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Kugelblitz und Nervenkitzel am Limit

Robert Dells Frau und Kinder sind auf grausame Weise umgebracht worden, er selbst steht plötzlich unter Mordverdacht. Der Einzige,der zu ihm hält, ist sein verhasster Vater, bekennender Rassist und mit einem außergewöhnlichen Job.

Von Sacha Verna | 16.08.2011
    Es ist anzunehmen, dass sich die Zahl der Südafrika-Kenner in unseren Breitengraden in Grenzen hält. Südafrika-Kenner, die zugleich Liebhaber von Spannungsliteratur sind, findet man vermutlich noch seltener. Deshalb werden nur wenige Leser die Authentizität von Roger Smiths Südafrika-Thrillern wirklich beurteilen können. Das macht aber nichts. Denn wie bereits ihre Vorgänger wirkt Smiths dritte Chronik vom Kap der Finsternis so überzeugend, dass es gar keine Rolle spielt, ob das Bild, das der Autor darin von seiner Heimat zeichnet, mit der Realität übereinstimmt oder nicht. Den Tourismus fördert der 51-jährige Drehbuchautor und Regisseur mit seinen kriminalliterarischen Postkarten garantiert nicht. Sein Südafrika beherrschen Korruption und Gewalt und Leute, die das sprichwörtliche über Leichen Gehen quasi als Sport betreiben.

    In "Staubige Hölle” wird gleich auf den ersten Seiten eine ganze Familie ausradiert. Fast eine ganze Familie. Robert Dell überlebt die unfreiwillige Autofahrt in die Schlucht, und hat von da an nur noch eines im Sinn: sich am Mörder seiner Frau und seiner zwei Kinder zu rächen. Dell ist weiß. Seine Frau war braun, und der Killer ist, soweit Dell gesehen hat, schwarz. Dell, ein Journalist mit einer Vergangenheit als Kämpfer gegen die Apartheid und keiner besonders rosigen Zukunft, sieht bald noch anderes. Zum Beispiel, dass seine Weiterexistenz offenbar bis hinauf ins Justizministerium für Unruhe sorgt. Das Rätsel, weshalb, ist nur eines von vielen. Während Dell quer durchs Land jagt, holen kollektive Vergangenheiten individuelle Gegenwarten ein. Gutmenschen verwandeln sich in Teufel. AIDS wütet wie die Pest im Mittelalter, und alles hängt auf unheimliche Weise miteinander zusammen.

    Roger Smith pflegt das erzählerische Staccato. Seinen Sätzen fehlt oft das Prädikat und seinen Figuren entschieden der Humor. Hier gibt es keine smarten Alles-Aufklärer, und bevor jemand einen lockeren Spruch von sich gibt, beißt er bestimmt irgendwo zwischen Johannesburg und Kapstadt in den Wüstensand. Niemand ist in diesem Südafrika farbenblind. Am wenigsten der Autor selber. Er entlarvt Voodoo-Kitsch und Bongotrommler-Mythologien ebenso wie die Arroganz einer neuen Mittelklasse. Er schildert Opfer ebenso mitleidlos wie Täter. In dieser Welt, so seine Botschaft, bleibt niemand unbefleckt. Dabei vermeidet Smith wohlweislich das Pathos des großen Gesellschaftskritikers.

    Dass man bei der Lektüre dieser Romane nicht in tiefe Depressionen verfällt, liegt an Smiths schierer Brillianz als Nervenkitzler. Man ist zu gespannt darauf zu erfahren, was als Nächstes geschieht, um am Erdendasein zu verzweifeln. Smiths Szenenwechsel sind perfekt kalkuliert. Die Verwicklungen und Entwicklungen sind immer gerade so kompliziert, dass das Hirn des Lesers gefordert, aber nicht überfordert wird. Es mag paradox klingen: Doch ein Ritt in Roger Smiths staubige Höllen sei allen Freunden des Knallhart-und-Kugelblitz-Genres dringend empfohlen.

    Roger Smith: Staubige Hölle. Roman. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg. Tropen Verlag, Stuttgart 2011. 330 Seiten. 19.95 Euro