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Kulturgutschutz
"Es müssen sich jetzt alle an einen Tisch setzen"

Die Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, Ulrike Groos, hält die Grundidee des umstrittenen Kulturgutschutzgesetzes für gut. Man sollte abwarten, was die geplante Novelle des Gesetzes im Einzelnen zum Ausdruck bringen möchte, sagte Groos im DLF. Das Gesetz reguliert die Ausfuhr bedeutender Kunst aus Deutschland.

Ulrike Groos im Gespräch mit Michael Köhler | 20.07.2015
    Eine Besucherin sieht sich im Kunstmuseum in Stuttgart das "Selbstporträt mit Palette vor rotem Vorhang" des Malers Otto Dix aus dem Jahre 1942 an.
    Das Kunstmuseum Stuttgart hat das bislang geliehene "Selbstporträt mit Palette vor rotem Vorhang" von Otto Dix jetzt fest erworben (picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
    Michael Köhler: Das Kunstmuseum Stuttgart erwirbt Otto Dix' Schlüsselwerk "Selbstbildnis mit Palette vor rotem Vorhang" von 1942 und vermeidet damit eine Abwanderung des Gemäldes. Unterstützt wurde der Ankauf von der Kulturstiftung der Länder, der Ernst-von-Siemens-Stiftung, der Wüstenrot-Stiftung der Landeshauptstadt Stuttgart. Und ohne die gemeinsame Anstrengung der kunstsinnigen Einrichtungen ist so was für öffentliche Museen heute nicht mehr möglich zu erwerben. Bedeutende Werke der Klassischen Moderne liegen rasch im oberen sechs- bis siebenstelligen Eurobereich.
    Insofern hat unser Thema nicht nur mit dem Ankauf eines Selbstbildnisses von Otto Dix zu tun, dessen Erbe in Stuttgart besonders gepflegt wird. Es hat auch mit den geplanten Regelungen zum Kulturgutschutzgesetz zu tun, um das seit zwei Wochen heftig gestritten wird. Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart habe ich nach der Bedeutung dieses Werkes für ihr Haus gefragt.
    Ulrike Groos: Wir haben in der Tat eine der weltweit bedeutendsten Dix-Sammlungen bei uns, und deshalb ist für uns dieses "Selbstbildnis mit Palette vor rotem Vorhang", das 1942 in dieser aufgezwungenen inneren Emigration, die Otto Dix am Bodensee hatte, besonders wichtig. Er ist ja von den Nationalsozialisten entlassen worden und mit seiner Familie nach Hemmenhofen gezogen. Und dieses Bild ist das letzte seiner bedeutenden Selbstporträts, entstanden auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs. Und er legt besonders viel Wert auf die Ausdruckskraft und die Wiedergabe seiner dunklen Augenpartie. Das zeigt schon, dass er sich selber als blinder Seher sieht, der den drohenden Untergang eigentlich schon vorausahnt. Es ist also ein eher düsteres Bild, es zeigt den Künstler grüblerisch, auch etwas gealtert, durchaus auch verzagt. Er hat ja den Ersten Weltkrieg bereits erlebt gehabt, hatte im Schützengraben ja sehr viele Zeichnungen auch angefertigt, die dann in diese Kriegsmappe gemündet sind. Aber hier wirklich, nach den frühen fröhlichen, muss man wirklich sagen, Selbstbildnissen, die ihn mit seinen Kindern auf der Schulter zeigen, doch dieses grüblerische, späte Werk.
    Köhler: Hätten Sie dieses Werk aus eigenen Kräften und Mitteln problemlos erwerben können?
    Groos: Sie meinen, aus Mitteln des Ankaufsetats des Kunstmuseums?
    Köhler: Richtig.
    Groos: Nein, das hätten wir nicht geschafft, da hätten wir, glaube ich, ziemlich viele Jahre unseren gesamten Ankaufsetat zusammensparen müssen. Ob die Erben so viele Jahre gewartet hätten, das ist jetzt mal dahingestellt. Möglicherweise -, aber uns war es wichtig, diese verschiedenen Stiftungen und auch die Stadt anzufragen, ob sie uns hilft, dieses Werk anzukaufen. Und wir haben uns natürlich gefreut, dass die Unterstützung und die Zuwendungen so schnell und auch mit diesem großen Volumen gekommen sind.
    "Dieses Bild wird, seit das Museum es hat, ständig gezeigt"
    Köhler: Man kann, glaube ich, ohne großen Aufwand sagen, dies ist ein bedeutendes Werk, das in Ihr Haus, in Ihre Sammlung gehört und auch nach Deutschland. Womit wir bei dem Thema nationaler Kulturgutschutz sind. Welche Auffassung haben Sie davon? Hätten Ihnen nicht die Augen getränt, wenn Sie hätten zusehen müssen, dass dieses Werk ins Ausland geht?
    Groos: Das mit Sicherheit. Nicht nur, dass es ins Ausland geht, sondern auch, wohin es dann natürlich geht. Denn dieses Bild wird, seit das Museum es hat, ständig gezeigt. Das heißt, es ist immer der Öffentlichkeit zugänglich, was ich ja für Kunst sowieso ganz wichtig finde. Und dieses Bild macht natürlich besonders viel Sinn in diesem Kontext dieser Sammlung, also von den frühen Werken die Entwicklung bis zu diesen späten Werken. Und vor diesem Hintergrund hätte uns das natürlich sehr traurig gestimmt, wenn es aus diesem Kontext herausgegangen wäre.
    Köhler: Das Kulturgutschutzgesetz soll ermöglichen, illegal ausgeführtes Kulturgut anderer Staaten effektiv an diese zurückzugeben als auch deutsches Kulturgut besser vor Abwanderung ins Ausland zu schützen. Stehen Sie uneingeschränkt dahinter?
    Groos: Es hat ja sehr viele Diskussionen gegeben in den letzten Tagen. Ich vertrete die Auffassung, die jetzt dieser etwas gemäßigtere Flügel angenommen hat, dass man doch erst mal abwarten soll, was dieses Gesetz im Einzelnen auch zum Ausdruck bringen möchte. Ich finde die Grundidee eigentlich gut. Wir hatten im Rahmen von diesem Sachverhalt, dass wir ja nicht nur das Dix-Werk bei uns in der Sammlung haben, das uns nicht gehört, schon auch mal überlegt, diese Dix-Werke unter Schutz stellen zu lassen, damit sie eben nicht ins Ausland gehen. Und das geht ja genau in diese Richtung, dieser Gedanke.
    "Es geht jetzt um die detaillierte Aufarbeitung dieses Gesetzes mit allen Beteiligten"
    Köhler: Können Sie Kritikern folgen, die darin die Gefahr einer Renationalisierung von Kulturgut sehen?
    Groos: Also ich habe am Anfang natürlich auch gezuckt, als ich gelesen habe, um welche Werte es geht. Ab 150.000 Euro war ja mal die Rede, und auch diese zeitliche Begrenzung. Die Sorgen, die da teilweise vorgetragen wurden, sind auch nachvollziehbar, auch diese Sorge, wer das eigentlich betreut und wie schnell man dann Antwort darauf bekommt. Wie gesagt, ich denke, es geht jetzt um die detaillierte Aufarbeitung dieses Gesetzes mit allen Beteiligten. Es ist ja so, dass die Leute jetzt mehr aneinander vorbei gesprochen haben als wirklich gemeinsam, obwohl es ja auch gemeinsame Gespräche gegeben haben soll. Also ich glaube, es müssen sich jetzt alle an einen Tisch setzen, müssen ihre Polemik auch ein bisschen raushalten und müssen aus diesem Gedanken, der ja meines Erachtens mehr positive Aspekte beinhaltet, wirklich etwas Gutes machen.
    Köhler: Sagt Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart zum Erwerb eines Selbstbildnisses von Otto Dix und der Bedeutung des Kulturgutschutzgesetzes für Museen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.