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Kulturförderung in der Corona-Krise
"Auch die leisen Stimmen hören"

Welche Strategien können dabei helfen, die Kultur der Pandemie nicht schutzlos auszuliefern? Eine von der Uni Hildesheim organisierte Veranstaltung hat nach Lösungen gesucht. Der Kulturwissenschaftler Julius Heinicke fordert, dafür mehr Menschen einen Zugang zu kulturellen Angeboten zu ermöglichen.

Julius Heinicke im Gespräch mit Karin Fischer | 20.05.2020
Stilisierte Hand auf einem Bildschirm
Touchscreen statt Theatersessel: Wegen Corona sucht die Kultur neue Formen im Digitalen. (imago / Panthermedia)
Um die Covid-19-Pandemie einzudämmen, haben Länder und Staaten weltweit unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Von diesen Einschränkungen des öffentlichen Lebens waren Kultureinrichtungen, KünstlerIinnen und Kreative unterschiedlich, aber überall besonder stark betroffen. Die UNESCO als Kulturorganisation der Vereinten Nationen und die Uni Hildesheim hatten deshalb zu einer Online-Diskussionsrunde eingeladen. Unter dem Titel "ResiliArt" sollten Antworten auf die Frage gefunden werden, wie die Kultur weltweit resilient gegen das Covid-19-Virus werden könnte.
Ob es für die Kultur in Zeiten der Pandemie einen grundsätzlichen Ausweg gibt – diese Frage konnten die FachexpertIinnen nicht beantworten. Sie stellten aber fest, fasste der Kulturwissenschaftler Julius Heinicke im Deutschlandfunk zusammen, dass die "gegenseitige Solidarität" dazu beitrage, Wege aus der Krise zu finden.
Solidarisch mit der Einsamkeit umgehen
Immerhin seien durch den Ausbruch von Corona neue Formate entstanden, die dazu beitrügen, "mit der Einsamkeit umgehen zu können", so Heinicke. Für die Kultur in Deutschland wünsche sich der Wissenschaftler, der am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim arbeitet, eine erhöhte öffentliche Förderung und neue Infrastrukturpläne:
"Denn wir sehen im Moment ja, dass der Kultursektor eine ganz entscheidende gemeinschaftsstiftende Rolle spielt".
Auch bei der Wirtschaft gebe es "viel Luft nach oben". Sie müsse sich stärker als bisher an kulturellen Projekten beteiligen.
Thema Vielfalt
Weil viele Themen durch die Coronakrise in der Öffentlichkeit kaum noch diskutiert würden, sei es jetzt die Aufgabe der Kultur, das Thema Vielfalt noch einmal stärker in den Blick zu nehmen, sagte Julius Heinicke in "Kultur heute":
"Wir sehen auf der einen Seite, dass mit Hilfe der Digitalisierung viele unterschiedliche Kulturströmungen zu Wort kommen, aber wir sehen auch, dass viele keinen Zugang haben, auch keinen digitalen".
Dadurch könnten viele Menschen an gesellschaftlichen Debatten nicht teilnehmen, weil es "bestimmte Hierarchien gibt, die entscheiden, was praktisch gemacht wird und was nicht".
Neue kulturelle Teilhabe
Vorstellbar sei, die Krise dafür zu nutzen, die vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen der Teilhabe zu ändern. Auch leisere Stimmen müssten in einem international geführten Dialog gehört werden. Das gelingt dem Kulturwissenschaftler zufolge nur, wenn "wir uns einer postkolonialen Verantwortung stellen und hier noch einmal überlegen: Wer entscheidet eigentlich, welche Programme gefördert werden?"
So sollten etwa Theaterprogramme und Ausstellungen in Museen daraufhin untersucht werden, ob sie möglichst vielen den Zugang zu diesen Angeboten ermöglichen:
"Auch das wäre eine Möglichkeit, aus der Krise zu lernen."