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Kulthut Panama
Gut behütet in Ecuador

Panamahüte, die schicken Sommer-Kopfbedeckungen aus Stroh, sind dieses Jahr sehr in Mode. Erstaunlicherweise kommen die Hüte gar nicht aus Panama. Sondern aus der ecuadorianischen Andenstadt Cuenca. Dort werden sie seit mehr als hundert Jahren in vielen Arbeitsschritten per Hand geflochten.

Von Franz Michael Rohm | 02.09.2018
    Ausgestellte Panama-Hüt
    Die berühmten Panama-Hüte: Sie kommen eigentlich aus Ecuador (imago)
    "Alle Hüte, die wir hier produzieren, werden aus Carluvica Palmata - so der botanische Name - hergestellt. Wir nennen es Paja Toquilla, das Stroh der Toquilla-Palme. Sie wächst nur an der Küste von Ecuador. Dort ist es sehr heiß und es herrscht hohe Luftfeuchtigkeit. Aus den Blättern werden je nach Qualität mit dem Fingernagel oder einer Rasierklinge die Fasen zum Flechten gezogen. Wir haben Qualitäten von 25 bis über 2.000 Dollar, ein sehr breites Sortiment. Dieser einfache Hut hier wird von den Frauen in einem bis anderthalb Tagen geflochten. Für die besten und feinsten brauchen sie bis zu sechs Monate."
    Acht Frauen arbeiten im Taller de Acabado der Firma Sombreros Ortega in der ecuadorianischen Andenstadt Cuenca. Cuenca gilt als das Zentrum der Panama-Hutproduktion weltweit. In der Endfertigung der Manufaktur werden die Hutbänder eingesetzt, die Krempen der leuchtend weißen Panama-Strohhüte erhalten das Finish und die Etiketten werden eingenäht. Die Arbeit ist schweißtreibend. Dreihundert Hüte pro Tag machen die Frauen im Akkord versandfertig.
    Seit rund 120 Jahren besteht die Manufaktur, die 66 Jahre alte Alicia Ortega führt die Geschäfte in dritter Generation. Inzwischen arbeiten auch ihre Kinder und Enkel bei Sombreros Ortega. Im Verkaufsraum hängen Fotos mit Prominenten wie Prinz Charles oder Ben Affleck mit Hüten der Firma auf dem Kopf. Produziert wird für die ganze Welt.
    Außerdem fahren täglich mehrere Touristenbusse die Hutfabrik an. Die Panamahut-Manufakturen zählen zu den Attraktionen der 2.800 Meter hoch gelegenen Stadt.
    220.000 Hüte pro Jahr
    "Wir verkaufen etwa 220.000 Hüte pro Jahr. Das ist wenig im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren. Damals verkauften wir 500.000. Unsere Produktion ist stark gesunken. Die Wettbewerber aus China sind billiger als wir. Sie kaufen die einfachste Rohware und produzieren dann selbst. Aber unsere Hüte besitzen eine Seele. Alle sind handgemacht, zwölf Personen arbeiten daran, bis ein Hut fertig ist."
    Die meisten Frauen verdienen den ecuadorianischen Grundlohn, etwa 375 Dollar im Monat. Seit einer Finanzkrise in den Nullerjahren ist der US-Dollar die Währung des Landes. Mit dem Lohn kann man keine großen Sprünge machen, sagen die Arbeiterinnen. Aber mit der Akkordzulage reicht es. Die meisten sind seit vielen Jahren in der Manufaktur beschäftigt.
    Alica Ortega, Ecuador, Cuenca, Huthersteller Homero Ortega
    Alicia Ortega mit klassischem Fedora-Typ Hut (Franz Michael Rohm / Deutschlandradio)
    In einem Raum durch den die Besucher geführt werden, sitzt Consuelo Himbo und demonstriert das aufwendige Flechtwerk an einer Rohform des Panamahutes.
    Als immaterielles Welterbe von der UNESCO anerkannt
    "Ich mache einen Strohhut in normaler Qualität. Zuerst beginne ich mit 16 Fasern und nehme dann immer 16 weitere dazu. Wenn die Rohform, die Glocke, fertig ist, ziehe ich sie auf eine Holzform. Dann flechte ich weiter. Das nennt man Injirez. Dann muss ich noch am Ende alle rund 800 Fasern verknoten, damit sie sich bei der Weiterverarbeitung nicht mehr öffnen."
    Die Flechttechnik mit der Paja Toquilla wurde 2012 als immaterielles Welterbe Ecuadors von der UNESCO anerkannt.
    Ein paar Straßen weiter stellt die Firma mit dem deutschen Namen "Dorfzaun" ebenfalls hunderttausende Hüte im Jahr her. Ein Teil davon geht inzwischen als Rohware nach China. Seit 1939 besteht die Firma. Gegründet wurde sie von einem Deutschen jüdischen Glaubens, der vor den Nationalsozialisten nach Ecuador flüchtete.
    Ecuador, Cuenca, Hutherstellerin bei Homero Ortega
    Hutproduktion bei Sombreros Ortega (Franz Michael Rohm / Deutschlandradio)
    40 bis 50 Frauen bringen Vorarbeiter Antonio jede Woche die Rohware, Chaquillos genannt. Teresa Jara und ihre Mutter Mariana kommen aus einem zwei Autostunden entfernten Bergdorf.
    "Wir kaufen die Paja Toquilla auf dem Markt, hier in der Gegend. 25 Cent kostet das Taillo, ein Büschel. Drei brauche ich für einen Hut. Ich mache das schon sehr lange. Mit meiner Mutter."
    Zwei Wochen lang arbeiten die Frauen und Kinder der Familie. Dann fahren Mutter und Tochter die in Rollen verpackten Hutrohlinge nach Cuenca zur Hutfabrik.
    "Hier sind einige Hüte nicht gut. Was ist los Doña Mariana, da sind ja grüne Fasern mit dabei? Hilf mir mal, die abzuladen."
    Strenge Kontrollen durch Vorarbeiter
    Die angelieferten Rohhüte werden von Vorarbeiter Antonio einer strengen Kontrolle unterzogen. Nach der Revision durch den Einkäufer werden die Rohformen gleich wieder abgeholt.
    "Wir waschen die Rohhüte, schneiden die überstehenden Fasern ab, bleichen sie. Dann bringen wir sie hierher und hier werden sie dann in die endgültige Form gebracht.
    Schon meine Urgroßeltern haben Panamahüte, meine Eltern und mein Mann."
    Ecuador, Cuenca, Huthersteller K. Dorfzaun
    Vorarbeiter Antonio mit Teresa und Mariana Sara (Franz Michael Rohm / Deutschlandradio)
    Gebleicht werden die Hüte von Verconica Mendez mit Wasserstoffperoxyd. In der Fabrik werden die Rohformen anschließend in einer Produktionsstrecke aus den 1940er-Jahren über Dampf auf eiserne Formen gezogen und entweder nach China versendet oder in der Manufaktur für den direkten Verkauf fertiggestellt. Bevor die Bänder eingesetzt und die Krempen beschnitten werden, trocknen die Hüte in riesigen Öfen. Dann folgt der letzte Produktionsschritt mit dem Finish.
    Bleibt noch eine Frage: Warum heißen die Hüte aus Ecuador Panamas? Die beantwortet der aus Japan stammende Produktionsdirektor von Sombreros Dorfzaun, Yamamoto Matsushita.
    "Als der Panama-Kanal gebaut wurde, Anfang des 20. Jahrhunderts, haben die Arbeiter die Strohhüte aus Cuenca gegen die stechende Sonne in Panama getragen. Als der Kanal 1914 fertig war, kam der amerikanische Präsident Roosevelt zur Eröffnung Dabei trug auch er den Hut gegen die Sonne. So wurde der Hut in der Welt berühmt und heißt seither Panama-Hut." Aber gemacht wird er in Ecuador.