Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Künstliche Intelligenz
Computer entwickelt Düfte für die Parfumindustrie

Eine feine Nase und viel Erfahrung bei der Kombination verschiedener Duftstoffe - das zeichnete erfolgreiche Parfumeure bislang aus. Doch mittlerweile lassen sich die Profis immer öfter von Computern helfen. Bald sollen die ersten Düfte auf den Markt kommen, die komplett von einer künstlichen Intelligenz kreiert wurden.

Von Peter Welchering | 15.01.2019
    Die Fälschung eines Chanel-Parfums (l) neben dem Original
    Beim Klassiker Chanel No 5 (im Bild Original und Fälschung) spielte künstliche Intelligenz noch keine Rolle. Doch das könnte sich bald ändern. (dpa / picture alliance / Matthias Balk)
    Dutzende von Tiegeln, eine Batterie von Reagenzgläsern, Stößel und Mörser, Kolben und Messbecher – in den Labors der Parfümeure des Duftherstellers Symrise in New York sieht es auf den ersten Blick aus wie in den Manufakturen der Genfer Parfümeure des 18. Jahrhunderts. Aber das ist eben nur der erste Blick. Auf den zweiten fallen Gaschromatographen und Computer auf. Und auf diesen Computern kreiert Philyra zwei neue Düfte für die Parfümmarke O Boticário. Philyra ist eine Software mit künstlicher Intelligenz und einer riesigen Datenbank. Achim Daub, Vorstand des Parfümherstellers Symrise, beschreibt das so.
    "Hinterlegt in dem System sind erst einmal all unsere Rohstoffe, unsere Parfümerie-Palette, Rohstoff-Palette, wie wir die nennen. Beinhaltet knapp 3000 Rohstoffe, auf die die Parfümeure zurückgreifen können in den Kreationen. Und auf die kann natürlich Philyra auch zurückgreifen. Und das System greift zurück auf sämtliche Formeln, Rezepturen, wenn man so will, die bei uns im System hinterlegt sind, was sowohl unsere eigenen Rezepturen sind, die jemals bei uns in der Firma kreiert worden sind, als auch extern kreierte Rezepturen, die wir durch das sogenannte Reverse Engineering dargestellt haben, wenn man so will."
    Riesige Datenbank mit Duft-Rezepturen dient als Grundlage
    Nach vorgegebenen Eckpunkten wählt Philyra aus dieser Datenbank die Rohstoffe für ein neues Parfüm aus, das der Hersteller in der nächsten Saison an den Markt bringen will. Achim Daub.
    "Vom Kunden kommt ein Briefing. Der Kunde gibt vor, mehr oder weniger konkret, was er sich vorstellt, wie der Duft letztendlich riechen soll. Welche Zielgruppe er ansprechen soll im Sinne von Geographie. Welches Land oder welche Länder, welche Altersgruppe, ist das männlich oder weiblich oder unisex. Das ist die eine Komponente, die man in das System dann eben auch einspeisen muss. Beispiel eben Brasilien, dass man Millennials, also junge Leute in Brasilien als Zielgruppe definiert."
    Die richtige Mischung macht’s, und zwar aus ungefähr 3000 Rohstoffen. Aus denen entwickelt Philyra ein Rezept für das zu kreierende Parfüm und lässt die Rohstoffe mit Hilfe von Roboterngleich abmischen.
    Aus rund 3000 Rohstoffen wählt der Rechner aus
    "Die meisten unserer Labore sind zumindest teilweise automatisiert. Da ist Robotik auch schon im Spiel. Das kann innerhalb von wenigen Minuten angerochen werden. Die Rezeptur wird automatisch über das System in das Labor geschickt, und da wird der Abfüll-Prozess angestoßen und der erste Teil der Abfüllung ist per Roboter, und dann die kleineren Inhaltsstoffe, die werden dann manuell zugeführt."
    Sprecher: Die neuen Parfüm-Mischungen kreiert Philyra auf der Basis vorhandener Rezepte . Solche Parfüm-Rezepte heißen in der Fachsprache Formulierungen.
    "Was Philyra im Hintergrund macht: Sie schaut sich ja alle existierenden Formulierungen an und sieht Kombinationen, die in existierenden Formulierungen gut funktioniert haben, und nimmt diese Kombinationen von zwei oder drei Rohstoffen als Baustein für ihre eigene Kreation."
    Das ist klassische Mustererkennung. Aber die kombiniert Philyra mit anderen Methoden Künstlicher Intelligenz. Softwareingenieur Richard Goodwin vom IBM-Labor hat Philyra mit entwickelt und erklärt das so.
    Mustererkennung und neuronale Netze für den richtigen Riecher
    "Philyra nutzt eine Reihe verschiedener Modelle künstlicher Intelligenz, um Duftstoffe zu entwickeln und zu sagen, ob sie am Markt erfolgreich sein werden. Duftstoffe auch für neue Shampoos und Conditioner. In einigen Fällen verwenden wir neuronale Netzwerke, in anderen Fällen Entscheidungsbäume, die wir auf Supercomputern mit Vektor-Architektur rechnen lassen. Wir haben ziemlich viel mit den Daten experimentiert, um die beste Technik für die Entwicklung eines Duftstoffes herauszubekommen."
    Die KI-Software Philyra soll den menschlichen Parfümeur nicht ersetzen, betont Achim Daub. Sie soll ihm einige grundlegende Arbeitsschritte abnehmen.
    "Wir wollen kreativer werden, und dafür brauchen wir kreative Köpfe, die auch Zeit dafür haben, sich kreativ damit auseinanderzusetzen und Philyra wird ihm diese Zeit geben."
    Aber für eines wird Philyra schon in den nächsten Monaten sorgen: Die Misch-Roboter halten gerade massenhaft Einzug in die Labors der Parfümeure. Und die rühren, mengen und schütteln die Duft-Rohstoffe nach den Anweisungen, die Philyra ihnen gibt.