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Kulturgutschutzgesetz zur Abstimmung
"Kunst hat einen Wert, nicht nur einen Preis"

Der neue Gesetzentwurf zum Kulturgutschutz von Kulturstaatsministerin Monika Grütters löste heftigen Protest aus - im Kunsthandel war von einer Enteignung privaten Kunstbesitzes die Rede. Die Novelle soll die Ausfuhr national wertvoller deutscher Kulturgüter regulieren und die Einfuhr illegal erworbener Antiken unterbinden. Der Bundesrat muss noch zustimmen.

Von Christiane Habermalz | 23.06.2016
    Die 274 antiken Objekte, die 1990 aus dem Archäologischen Museum von Korinth gestohlen worden sind, werden nach ihrer Rückkehr am 22.1.2001 in Athen der Presse gezeigt. Der bislang größte Diebstahl antiker Gegenstände in der Geschichte Griechenlands ist zu einem glücklichen Ende gekommen. Unbekannte waren im April 1990 ins archäologische Museum von Korinth eingebrochen. Sie hatten damals insgesamt 288 antike Gegenstände entwendet. Laut den Presseberichten ist der jetzige Erfolg das Ergebnis elfjähriger enger Zusammenarbeit der griechischen Polizei mit dem FBI. Den Einbruch und Diebstahl soll eine Gruppe aus fünf Amerikanern und Griechen verübt haben; eine beteiligte Frau sei bereits vor Gericht gestellt und zu einem Jahr Haft verurteilt worden.
    Einfuhren von geraubten antiken Kunstwerken zu verhinden ist eines der Ziele des neuen Gesetzes (picture alliance / dpa / Louisa Gouliamaki)
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters war die Ermüdung anzumerken, als sie heute im Bundestag ihren Gesetzentwurf zum Kulturgutschutz verteidigte. Der Kunsthandel hatte sich bis zuletzt quergestellt und versucht, ihre Pläne zu verhindern.
    O-Ton Grütters: Der Kulturgutschutz ist nämlich eine im Grundgesetz festgeschriebene Aufgabe. Dahinter steht die Überzeugung, dass Kunst einen Wert hat, nicht nur einen Preis. Als Spiegel unserer Geschichte und Identität darf Kunst staatliche Förderung, aber auch staatlichen Schutz erwarten.
    Deutschland müsse endlich seinen Beitrag zur Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgütern leisten, mahnte Grütters, es gehe um den Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit. Aber es gehe auch um den Schutz des eigenen kulturellen Erbes.
    "In den wenigen Fällen, in denen Kulturgüter wirklich emblematisch sind für unsere Geschichte und Identität muss es meiner Meinung nach möglich sein, diese wenigen Stücke vor Abwanderung ins Ausland und auch vor Zerstörung zu schützen."
    Mit der heutigen Zustimmung hat der Bundestag eines der umstrittensten Gesetzesprojekte der vergangenen Monate auf den Weg gebracht. Bis zuletzt lief der Handel Sturm gegen die Pläne, von Enteignung privaten Kunstbesitzes war die Rede, erst vor Kurzem verglich Georg Baselitz in einem Interview Monika Grütters‘ Gesetzentwurf mit dem DDR-Staat, der sich auch schon obrigkeitlich in die Kultur eingemischt hätte – "und wie es davor gewesen sei, wisse auch jeder". Kulturausschussvorsitzender Siegmund Ehrmann, SPD, ärgert sich noch kurz vor der Bundestagsdebatte über die Polemik:
    "Also mich macht ein derartiger Vergleich sprachlos. Wahnsinn und Genie gehört ja gelegentlich zusammen. Und mehr möchte ich da gar nicht sagen. Es geht nicht darum, nationalchauvinistisch oder staatsdirigistisch oder willkürlich einzugreifen, und wer sich da in seinen Rechten verletzt fühlt, dem steht der Rechtsweg Gott sei Dank in unserem Land offen."
    Antikenhandel: Rechenschaft über Herkunft seiner Ware ablegen
    Mit der Novelle will die Bundesregierung einerseits die Ausfuhr national wertvoller deutscher Kulturgüter regulieren und anderseits die Einfuhr und den Handel illegal erworbener Antiken unterbinden. Der Kulturausschuss hatte noch am Vorabend der Abstimmung zahlreiche Änderungsanträge beschlossen. Darin wurden die Bestimmungen für die Einfuhr von Antiken noch einmal verschärft.
    Auch muss der Antikenhandel künftig Rechenschaft darüber ablegen, woher seine Ware stammt – auch rückwirkend für bereits im Handel befindliche Stücke. Die Wertgrenze für Antiken, die unter die Regelung fallen, wurde vom 100 Euro auf Null herabgesetzt – dies hatten Archäologen wiederholt gefordert, um zu verhindern, dass Raubgräber Statuen zerschlagen und die wertlosen Scherben einzeln über die Grenze bringen. Aber auch den Kunstsammlern waren die Abgeordneten entgegen gekommen. Künftig müssen für Kunstwerke ab einer gewissen Alters- und Wertgrenze - bei Gemälden jetzt 75 Jahre und 300.000 Euro - eine Ausfuhrgenehmigung beantragt werden, über die eine Expertenkommission befindet, in der auch der Handel vertreten ist. Sollte es sich tatsächlich um national wertvolles Kulturgut handeln, soll der Staat künftig eine Kaufangebot zu fairen Marktpreisen unterbreiten.
    "Hinzugekommen ist, dass künftig der Staat zugunsten des Eigentümers ein Ankaufsangebot vorlegen kann. Der Eigentümer kann also dann sein neu eingetragenes Kulturgut gegen einen angemessenen Preis an den Staat verkaufen, wenn beide sich einigen, selbstverständlich. In den anstehenden Haushaltsberatungen wollen wir dafür sorgen, die hierfür benötigten Mittel auch einzustellen."
    Erläutert der SPD-Kulturpolitiker Martin Dörmann. Neu ist auch die Möglichkeit eines sogenannten Negativattests: Wer sich ganz sicher sein will, seine Kunst frei ins Ausland verkaufen zu können, kann sich dies künftig durch die Kommission verbindlich bescheinigen lassen. Die letzte Hürde steht dem Gesetzentwurf noch bevor: Am 8. Juli muss der Bundesrat zustimmen. Baden-Württemberg und Hessen haben bereits Widerstand signalisiert. Allerdings genügt in der Länderkammer eine einfache Mehrheit.