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Kulturhauptstadt Paphos
Wenn sich griechische und türkische Zyprer begegnen

43 Jahre nach der gewaltsamen Teilung Zyperns kommen türkische und griechische Zyprer in einem Kunst-Projekt in Paphos zusammen. Ein Großteil der türkischen Teilnehmer stammt von hier, ihre Familien mussten aber nach der Teilung umsiedeln. Gemeinsam mit einer Kunsttherapeutin bearbeiten sie ihre Erinnerungen an die Kriegserlebnisse von damals.

Von Milona Marianthi | 07.05.2017
    Ein Feuerschlucker bei der Eröffnungsfeier zum Start ins Kulturhauptstadt-Jahr am 28.01.2017 in Paphos (Zypern).
    Bei vielen der Kunstaktionen in der Kulturhauptstadt Paphos geht es darum, Leute von beiden Seiten dazu einzuladen. (dpa/Harald Claessen)
    In den frühen Morgenstunden erreicht eine kleine Gruppe türkischer Zyprer die städtische Pinakothek der Kleinstadt Paphos, im griechischen Teil der Insel Zypern. Dort soll gerade das Projekt Pygmalion Syndrom beginnen. Zum ersten Mal nach der gewaltsamen Teilung der Insel im Jahr 1974, kommen türkische und griechische Zyprer in einem Kunst-Projekt zusammen. Die künstlerische Leiterin der Kulturhauptstadt Paphos 2017, Georgia Dötzer, erklärt warum dieser Austausch gerade hier in Paphos so wichtig ist.
    "Weil es hier in Paphos eine sehr große Gegend gibt, in der sehr viele türkische Zyprer lebten. Es ist eine Gegend, die uns auch philosophisch und soziologisch sehr nahe liegt. Und wir haben versucht, hier sehr viele Aktionen zu entwickeln, um die Leute von beiden Seiten, dazu einzuladen, daran teilzunehmen. "
    Tatsächlich stammen die meisten türkischen Seminarteilnehmer ursprünglich aus Paphos. Ihre Familien mussten nach der Teilung in den 1970er-Jahren umsiedeln.
    Während des Malens erzählen die Teilnehmer von ihren Kriegserlebnissen
    Die Kunsttherapeutin Asli Bolayir fordert die Anwesenden, acht türkische und zwei griechische Zyprer auf, ein Bild in Anlehnung an Picassos Guernica zu malen. Auf einem langen rechteckigen Papier interpretiert Jeder Picassos Werk neu. Die Teilnehmer zeichnen abgehackte Hände, Feuer speiende Münder und verletzte Gesichter.
    Asli Bolayir hängt diese Bilder an die Wand und bittet die Kursteilnehmer, nun freundliche Überschriften für die Motive zu finden. Man sieht, dass viele ihr eigenes Guernicabild plötzlich neu interpretieren: Die abgehackte Hand wird als reichende Hand bezeichnet, ein verletzter roter Mund als erotisch, ein weit aufgerissenes Auge als aufgehende Sonne.
    Während des Malens beginnen die Teilnehmer von ihren Kriegserlebnissen zu erzählen, wie der 64-jährige Andreas Christodoulou-Leonidou.
    "Ich wurde am 21. Juli 1974 als Marinesoldat von vier türkischen Flugzeugen bombardiert und an der rechten Schulter verletzt. 99 Tage lag ich mich mit 13 weiteren griechisch-zyprischen und 100 türkisch-zyprischen Soldaten gemeinsam in einem englischen Krankenhaus in Paphos. Allen politischen Widerständen zum Trotz pflegen wir bis heute ein gutes Verhältnis zueinander. Ich bin heute hergekommen, um den Anwesenden türkischen Zyprern zu sagen, dass ich Krieg ablehne."
    Nur wenige Meter von der Pinakothek von Paphos entfernt, beginnt im neu restaurierten Theater "Attikon" eine für Zypern so außerordentliche Kunstausstellung, dass der Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiadis, sie persönlich eröffnen will. In seinen Worten spürt man Betroffenheit.
    "Die Rettung der Arbeiten eines griechisch-zyprischen Künstlers durch einen türkisch-zyprischen Kollegen sollte uns auch in der Politik ein Beispiel sein. Ich möchte hiermit die Hoffnung aussprechen, dass unsere Bemühungen, alle Zyprer zu vereinen, zur Zufriedenheit beider Seiten führen wird."
    Brückenschlag für einen neuen Anfang
    In "Risky Travels", gefährliche Reisen also, werden Skulpturen des Griechen Anti Hatziadamos und des Türken Baki Bogac, aus Metall, Stein und Holz gezeigt. Der Initiator der Ausstellung war Serge Hatziadamos.
    "Ich danke der diesjährigen Kulturhauptstadt Paphos, die es mir ermöglicht hat, die Werke meines Vaters, Anti Hatziadamos, gemeinsam den Werken von Baki Bogac zu präsentieren. Gleichzeitig will ich Baki ehren, der die Arbeiten meines Vaters 1976 in der türkisch besetzten Stadt Ammohostos gefunden hat. Mein Vater hat damals als griechischer Zyprer über Nacht alles stehen und liegen lassen müssen, um zu fliehen. Baki war damals in seiner Eigenschaft als Architekt beauftragt worden, die Häuser der verlassenen Stadt zu registrieren. Er erkannte sofort den Wert der Arbeiten und hat diese ganze 17 Jahre in seinem Haus bewahrt."
    Bogac selbst hat sich nie mit der Teilung Zyperns abgefunden. Und drückt diese in seinen Werken mit Titeln, wie: "es ist genug", "alle gegen alle" oder "es wurde zum Knoten" aus. Baki Bogac.
    "Ich verstehe Kunst als einen politischen Ausdruck. Wir haben den Auftrag Menschen mit Hilfe der Kunst zu erklären, dass sie Dinge besser machen sollen. Kunst bedeutet für mich nicht einfach nur etwas Schönes zu kreieren. Ich mache Kunst, um für jene zu sprechen, die keine Möglichkeit haben, sich auszudrücken."
    43 Jahre nach der Teilung Zyperns scheint der Brückenschlag für einen neuen Anfang zwischen griechischen und türkischen Zyprern so gut zu sein, wie nie. Die Kulturhauptstadt Paphos versucht mit intelligent gemachten Projekten dazu etwas beizutragen.