Dienstag, 19. März 2024

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Künstlerin Kris Lemsalu
"Das normale Leben langweilt mich!"

Eine bunte Fantasiewelt aus Musik, Porzellan und Liebe, die als Alternative zu der Welt funktioniert, in der wir leben. Das wollen die Künstlerin Kris Lemsalu und ihr Mann Kyp Malone in ihrer Ausstellung „Love Song Sing-Along“ in den Berliner Kunstwerken schaffen.

Von Marie Kaiser | 28.02.2020
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Sally,-Go-Around-the-Roses von Kris Lemsalu (2018) (Mark Blower)
Es ist eine ganz eigene bunte Welt mit Regenbögen, riesigen Birkenstämmen, funkelnden Sternen, Hasen, und Jaguaren, die Kris Lemsalu und Kyp Malone in den Kunstwerken geschaffen haben. Ein riesiger Schwan mit schwarzem Zylinder begrüßt die Besucher. Es ist ein Tretboot in Schwanenform, das auf einer Welle aus blauer Bauplane schwimmt. "Love Song Sing-Along" ist eine Ausstellung, die wirkt, als wäre sie extra für Kinder gemacht - die Künstlerin Kris Lemsalu empfindet das nicht als Beleidigung, sondern als Kompliment.
"Nein, das finde ich toll! Kinder haben einen frischen Geist und sie sind die besten und ehrlichsten Kritiker! Eltern erzählen mir oft, dass ihre Kinder viel Spaß in meiner Ausstellung hatten und gar nicht mehr gehen wollten. Sie wollen alles anfassen und manchmal geht dann auch etwas zu Bruch, so verdiene ich mein Geld - von den Versicherungen, die dann zahlen müssen, wenn Kinder meine Arbeiten kaputt machen!"
Zerbrechliche Skulpturen
So scherzt Kris Lemsalu. Ihre Skulpturen sind in der Tat sehr zerbrechlich; aus Porzellan und von der Künstlerin handbemalt. Im Schwanen-Tretboot sitzen zwei menschengroße Tierskulpturen nebeneinander: ein gelber Gepard, der die Zunge herausstreckt und ein blauer Hase, ein fragiles Geschöpf, das auf der Reise nach Berlin schon einiges mitmachen musste.
"Das Ohr des Hasen ist abgebrochen. Wir haben es wieder angeschraubt - Porzellan ist einfach ein wunderbares Material, das endlose Möglichkeiten bietet. Es ist einfach mein Material, ich habe schon als Kind fünf oder sechs Jahre lang Töpferkurse gemacht. Ich brauche das einfach - mein Geist, meine Seele und meine Hände!"
Seit zwei Jahren arbeitet die Künstlerin Kris Lemsalu nun mit ihrem Mann Kyp Malone zusammen.
"Unsere Zusammenarbeit sieht nicht so aus wie im Film "Ghost" in dieser Töpferszene. Kyp steht nicht hinter mir und wir formen zusammen eine Arbeit. Ich mache, was ich immer gemacht habe und er auch. Wir wollen das Beste von dem, was wir können, zusammentun, aber wir arbeiten viel parallel."
Ferne Traumwelten
Kyp Malone ist Musiker und hat den Soundtrack zur Ausstellung gemacht und die farbenfrohen Aquarellbilder gemalt, die nun auf Stoffbahnen gedruckt reihum an den Wänden des Raums hängen. Im Zentrum aller Bilder steht ein Baum - außerdem tauchen immer wieder der Schwan, aber auch Jaguar und Gepard auf. Und eindeutig zu erkennen: Kris Lemsalu und Kyp Malone selbst - nackt wie Adam und Eva. Diese naiv wirkende Malerei erscheint wie aus einer fernen Traumwelt, doch die Bilder haben direkte Bezüge zum Leben des Künstlerpaars.
"Ich verarbeite darin die unterschiedlichen Phasen unserer Beziehung und spiele mit verschiedenen Mythen über die Entstehung der Welt. Ich bin ein bisschen abergläubisch und denke, dass die Fantasiewelten, die wir erschaffen unsere Leben wirklich beeinflussen können! Die Arbeiten sind sehr persönlich, aber ich möchte nicht, dass ein Betrachter, den ich gar nicht kenne, sich mit unserer Geschichte auseinandersetzt! Wenn es funktioniert, dann hat es hoffentlich eine allgemeingültige Bedeutung. Deshalb reiten wir eben gern auf dem Rücken von kraftvollen Symbolen wie dem des Schwans."
Der Schwan: ein Symbol für Fruchtbarkeit. Außerdem gelten Schwäne als besonders treue Tiere, die ein Leben lang monogam zusammen leben. Hase und Jaguar sind die Alter Egos der Künstler: Kyp Malone ist der Hase und Kris Lemsalu der Jaguar. Die Künstlerin hat schon lange eine Vorliebe dafür, sich zu verkleiden und in andere Rollen zu schlüpfen, auch bei der Eröffnungsperformance werden die beiden kostümiert auftreten:

"Ich verkleide mich leidenschaftlich gern seit ich 14 bin. Es macht mir einfach Spaß! Ich will nicht die ganze Zeit ich selbst sein. Ich möchte verschiedene Personen und Wesen sein! Das normale Leben langweilt mich einfach."
Nichts für Zyniker
Normal und langweilig ist nichts in diesem quietschbunten Gesamtkunstwerk, das Kyp Malone und Kris Lemsalu geschaffen haben. In "Love-Song Sing Along" feiern sie ihre Liebe und die Liebe im Allgemeinen. Ein Zyniker würde es in dieser Ausstellung keine fünf Minuten aushalten, sie als naiv und vielleicht sogar süßlich abtun und sich fragen, was das mit der Welt zu tun hat, in der wir leben. Doch vielleicht ist genau das die Stärke dieser Ausstellung: Dass sie unserer Welt etwas entgegensetzt und vielleicht sogar erlaubt, sie für eine Weile hinter uns zu lassen.

"Es ist die Aufgabe von Künstlern, alternative Welten zu erschaffen. Deshalb findet sich in unserer Welt kaum Gewalt und Düsterkeit, denn davon gibt es schon viel zu viel in der wirklichen Welt! Es ist ein bisschen hippiemäßig - wir schaffen diese bunte andere Welt, laden Menschen in sie ein und hoffen, dass sie etwas von diesen Schwingungen mitnehmen und sie da draußen verbreiten."
Kris Lemsalu & Kyp Malone "Love Song Sing-Along" , bis zum 3. Mai zu sehen in den Kunstwerken in Berlin.