Donnerstag, 28. März 2024

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Künstler Tim Bengel im Porträt
Mit Sandkunst nach New York

Tim Bengel aus dem Großraum Stuttgart sagt von sich selbst, er sei Künstler geworden, weil kein anderer Beruf zu ihm passe. Erst hat er seine Bilder aus Sand und Goldstaub im Internet beworben, inzwischen darf er sogar renommierte Galerien bespielen.

Von Helga Spannhake | 03.08.2017
    Sandmalerei - Kitsch oder Kunst? Tim Bengel in seinem Esslinger Atelier
    Sandmalerei - Kitsch oder Kunst? Tim Bengel in seinem Esslinger Atelier (picture-alliance / dpa / Christoph Schmidt)
    "Hallo. Mein Name ist Tim Bengel. Ich bin Künstler, arbeite in Esslingen. Und ich bin deswegen Künstler, weil ich keinen anderen Job gefunden habe, der zu mir passt, ehrlich gesagt."
    Und er hat einiges ausprobiert - Lehre, Studium, aber: "Ich denke in der Kunst da kann man einfach frei sein. Es gibt da kein falsch und kein richtig und keinen optimalen Werdegang."
    Bereits während der Schulzeit gewann er seinen ersten Kunstwettbewerb: Damals klebte er Centstücke auf eine Europakarte – bei verschuldeten Staaten stand der Cent Kopf – nannte sein Bild "Geld regiert die Welt" und überzeugte zu seiner eigenen Überraschung die Jury.
    Nachahmen - das kommt für Tim Bengel nicht in Frage. Da hält er es mit Künstler Jeff Koons, der sagte, es gäbe zwar schon alles auf der Welt, aber man könne Dinge neu kombinieren.
    Tim Bengel betritt den Raum, richtet seine Leinwand auf. Bisher auf ihr zu sehen: Nur eine Schicht schwarzer und weißer Sand – aber dann: Der überschüssige Sand rauscht hinab, deutlich zu erkennen: die Petronas Twin Towers in Malaysia – hergestellt lediglich aus geklebten Sandkörnern sowie einer filigranen Goldschicht.
    Dream big - Ein Leitspruch des Selfmade-Künstlers Tim Bengel
    Dream big - Ein Leitspruch des Selfmade-Künstlers Tim Bengel (Spannhake / Deutschlandfunk)
    Tim Bengel: "Eines Abends bin ich nachts aufgewacht und hab gedacht, warum klebst du nicht mal Sand. Hab mir das zum Glück aufgeschrieben. Am nächsten Tag bin ich aufgewacht. Ich wusste gar nichts mehr. Hab dann nur noch Sand auf meinen Zettel neben meinem Bett gelesen, hab gedacht, ah, da war doch irgendwas und dann habe ich einfach eine Leinwand mit Klebstoff bestrichen und einfach mal angefangen, so einen Schnappschuss aus dem Urlaub von meinem Papa, der schreit da in die Kamera, versucht nachzukleben. Also mit schwarzem Sand die Konturen und dann die Lücken mit weißem Sand zu füllen."
    Das war 2014 und der Startschuss seiner Künstlerkarriere, denn Tim Bengel lud sein Werk auf Facebook hoch: Gleich darauf gab es erste Anfragen.
    Inzwischen liegen seine Preise im fünfstelligen Bereich
    Tim Bengel: "Und natürlich am Anfang hat es mich gefreut, wenn jemand zu mir gekommen ist, hey Tim: Hier hast du 100 Euro, mach mal ein Bild für mich."
    Inzwischen liegen die Zeiten der reinen kleinen Auftragswerke hinter Tim Bengel: Und die Preise für seine Sandcollagen bewegen sich inzwischen im fünfstelligen Bereich.
    Brauchte er anfangs zwei Monate zur Herstellung eines Sandgemäldes, sind es inzwischen zwei bis drei Wochen. Rückschläge gab es zu Beginn natürlich auch, denn die Haltbarkeit war ein Problem:
    "Ich hab dann auch leider meine kompletten Arbeiten aus dem ersten halben Jahr kaputt gemacht, weil ich da eine Schicht so Epoxidharz drübergezogen hab. Und nach zwei Tagen hat es angefangen sich zu vergilben und dann waren alle kaputt."
    Farben verwendet Tim Bengel nicht so gern – seine Werke sollen zeitlos sein. Viele seiner Werke zeigen Gebäude, denn die Architektur fasziniert ihn.
    Collagen aus Fotovorlagen - darf der das?
    Inzwischen nutzt er eigene Fotos als Vorlagen für seine Sandgemälde. Seine ersten Bilder aber entstanden aus frei zugänglichen Fotovorlagen aus dem Internet:
    Tim Bengel: "Ich hab mir auch nie so Gedanken gemacht, wieso sollte ich das nicht dürfen, weil: Ich erschaff erstens ein neues Werk daraus. Und wer sich ein bisschen auskennt, der Gerhard Richter zum Beispiel, der nimmt Fotos aus Zeitungen und malt die ab, oder malt sogar drüber, also einfach als Grundlage. Oder der Andy Warhol nimmt auch ein Foto von Jackie Kennedy und druckt es. Der macht nicht mal was. Der druckt es einfach per Siebdruck auf eine Leinwand, ein Foto von jemand anders aus der Zeitung und das ist ein Kunstwerk. Und jetzt bei mir regen sich manche Leute darüber auf, dass ich das auch so mach."
    Auch wenn er die Kritik nicht immer für gerechtfertigt hält, kann er ihr doch etwas abgewinnen.
    "Die Leute beginnen so miteinander zu diskutieren: darf der das, darf der das nicht. Ich find das gut, wenn meine Kunst dazu beiträgt, die Leute zum Diskutieren anzuregen."
    Bis zu seiner New Yorker Ausstellung im Herbst müssen 18 Bilder fertig sein - 12 Stunden arbeitet er dafür täglich in seinem Esslinger Atelier. Erste Nachahmer seiner Kunst gibt es bereits: Für Tim Bengel, der seine Technik nicht verrät, nur der Beweis, dass er eine gute Idee hatte.