Spieler entdecken, Spieler beobachten, ihre Stärken und Schwächen einschätzen - das sind die klassischen Aufgaben eines Scouts im Fußball. Dazu brauchen gute Scouts viel Erfahrung und das richtige Gespür für die Spieler. Und wenn sie das alles in Berichten dokumentieren, dann hinterlassen sie einen riesigen Berg an Daten.
"Und speziell Werder jetzt hat mehr als 100.000 solcher Berichte, in ihrer Datenbank, alles unstrukturierter Text, extrem wertvoll. Aber was mache ich damit? Wie kann ich das auswerten?", fragt Roland Becker. Er ist Geschäftsführer der Just Add AI GmbH, einer Bremer Firma, die künstliche Intelligenz, kurz KI, entwickelt, zum Beispiel für den Bundesligaverein Werder Bremen.
Der Fußball-Jargon muss erlernt werden
Diese KI soll bei Werder nicht Scouts ersetzen, sondern ihnen die Arbeit erleichtern, erklärt Becker:
"Sodass ich dann in der Lage bin zu sagen, hier sind 100.000 Scouting Berichte und zu jedem Bericht kann ich dann sagen, der ist technisch gut, beim Spielverständnis hapert es noch ein bisschen, der hat eine super Einstellung, ist durchsetzungsstark, hat eine super Präsenz auf dem Platz."
Weil sich solche Ergebnisse nicht einfach durch eine Stichwortsuche finden lassen, hat Beckers Firma dem Künstliche-Intelligenz-System wochenlang den speziellen Jargon von Fußball-Scouts beigebracht.
"Ganz viel Fleißarbeit, weil es erstmal darum geht einen Datensatz zu schaffen, aus dem das System lernen kann. Ich muss ihm Beispiele zeigen. Das gilt eigentlich für jeden Datensatz und bei Text basierten Systemen heißt das immer, ich muss Texte annotieren."
Durch eine Visualisierung, zum Beispiel in Balkendiagrammen der Ergebnisse, können alle Berichte über einzelne Spieler auf einen Blick erfasst werden. Dazu hat die Firma eine Scouting-Plattform für Werder Bremen gebaut. Diese Plattform soll den Alltag der Scouts organisieren und sie zeigt zum Beispiel die Ergebnisse des KI-Systems an.
Marktwertanalyse durch KI
Nun soll die KI auch den Marktwert eines Spielers vorhersagen können. Dafür wertet sie über 400 Leistungsdaten pro Spieler aus. Das sind zum Beispiel Zweikampfquoten, Laufstärke oder Passquoten - aber auch in welchem Verein ein Spieler grade spielt, wo er herkommt und wie alt er ist.
"Dann zeigt man so einem System halt so viele Spieler wie man hat, so viele Spieler wie es gibt, pass mal auf, das sind die ganzen Input-Daten und das ist ihr aktueller Marktwert, den kann man ja nachlesen und jetzt lern mal diese Regel. Keine Ahnung wie die funktioniert, muss irgendwie super komplex sein, lern sie einfach. Und dann kann man dem auch beibringen einen zeitlichen Verlauf und sagen: Ok, letztes Jahr, vorletztes Jahr wars so und jetzt ist es so. Und dann kann ich, wenn ich die Marktwertvorhersage tatsächlich für einen Spielerkauf machen will, fütter ich den mit den 400 Daten und sage: Was ist der Bursche denn nun tatsächlich wert."
So können Fußballvereine abschätzen, ob der verlangte Preis für einen Spieler gerechtfertigt ist, oder bei einem Kauf eines Spielers ausrechnen, wie viel er in ein paar Jahren wert sein könnte. Wird künstliche Intelligenz also die Preise auf dem Transfermarkt revolutionieren und sogar deckeln? Becker glaubt nicht.
"So ein System lernt immer aus den historischen Daten und alles was da an Verzerrungen und Biase und Vorurteilen drin ist und übertriebenen Marktwerten, das lernt das System aus der Vergangenheit und das wird reproduzieren in die Zukunft."
Selbstständige Talentsuche
Bisher analysiert die KI von Just Add AI nur die Scouting-Berichte, aber weil sie den Scouting und Fußball-Jargon gelernt hat, soll sie in einem nächsten Schritt selbstständig auf Talentsuche gehen.
"Die kann ich natürlich auch aufs Internet loslassen und sagen, pass mal auf, die und die und die Seiten, die und die und die Lokalnewsseiten und lokalen Foren, da wird immer viel über Talente gesprochen. Damit ich mir das nicht alles selber durchlesen muss, da komme ich ja kaum hinterher, lass ich da einfach das System drüber gehen und regelmäßig schauen, wo wird über einen Spieler gesagt, dass er dies und dies und dies besonders gut kann und falls das so ist, dann popp mir doch mal den Namen hoch, dann schau ich mir den mal an."
Insgesamt könne man noch viel mehr Daten von Sportlern erheben, sagt Becker. Zum Beispiel wie sie geschlafen haben, was sie gegessen haben und wie ihr Herz schlägt. Anhand solcher Daten könne man dann entscheiden, ob ein Spieler an einem Tag eingesetzt werden sollte, oder besser nicht, weil eine große Verletzungsgefahr bestehe.