internationalen Olympischen Komitees. Dassler war ein Visionär, der Erfinder des modernen Sportmarketings. Ob Olympische Spiele, Fußball-Welt- und Europameisterschaften oder Champions League - im Kern werden diese Ereignisse nach jenem Modus vermarktet, den der Deutsche Wirtschaftsmann Dassler kreiert hat: wenige Sponsoren erhalten umfassende Exklusivrechte. Fernsehrechte werden zentral gemakelt.

    Das Problem aber war: Wie gewann man Planungssicherheit? Wie kam man also an die Verträge?

    Dassler hatte Ende der sechziger Jahre damit begonnen, eine so genannte sportpolitische Abteilung aufzubauen. Über diese Abteilung, in der auch der spätere ISL-Chef Jean-Marie Weber arbeitete, wurden wichtige Funktionen im Weltsport besetzt. Dieser sportpolitische Geheimdienst hat nicht nur Personalien geklärt, sondern auch die Vergabe von Großereignissen wie Olympischen Spielen und den wichtigsten Weltmeisterschaften in olympischen Sportarten geregelt. Dieses dubiose Netzwerk war der Schlüssel für die Geschäfte der ISL. Viele der ehemaligen Mitarbeiter Dasslers und Funktionäre, die er in wichtige Positionen gebracht hat, sind bis heute aktiv.
    Einer von Dasslers engsten Vertrauten war Fifa-Präsident Joseph Blatter. Dassler hat Blatter zur Fifa geholt. In den ersten Jahren wurde Blatters Gehalt sogar von Adidas bezahlt. Blatter und Dassler wurden Freunde, was auch diese Episode verdeutlicht: Blatter hat am 10. März Geburtstag, Dassler hatte am 12. März Geburtstag - sie feierten immer gemeinsam am 11. März.
    Dassler verstarb 1987 an Augenkrebs. Die geheimen Geschäfte der ISL-Gruppe übernahm Jean-Marie Weber.

    "Eine der interessantesten Personen in der ISL war Jean-Marie Weber. Er war Dasslers Assistent. Er war der Mann mit dem Geldkoffer. Er wusste also, wen Dassler bestochen hat. Ohne Bestechung ging das nicht, Dassler musste im Geschäft bleiben. Nach Dasslers Tod übernahm Weber den Job. In der Szene war das allen klar: Wer sich als Journalist wirklich für diese Vorgänge interessierte, der konnte es auch erfahren. Nur durfte man es nicht so ohne weiteres veröffentlichen. Doch nach vielen Jahren haben wir nun im Gerichtssaal in Zug die Wahrheit gehört: Jean-Marie Weber hat das Schmiergeld verteilt."

    Zu den Partnern der ISL-Holding zählten neben dem IOC die Weltverbände in Fußball, Basketball, Leichtathletik, Schwimmen; die Europäische Fußball-Union (UEFA), Asiens Olympia-Dachverband, die Tennis-Organisation ATP und viele mehr. Das Portfolio umfasste Verträge im Wert von rund 7 Milliarden Franken - weit mehr als 4 Milliarden Euro. Die Gruppe hatte gemeinsam mit Leo Kirch unter dubiosen Umständen auch die Fernsehrechte an den Fußball-Weltmeisterschaften 2002 in Japan und Südkorea und 2006 in Deutschland für 2,8 Milliarden Franken akquiriert.
    Über diesen Vertrag wurde viele Jahre lang gestritten: 1996 hatte der Fifa-Generalsekretär Joseph Blatter, der zwei Jahre später Präsident wurde, Mitbewerber hingehalten. Es gab kein sauberes, offenes Bieterverfahren. Zu den ausgebooteten ISL-Konkurrenten zählten die Firma IMG (Englisch aussprechen!) und die Europäische Vereinigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkstationen (EBU). Der IMG-Manager Eric Drossart beschwerte sich in einem vertraulichen Brief bei Joseph Blatter:

    "Es fällt sehr schwer, zu einem anderen Schluss zu kommen als dem, dass hier zwei Sorten von Regeln angewendet werden. Eine für die ISL, und eine für alle anderen."

    So lief das rund 20 Jahre lang. Die ISL-Manager machten Geschäfte mit den wichtigsten Funktionären des Weltsports. Diese Geschäfte beruhten auf persönlichen Beziehungen - und Schmiergeldzahlungen. Die ISL hatte ein perfektes Bestechungssystem aufgebaut, mit Schwarzkonten und Stiftungen wie der "Sunbow SA" auf den britischen Jungferninseln und der "Nunca" in Liechtenstein. Über diese beiden Stiftungen wurden in den letzten Jahren Millionensummen geschleust. In der Regel hoben Treuhänder das Gelb bar ab, brachten es über die Grenze und übergaben es an Weber. Der hat es an die Endempfänger weiter geleitet. Mitunter trug er fünf Millionen im Geldkoffer.
    Darin besteht das Wesen der Korruption: Geber und Nehmer schließen keine Verträge ab, sie schreiben keine Rechnungen. Sie profitieren beide von ihrem Geschäft, wenn sie sich einig sind und schweigen, ist Aufklärung beinahe unmöglich. Anders als bei allen anderen Arten des Verbrechens gibt es bei der Korruption keine direkt Geschädigten, keine Opfer. Das erschwert die Aufklärung. Kriminologen sagen, 95 bis 98 Prozent aller Korruptionsfälle bleiben unentdeckt. Und nur ein Bruchteil der wenigen öffentlich gewordenen Fälle wird strafrechtlich gewürdigt.

    "Fünf seiner Kollegen haben im Prozess bestätigt, dass das Schmiergeld von Weber verteilt wurde. Sie sagten, er habe ihnen nie Namen gesagt. Nur er wisse, wer mit welchen Summen bestochen wurde. Also fragte ihn der Richter, und Weber antwortete: 'Es ist eine Frage der Ehre - ich kann es nicht sagen. ‘ Das ist eine sehr seltsame Ehre, dass er diese widerlichen Schmiergeldempfänger schützt, die den Weltfußball beherrschen. Ich bin mir relativ sicher, was dahinter steckt: Jean-Marie Weber schweigt, weil er Geld dafür bekommt, dass er weder in den Vernehmungen noch vor Gericht ausgepackt hat."

    Einer der drei Richter sagte in der Verhandlung, das Korruptionssystem habe " etwas Verschwörerisches an sich". Im internen Sprachgebrauch der ISL hieß es natürlich nicht "Schmiergeld", sondern: "Rechteerwerbskosten", "Kommissionen", "Honorare" oder "Provisionen". So ähnlich kennt man das zum Beispiel auch vom Siemens-Schmiergeldsystem.
    Man kennt die große Zahlen: 138 Millionen. Aber nur wenige Dutzend Einzelfälle sind dokumentiert: Die ISL hat beispielsweise das Fifa-Exekutivmitglied Nicolás Leoz (Paraguay) mit 211.000 Franken bestochen. Ein weiteres Fifa-Exekutivmitglied, Ricardo Teixeira aus Brasilien, erhielt über seine Firma "Renford Investment" rund 2,5 Millionen Franken. Diese Firma betrieb er gemeinsam mit dem langjährigen Fifa-Präsidenten Joao Havelange, dem Vorgänger von Josef Blatter - es blieb also alles in der Familie. Fünf Millionen hat Abdul Muttaleb aus Kuweit erhalten. "Wofür?", wollte der Richter wissen. Die Angeklagten schwiegen.
    Der Sport schweigt auch. Dazu Peter Danckert:

    "Die Sportverbände, die Fifa, das IOC müssten, auch im eigenen Interesse, auch im eigenen Interesse, um nicht in den Verdacht zu geraten, dass sie hier Mitwisser und vielleicht sogar Mittäter sind, für absolute Transparenz sorgen, aufklären, da wo noch Möglichkeiten bestehen, Gelder wieder einzuklagen, alles unternehmen und auch eine gewisse moralische gesellschaftliche Ächtung vornehmen. Die Beteiligten können nicht einfach sozusagen in den Kreis der integeren Persönlichkeiten wieder aufgenommen werden, ohne dass man sich da der Kumpanei verdächtigt macht."

    Jean-Marie Weber ist bis heute für zahlreiche Amtsträger aktiv. Lange Jahre war er persönlicher Berater des Fifa-Präsidenten Havelange. Derzeit arbeitet er für den afrikanischen Fußball-Boss Issa Hayatou und den Leichtathletik-Weltverband. Man trifft Weber bei jedem wichtigen Sport-Konvent - immer mit einer offiziellen Akkreditierung, ob in Peking, Athen, bei der Fußball-EM oder bei der letzten IOC-Session in Guatemala. Der Mann, der 138 Millionen Franken Schmiergeld gezahlt hat - und das ist nur die bekannt gewordene Summe - ist noch immer ein Teil der olympischen Familie.
    Auch zu Havelanges Nachfolger Joseph Blatter hat Weber beste Kontakte. Weber wurde im Rahmen der Strafermittlungen zeitweise sogar von Blatters persönlichem Anwalt vertreten. Dieser Anwalt hat mit dem ISL-Konkursverwalter einen Vergleich ausgehandelt, den Fachleute "Korruptionsverdunklungsvertrag" nennen.
    Worum geht es dabei? Der ISL-Konkursverwalter hatte zwei Dutzend Sportfunktionäre angeschrieben und Rückzahlung von Bestechungsgeld verlangt. Daraufhin wurden in Webers Namen 2,5 Millionen Franken auf das Konto des Konkursverwalters gezahlt, der sich im Gegenzug verpflichtete, die Funktionäre nicht weiter zu belästigen.
    Dieser merkwürdige Vorgang wird in einem weiteren Gerichts-Verfahren untersucht. Die Justiz will die Namen der Sportfunktionäre wissen - und auch, wer für die 2,5 Millionen aufgekommen ist. Denn Weber hat das Geld nicht selbst bezahlt. Die Sache ist höchst verworren und wurde schon vor dem Schweizer Bundesgericht verhandelt. In diesem zweiten Verfahren zur "ungetreuen Geschäftsbesorgung zum Nachteil der Fifa" wurde auch das Büro des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter durchsucht. Der Verdacht: Die Fifa hat für Weber gezahlt, um ihre korrupten Funktionäre zu schützen.
    Blatter hat sich in den vergangenen Jahren nur widerwillig zum Thema ISL geäußert. Obgleich die Fifa-Größen Havelange, Teixeira und Leoz - und viele andere - von der ISL Bestechungsgeld erhalten haben, scheint die Fifa nicht an Aufklärung interessiert. Der Fußball-Weltverband hat die Justiz sogar ersucht, die Ermittlungen einzustellen. Im juristischen Sprachgebrauch heißt das korrekt: Die Fifa hat offiziell ihr Desinteresse an weiteren Untersuchungen erklärt.

    "Offensichtlich ist der Kreis der Beteiligten so groß, dass der Satz gilt, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Oder: eine Krähe verlangt von der anderen kein Geld zurück. Das ist ein dubioses, mafiöses Geflecht. Wenn es sozusagen in einem Kriminalprozess nicht gelingt, die Konsequenzen zu ziehen, weil es zum Beispiel verjährt ist, dann ist die Politik gefordert, hier die Dinge öffentlich zu diskutieren und damit auch Druck auf die Verantwortlichen auszuüben."
    Das sagt der Chef des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert. Fifa-Präsident Blatter sieht das natürlich anders. Blatter, seit der WM 2006 Träger des Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik, muss sich seit Jahren gegen den Vorwurf der Bestechlichkeit wehren. In einer Fernsehdokumentation des NDR wurde er zum Beispiel gefragt, ob er ausschließen könne, Geld von der ISL erhalten zu haben.

    "Ich meine das ist schon eine gewisse Frechheit, wie sie die Frage hier stellen. Muss ich also sagen. Das ist schon eine Unterstellung. Und das ist so etwas, was ich in meinen Pressekonferenzen nicht annehme. Ich habe nie in meinem Leben von irgendjemandem Geld genommen als Geld von dem, für den ich gearbeitet habe. Ich möchte das für ein für alle Male festhalten. Das ist eine ganz klare Sache."
    Während der Verhandlung in Zug ist Blatter allerdings schwer belastet worden. Werner Würgler, ein renommierter Schweizer Strafverteidiger, legte dar, dass Blatter vom Schmiergeldsystem der ISL gewusst haben muss. Denn der Fifa-Präsident habe dem ehemaligen ISL-Manager Christoph Malms, der die Bestechungszahlungen einstellen wollte, gedroht: Wenn Weber nicht in seinen Positionen belassen würde, "sei es um die ISL schlecht bestellt". Ähnlich habe sich Blatters Vorgänger Havelange geäußert. Der Anwalt argumentierte, wegen dieser Drohungen sei es "der ISL-Gruppe wirtschaftlich nicht möglich gewesen, vom System der Provisionszahlungen abzurücken". Im Gegenteil, dadurch hätten diese Zahlungen den Status von "verbindlichen vertraglichen Abmachungen" erlangt.
    Würgler stellte die ISL-Gruppe als Hausagentur der Fifa dar, um Fußballfunktionäre mit Schmiergeld zu versorgen: "Sie haben Vorgänge zu verbergen, gegenüber Strafuntersuchungsbehörden und auch gegenüber der Öffentlichkeit", sagte er. Die Fifa wollte diese Darstellungen nicht kommentieren.
    Der Sport spielt auf Zeit, obgleich doch die Frage, welche Funktionäre diese 138 Millionen Franken kassiert haben, dringend aufgeklärt werden müsste. Auch das IOC hält sich zurück. Die Ethik-Kommission schweigt. IOC-Präsident Jacques Rogge hat vor einiger Zeit zwar gesagt, er verfolge die Entwicklungen in der ISL-Strafsache aufmerksam, mehr aber auch nicht. Maßnahmen hat er nicht ergriffen. Dabei geht es um den größten Schmiergeldskandal der Sportgeschichte, rund ein Drittel aller olympischen Weltverbände kann betroffen sein.

    "Wenn das alles feststeht, dann ist - glaube ich - die internationale Sportwelt aber in dem besonderen Fall auch die internationale Sportpolitik gefordert, hier Aufklärung zu verlangen. Ich glaube, die Autorität von europäischen Sportministern könnte es möglich machen, wenn sie Interesse haben, diese Dinge so in der Öffentlichkeit zu diskutieren, dass es dann auch einen Druck, einen Zwang auf diejenigen gibt, die sich bisher extrem zurück halten."

    Danckert will seinen Teil dazu beitragen. Es braucht neue rechtliche Rahmenbedingungen: Denn Weltkonzerne wie das IOC oder die Fifa, die Milliarden umsetzen, genießen noch immer den rechtlichen Status von Vereinen und gemeinnützigen Organisationen. Sie gelten als nicht gewinnorientiert. Die Gesetzgebung lässt ihnen weitgehend freie Hand. Sie kassieren Steuervergünstigungen, genießen Sonderregeln und müssen sich nicht an Transparenzkriterien messen lassen. Diese Grauzone zwischen Sport, Wirtschaft und Politik ist ein perfekt arrangierter Mikrokosmos, der weder von den Anti-Korruptions-Konventionen der Vereinten Nationen, noch der Europäischen Union oder der OECD tangiert wird.
    Der internationale Sportbetrieb ganz allgemein, die Schweiz im Besonderen, bieten traumhafte Rahmenbedingungen für Korruption, mithin für das perfekte Verbrechen: Geber und Nehmer müssen sich nur einig sein. Und Schweigen bis in alle Ewigkeit.

    Man kann es auch so formulieren wie Richter Marc Siegwart, der bei der Urteilsverkündung in Zug sagte:

    "Im Rechtsstaat gibt es keine Moraljustiz."