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Kükentöten beenden
Auch der Handel will baldige Lösungen

Von Discounter-Seite verstärkt sich der Druck auf die Geflügelbranche: Aldi engagiert sich mit einer Werbekampagne gegen Kükentöten, Penny hat bereits "saubere" Eier im Sortiment. Während unter Hochdruck an technischen Lösungen gearbeitet wird, setzt die Biowirtschaft auf sogenannte Zweinutzungshühner.

Von Annette Eversberg | 12.06.2020
Ein männliches Küken in der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig: Veterinärmediziner der Universität Leipzig forschen intensiv an einer Alternative zur massenhaften Tötung männlicher Küken
Das Kükentöten muss beendet werden, das stellte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vor einem Jahr klar (dpa-Zentralbild / Peter Endig)
Am 13. Juni jährt sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig zum Töten männlicher Eintagsküken.
Männliche Küken, die sich nicht zur Mast eignen, sind ein Ergebnis jahrelanger Züchtung. Es geht in erster Linie um die Hennen, die möglichst viele Eier legen sollen. Die männlichen Küken sind da unerwünscht. Sie werden getötet, beklagt Katrin Wenz vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND:
"Es ist noch immer erlaubt. Leider wird es noch immer durchgeführt und genehmigt. Weil das Gericht der Ansicht war, dass die Wirtschaft noch nicht soweit ist und noch mehr Zeit braucht."
ZDG-Präsident Ripke: "Wir haben zwei Verfahren zur Wahl"
Die alternativen Verfahren, die das Töten von männlichen Küken verhindern könnten, seien noch nicht praxisreif, sagte des Präsident der Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke.
Technische Lösungen zur Geschlechtsbestimmung schon im Ei
Dennoch stehen Politik, Geflügelwirtschaft und Handel seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig unter Druck, eine Alternative für das Töten von 45 Millionen männlicher Küken jährlich zu finden. Auch im Koalitionsvertrag ist die Beendigung des Kükentötens als Zielvorgabe enthalten. Dabei sind verschiedene Verfahren im Gespräch. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft setzt da auch auf zwei technische Lösungen und fördert diese mit insgesamt fünf Millionen Euro. Schon im Ei soll das Geschlecht – so ein Werbefilm des BMEL – zuverlässig bestimmt werden können. Beim Spektroskopischen Verfahren werden Eier am dritten Tag nach dem Anbrüten mit Hilfe eines Laserstrahls vorsichtig geöffnet.
"Das Innere der Eier bleibt dabei unbeschädigt. Als nächstes wird mit einem Spektroskop ein spezieller Lichtstrahl in die geöffneten Eier geschickt. Völlig berührungsfrei kann so innerhalb weniger Sekunden durch die unterschiedlichen Frequenzen des zurückgeworfenen Lichts das Geschlecht bestimmt werden."
Zur Praxisreife hat es bereits das endokrinologische Verfahren der Firma SELEGGT gebracht, das ursprünglich an der Universität Leipzig entwickelt wurde. Endrokrinologisch deshalb, weil die Entscheidung ob Huhn oder Henne mit Hilfe einer Hormonbestimmung getroffen wird. Geschäftsführer Dr. Ludger Breloh.
"Wir können heute am achten bis neunten Bruttag nachweisen, ob in einem Brutei sich Östronsulfat befindet oder nicht. Wenn wir ermittelt haben, in dem Brutei befindet sich Östronsulfat, dann wissen wir, es ist ein weibliches Ei. Diese Eier werden dann weiter gebrütet, bis sie als rein weibliche Küken dann schlüpfen. Die männlichen Bruteier werden eben aussortiert. Und aus denen wird ein hochwertvolles und wirksames Futtermittel produziert."
Discounter üben Druck auf Geflügelbranche aus
Von Discounter-Seite wird derzeit Druck auf die Geflügelwirtschaft aufgebaut. In einer aktuellen großangelegten Werbekampagne verspricht Aldi, das Kükentöten bis Ende 2022 ganz zu beenden.
Die Rewe-Gruppe bietet schon seit 2019 in nunmehr 5.500 Rewe- und Penny-Märkten unter dem Label" respeggt" Eier an, bei denen das Kükentöten durch Geschlechtsbestimmung nach dem SELEGGT-Verfahren vermieden wurde. Friedrich-Otto Ripke vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft geht das alles noch zu schnell. Und beim endokrinologischen Verfahren der Geschlechtsbestimmung hat er Bedenken hinsichtlich der Kosten.
"Wir wissen bisher von dem Verfahrensanbieter, dass es um zwei Cent pro Ei liegen könnte. Und im Handel erlösen die Geflügelhalter dafür sieben bis neun Cent im Schnitt. Wenn zwei Cent davon für das Geschlechtsbestimmungsverfahren gebraucht werden, ist das ein recht hoher Anteil. Da werden nicht alle gleich Hurra schreien und dabei mitmachen. Wir müssen auch mit dem Lebensmitteleinzelhandel darüber reden, ob wir von da eine Kostenbeteiligung erwarten dürfen."
Bioverbände fordern Zucht von Zweinutzungshühnern
Die technischen Lösungen – so die Bioverbände Bioland, Demeter oder Biokreis – aber auch die Aufzucht von männlichen Küken als Bruderhähne haben einen entscheidenden Mangel. Sie fördern weiterhin die Zucht von Hochleistungsrassen bei den Legehennen. Deshalb plädieren Josef Brunnbauer vom Biokreis und Katrin Wenz vom BUND vor allem für das Zweinutzungshuhn als langfristige Alternative zum Töten männlicher Küken. Selbst wenn auch durch das Zweinutzungshuhn die Eier teurer werden.
"Sie haben ja nicht diese Hochleistungshennen, die sehr viele Eier legen, aber wir haben auch Hähne, die sehr viel Fleisch ansetzen, die eben auch für den Fleischkonsum gebraucht werden. Bei den Bruderhahninitiativen, da werden die Hähne auch nicht getötet. Sie werden großgezogen. Sie setzen aber sehr wenig Fleisch an. Aus Tierschutz-Sicht macht es Sinn, aber aus ökologischer Sicht ist das Zweinutzungshuhn sehr viel besser."