Mittwoch, 24. April 2024

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Kulturgeschichte
Punk-Revolte in Bildern

Der lange Weg zum Punk, die Höhepunkte der Punk-Ära und der Übergang zum Post-Punk wird in "Punk 45 - The Singles Cover Art 1976-1980" anhand von vielen Bilder dokumentiert und kommentiert. Mitherausgeber der Anthologie ist der renommierte Pop-Historiker Jon Savage.

11.01.2014
    "Love will tear us apart”, Joy Division im Juni 1980. Einen Monat nach dem Selbstmord von Ian Curtis, Sänger der Band aus Manchester. Das Cover der Single zeigt den Songtitel im Stile einer Grabinschrift: Love will tear us apart – die Liebe wird uns auseinanderreißen. Song wie Plattencover markieren das Ende der Band Joy Division und den Beginn einer neuen Epoche. Mit "Love will tear us apart" gleitet der Punk hinüber in die Post-Punk-Ära – das wissen wir aus heutiger Sicht. Mit "Love will tear us apart" endet auch das Bilderbuch "Punk 45 - The Singles Cover Art 1976-1980".
    "Dies ist ein Buch über die Cover-Kunst der Punk-Ära", schreibt Stuart Baker, Mitherausgeber der Anthologie. Man kann das getrost als britisches Understatement abtun. Es handelt sich nämlich um nicht weniger als ein Stück Kulturgeschichte. Der lange Weg hin zum Punk, die Höhepunkte der Punk-Ära und der Übergang zum Post-Punk, all das wird in diesem opulent ausgestatteten Bildband dokumentiert – und kommentiert. So beginnt die Chronologie der Plattenhüllen nicht etwa 1976, sondern schon sieben Jahre früher.
    "Legendary confrontational proto-punk garage band."
    Als legendäre Proto-Punk Garagen Band bezeichnen die Autoren The MC5, und dann ist da noch dieses Adjektiv:
    "Confrontational."
    Streitlustig, konflikthaft, konfrontativ – schlägt das Lexikon vor. Streitlustig, konflikthaft, konfrontativ – das gilt für fast alle Protagonisten des Punk.
    Richard Hell, mit "Blank Generation" 1976 eine Schlüsselfigur des New York Punk, schreibt im vorliegenden Buch über seine Singles und ihre Covergestaltung. Das seien klassische Picture Sleeves, also Hüllen mit Bildern, das visuelle Pendant zu:
    "Confrontational, quasi-poetic pop."
    Da ist es wieder, das Adjektiv: confrontational. Das wichtigste Medium der konfrontativen Punk-Revolte ist die Single, die kleine Vinylscheibe, die sich 45 Mal pro Minute dreht.
    45er Singles waren großartig, meint Jon Savage, Mitherausgeber der Anthologie. Der britische Kritiker hat mit "England´s Dreaming" bereits eine Standardwerk zur Punkgeschichte vorgelegt.
    "Anfangs sah es nicht so aus, als sollte Punk allzu lange dauern, also gab es diese Dringlichkeit, alles möglichst schnell rauszubringen. Das Tolle an Punk war, dass der Weg von der Idee zur Umsetzung der Idee sehr kurz war. Man ging nicht wochenlang ins Studio um ein Album zu produzieren, nein, ein Tag, zwei, drei, vier Songs rausgehauen, auf eine Single gepresst, ein Cover dazu, fertig. Punk war schnell und unmittelbar, es war ein Teenager-Medium. Eine Single zu produzieren war billig, Kassetten klangen mies und hatten ja eher die Länge einer LP. Die Seven Inch Single mit 45 Umdrehungen war einfach das Größte."
    London brennt vor Langeweile, behaupten The Clash, die haben die Konfrontation schon im Bandnamen. So derb und konfrontativ wie die Musik kommt die Coverkunst daher. Die meist mit primitiven Mitteln hergestellten Plattenhüllen illustrieren auf drastische Art die bevorzugten Themen der Punk-Revolte: Langeweile und Sex, Langeweile und Tod, Langeweile und Gewalt, , Langeweile und Speed, Langeweile und Entfremdung, Langeweile und … Langeweile.
    "Punk trat 1976 als kompletter Bruch mit der Geschichte auf den Plan. Als Paradigmenwechsel, um Raum für etwas Neues zu schaffen. Heute wissen wir, dass Punk sich sehr wohl in der Vergangenheit bedient hat: Glam Rock, die Garagen-Bands der 60er. Für mich war Punk beides: ein Bruch mit der Geschichte und zugleich eine Verjüngungskur des Rock 'n' Roll."
    Jon Savage betont noch einen anderen bedeutenden Aspekt der Punk-Revolte:
    "Für mich war es neu und aufregend, dass Punk die Geschlechterbilder auf den Kopf stellte. Frauen wie Siouxsie, The Slits, Gaye Advert, Poly Styrene, Frauen, die Geräusche machten, wie keine Frauen jemals zuvor. Siouxsie war eine Domina, Poly Styrene so eine Art Öko-Kriegerin, das gab es vorher nicht und es war unglaublich aufregend. Im Buch gibt es viele weibliche Künstlerinnen, und das ist keine Willkür. Es spiegelt die Situation von 1978, 79."
    Das Buch spiegelt eine beschleunigte Zeit und man will sie wieder hören, die neuen Geräusche dieser Zeit.