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Kultureller Leuchtturm im Ruhrgebiet

Vor 85 Jahren erwarben kunstsinnige Bürger der Stadt Essen die Sammlung Folkwang aus dem Nachlass des Hagener Mäzens Karl Ernst Osthaus. Trotz schwerer Kriegsverluste gehören die im Museum Folkwang aufbewahrten Kunstwerke bis heute zum besten, was deutsche Museen auf dem Gebiet der Klassischen Moderne zu bieten haben.

Von Rainer B. Schossig | 21.03.2007
    Das Museum Folkwang beherbergt eine der ältesten und bedeutendsten Kunstsammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts in Deutschland. Den Grundstock dafür bildete das private Folkwang-Museum, das der Sammler und Mäzen Karl Ernst Osthaus 1901 in Hagen gründete. Nach seinem Tod konnte der Folkwang Museumsverein, ein eigens dafür gegründetes Konsortium kapitalkräftiger Essener Bürger, die Kollektion erwerben und mit dem Städtischen Kunstmuseum zum Museum Folkwang vereinigen. Heute leitet Hartwig Fischer das traditionsreiche Haus:

    "Osthaus hatte ganz früh erkannt, dass in diesem Gebiet, das von der Schwerindustrie stark gezeichnet, vielleicht auch verwüstet war damals, die Kultur einen wesentlichen Unterschied ausmachen würde. Deshalb hat er als sein Lebensmotto den Satz geprägt: 'Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel.' Und es ist sicher kein Zufall, dass Essen und das Ruhrgebiet sich um den Titel Kulturhauptstadt Europas genau mit diesem Leitsatz beworben haben 'Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel.'"

    Der urtümliche Name Folkwang stammt aus der Edda-Dichtung; das Wort Folkvangar ist zwar nordischen Ursprungs, doch es meint nicht mythisches Raunen, sondern einen demokratischen Umgang mit Kunst und Kultur:

    "Folkwang ist die Halle der Göttin Freya, die auch die Musen, die Künste beschützt; es ist eigentlich ein Musenhof. Und als Musenhof ist es zugleich ein öffentlicher Ort. Und diese Doppelbedeutung liegt uns hier allen sehr am Herzen, ein öffentlicher Ort und zugleich ein Ort, wo es um die Begegnung mit und die Versenkung in der Kunst geht."

    Hartwig Fischer betrachtet die Rettung der Sammlung durch die Essener Stahlbarone, die am 21. März 1922 besiegelt wurde, als eine bedeutende Kulturleistung. Das Folkwang-Museum, zunächst von Ernst Gosebruch geleitet, wurde alsbald zu einem interdisziplinären Stützpunkt kulturellen Lebens im Ruhrgebiet. Schon 1929 konnte der Essener Museumsneubau eröffnet werden.

    "Zur Verfügung standen damals zwei Villen, und diese wurden durch einen schönen Neubau miteinander verbunden, was wesentlich größere Ausstellungsflächen bot. In diesen wurde die fusionierte Sammlung Osthaus und die Sammlung Essen unter dem Namen Museum Folkwang ausgestellt. Und bis 1933 war dieses Museum tatsächlich eines der drei führenden Museen in Deutschland, so dass H. Barr, der Gründer des Museum of Modern Art, der damals durch Deutschland gereist ist, nach dem Besuch von Essen gesagt hat: 'Das Museum Folkwang ist das schönste Museum der Welt.'"

    Der Bogen der Werke umfasst Gemälde Caspar David Friedrichs, Delacroix' und Courbets, der Impressionisten Manet, Renoir und Monet; außerdem Werke von Cézanne, van Gogh, Gauguin und Matisse bis hin zu Edvard Munch, Franz Marc und Kandinsky. Der Karl-Ernst-Osthaus-Forscher Rainer Stamm über das Profil der Sammlungen:

    "Das Faszinierende an dieser Sammlung ist das Crossover aus Kunstwerken höchster Qualität, aus den unterschiedlichsten Weltgegenden und Epochen. Dazu gehört ebenso ein expressionistisches Werk wie eine Südseeplastik, eine romanische Figur genauso wie die neuesten Arbeiten der Avantgarde, Aquarelle von Kandinsky und Klee. Es sind auch Stücke in der Sammlung gewesen, die heute gar nicht mehr verfügbar sind, weil durch die Modernität dieser Sammlung es auch das betroffenste Museum 1937 bei dem Ausrangieren der so genannten Entarteten Kunst war."

    Über 1400 Folkwang-Werke fielen der nationalsozialistischen Kunstpolitik zum Opfer. Graf Klaus Baudissin, der damalige Direktor des Hauses, war ein verblendeter NS-Kunstideologe: Er duldete die Beschlagnahmungen nicht nur, sondern forcierte sogar die Plünderung des eigenen Museums. Der Schaden für die Sammlung war enorm.

    Stamm: "Das heutige Folkwang-Museum ist ein ergänzter Torso. Andererseits muss man sagen, dass nach 1945 eine sehr kluge Erwerbspolitik da war. Paul Vogt und seine Nachfolger haben die Sammlung ergänzt, nicht nur wichtige Stücke aus der Klassischen Moderne erworben, sondern sich auch immer um Rückkäufe bemüht, wenn Werke aus der ehemaligen Sammlung aufgetaucht sind."

    Anstelle der im Krieg zerstörten Gebäude konnte 1960 ein moderner Ersatzbau eröffnet werden. Doch die Rekonstruktion der Bestände dauert bis heute an. Immerhin konnte die Sammlung Folkwang inzwischen durch Werke von Nolde, Kirchner und Beckmann, Léger, Delaunay und Mondrian, Miró, Dalí und Magritte erweitert werden. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 wird sie im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit stehen. Hartwig Fischer plant dafür einen Museumsneubau:

    Fischer: "Wir möchten ein exemplarisch schönes Museum hier errichten, das die Menschen willkommen heißt, in dem sie sich wohl fühlen und begegnen können, eine Stätte der Diskussion, des Austauschs und eine der Ruhe, der Kontemplation, der Begegnung mit der Kunst."