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Künstlerduo "honey & bunny"
Alltagskultur als Performance

Die Architekten Sonja Stummerer and Martin Hablesreiter inszenieren unter dem Namen "honey & bunny" interaktive Performances. Sie beschäftigen sich dabei viel mit Alltagskultur: So hinterfragten sie bereits Wahrnehmung und Rituale des Essens, zuletzt stand das Putzen auf ihrer Agenda. Dabei reflektieren sie auch die Grenzen der Nachhaltigkeit.

Von Paul Lohberger | 14.10.2016
    Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter von "honey & bunny" performen ihr Projekt "Vertreibung aus dem Paradis".
    Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter von "honey & bunny" performen ihr Projekt "Vertreibung aus dem Paradis". (honey & bunny / Daisuke Akita)
    Die Performance "eat POLITICS art" inszenierte im Juni 2016 ein Bankett als Forum einer Diskussion. Ein Video davon findet sich im Internet und repräsentiert den letzten Stand der Arbeitsweise von honey & bunny. Der eine, Martin Hablesreiter, moderiert als Clown, auch seine Partnerin Sonja Stummerer ist kostümiert und "bedient" die Gäste.
    "Zum Bespiel haben wir gehabt, dass die Leute mit Plastiklöffeln Gummibären gefüttert bekommen, oder dass es Salatmarinade in gewissen Sprayflaschen gibt. Es gibt Wasser nur in Kübeln, die man selber zum Tisch tragen, und aus denen man das Wasser herausschöpfen muss."
    Alle sind Teil der Performance. Das Thema liegt tatsächlich auf dem Tisch, der hier aus Supermarktregalen besteht. Die Teilnehmer haben schöne Gedecke und rohes Gemüse vor sich liegen, darunter: Erde! In einer anderen Variante derselben Performance wurde das Konzept Bio sehr wörtlich genommen, und die Leute sollten vom Erdboden essen.
    "Man könnte ja auch ganz anders essen, und es würde sich an der Nahrungsaufnahme nichts ändern, und daraus schließen wir, dass es gestaltbar ist."
    Grundlagen des modernen Lebens hinterfragen
    Martin Hablesreiter und Sonja Stummerer waren Architekten, bevor sie als honey & bunny die Grundlagen des modernen Lebens zu hinterfragen begannen - die Beschäftigung mit Nahrungsmitteln begann mit der Ausstellung "Food Design". Hier ging es noch um Design im klassischen Sinn: Wie werden Lebensmittel zum Produkt? Mittlerweile behandeln honey & bunny Design auf einer höheren Ebene: Nicht nur das Essen am Teller ist gestaltet, auch der Akt der Nahrungsaufnahme ist eine vielschichtige Inszenierung, sozial wie kulturell.
    "Über das Essen und über die Rituale beim Essen wird wahnsinnig viel Hierarchie ausgedrückt," erläutert Martin Hablesreiter
    "Wir haben da eine Geschichte dazu, die uns ein Kellner erzählt hat, dass in einem großen Wiener Hotel ein Bankdirektor zu gewissen Anlässen das mittlere Management und ein paar Betriebsräte zum Essen eingeladen hat, und er hat bestellt, dass das Essen im Spanischen Hofzeremoniell serviert wird - und das sieht vor, dass der Gastgeber, der Kaiser zuerst zu essen bekommt und gleich beginnt, er wartet nicht, und sobald er den Löffel hinlegt, müssen alle anderen auch aufhören, an dieser Speise zu essen."
    Bevor die Betriebsräte zum Essen kamen, war der Bankdirektor leider schon fertig.
    Viele Bereiche der Alltagskultur sind von gesellschaftspolitischer Brisanz
    Unter dem Titel "eat design" haben honey & bunny einen Fotoband gestaltet, der zum Nachdenken über die Inszenierungen anregt. Doch auch andere Notwendigkeiten des Alltags können in einer Performance reflektiert werden.
    Im Frühjahr zog Sonja Stummerer mit zwei Herren im Smoking durch eine Kleinstadt und läutete an fremden Türen. Das Angebot: Die Herren putzen, während Stummerer die Hausfrau zum Thema Putzen interviewt.
    "Das Putzen ist ja gesellschaftspolitisch brisant, weil es viele Bereiche betrifft: Die Rollen von Mann und Frau, die Aufteilung der unbezahlten Arbeit - auch das Thema Hierarchie, die Oberschicht lässt die Unterschicht putzen, aber auch Umweltschutz, weil meist Mittel verwendet werden, die umweltschädlich sind."
    honey & bunny liefern Impulse zum Umdenken
    Vieles wird fragwürdig, bringt man die Faktoren Ökologie und Nachhaltigkeit ins Spiel: Offenbar lassen sich auch Bioprodukte kaum ohne Verpackung vermarkten. Ist unser Leben am Ende gar zu kultiviert?! So moralisch wollen honey & bunny nicht verstanden werden, sie sehen ihre Arbeit als Impulse zum Umdenken und Finden neuer Ansätze. Ihre Reflexion zielt auf Wertschätzung und Bewusstsein.
    "Ist der Wert des Fleisches festgeschrieben, der Wert des Gemüses? Ist es festgeschrieben, dass wir eine Strecke mit dem Auto fahren müssen und nicht mit dem Fahrrad? Das sind kulturelle Werte, und an diesen Werten müssen wir arbeiten."