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Bewegung beziehungsweise bewegte Bilder – das verspricht das Medien-Kunstfestival Werkleitz in Halle namens "move - new european media art". An acht Orten in und um sie Saale-Stadt werden Werke von 21 Medienkünstlern aus ganz Europa gezeigt.

Von Carsten Probst | 09.10.2009
    Die unscheinbare Kaufhausruine steht mitten in der Hallenser Altstadt. Hinter ihrer äußeren Kunststoffverkleidung und dem provisorischen Eingang befindet sich ein beeindruckend hoher, vierstöckiger Lichthof. Viel mehr ist vom einstigen Intecta-Einrichtungshaus aus DDR-Zeiten allerdings nicht geblieben. Die Etagen liegen voller Schutt, Wände sind herausgebrochen, Putz und Farbe von den Decken gefallen. Es ist einer dieser Orte, die noch nach Wendezeit riechen, irgendwie nach Altlasten. Aber hier gibt es keinen Asbest, versichert Peter Zorn, der Initiator des Werkleitz-Festivals. Mit dem vorübergehenden Einzug in die Ruine des Jugendstilbaus vom Anfang des 20. Jahrhunderts unternimmt das Festival eine Art Flucht nach vorn. Denn zwar wird es seit Jahren, ebenso wie sein Vorgänger, die Werkleitz-Biennale, in Europa für seine Medienkunstprogramme mit Auszeichnungen überhäuft, nur den Hallensern selbst ist das ziemlich egal. Auch die regionalen Kulturpolitiker fingern immer nervöser am ohnehin schon fast zugedrehten Geldhahn.

    Diesmal hatten die Organisatoren Glück, denn für 2009 gab die Europäische Kommission einen Großteil des Etats hinzu. Neben der Intecta-Ruine hat man daraufhin ein ganzes Netz von Ausstellungsorten in der Stadt aktiviert, Galerien, Läden, Hochschulen, Museen. Der Festivaltitel "move" soll nicht nur auf bewegte Bilder, sondern auch auf die Bewegung des Publikums verweisen, das von künstlerischen Audioguides von Station zu Station durch die Stadt geleitet wird.

    In der Turnhalle des Hallenser Volksparks soll beispielsweise der kanadische Medienkünstler Don Ritter mit seiner ironischen, interaktiven Installation für einen Blickfang sorgen. Er hat einen riesigen, mehrteiligen Projektionsraum aufgebaut, den der Besucher mit einer Weste betreten soll, die nicht ganz zufällig Ähnlichkeiten mit dem Sprengstoffgürtel eines Selbstmordattentäters aufweist. Tatsächlich ist die Weste vollgestopft mit elektronischen Bewegungsmeldern. Wandert man mit ihr an den Projektionsflächen entlang, beginnen sich digitale Fantasiepanoramen mitzubewegen, die Regierungspaläste, berühmte Museen oder Stadtimpressionen zeigen und plötzlich vor den Augen des Besuchers in die Luft fliegen.

    Ritters inszenierte Katastrophen sind damit eine ziemlich burleske Form der Institutionenkritik, die bei Werkleitz schon immer eine Rolle gespielt hat. Immer wieder verweist das aktuelle Festivalprogramm auch auf die radikalen Utopien der Moderne, etwa auch beim Beitrag des Deutschen Thomas Köner, der in seiner Performance Marinettis Erstes Futuristisches Manifest von 1909 thematisiert, das ja ebenfalls nichts anderes forderte als die Zerstörung der alten Macht- und Kulturinstitutionen, das dabei die Ästhetik der Geschwindigkeit und des Krieges pries und nach Ansicht des Künstlers damit noch weit hinter der Realität heutiger digital gesteuerter Kriege zurückblieb.

    In der Intecta-Ruine ist dagegen am ehesten der Charme des Improvisierten zu erleben, den sich dieses Festivals jenseits aller Zwänge zur Professionalisierung bewahrt hat. Anders als seine berühmteren Pendants, die ars electronica in Linz oder die Berliner transmediale, hat sich das Werkleitz-Festival den Werkstattcharakter bewahrt und verzichtet auf Starkult und Technohochglanz. Sämtliche Arbeiten, auch die im Intecta-Haus, entstammen allesamt einem internationalen Stipendienprogramm EMARE, das das Werkleitz-Festival vor Jahren mit anderen europäischen Medienkunststandorten ins Leben gerufen hat.

    Nicht alle Arbeiten sind so zeitig zu Festivalbeginn fertig geworden wie die Performanceinstallation von Karen Mirza und Brad Butler aus England, nicht alle erschließen sich gleich so spielerisch und poetisch und nicht alle beziehen sich so explizit auf den Ausstellungsort. "The Museum of Participation", so der Titel, wandert von Land zu Land und recherchiert dort die jeweilige Geschichte des Ausstellungsortes und präsentiert sie in Bildsequenzen und experimentellen Texten. Zuvor waren die beiden im pakistanischen Karachi. Aber die Geschichte des Hallenser Intecta-Hauses, das zwei Weltkriege und fünf politische Systeme überstanden hat, sei aber noch viel interessanter, beteuern die beiden Künstler. Vielleicht sehen das diesmal ja auch die Hallenser so.

    Info:
    "move - new european media art"