Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Kultusminister zum Digitalpakt
Förderzusagen für Schulen werden "jetzt purzeln"

Fünf Milliarden Euro sollen verteilt werden, um Deutschlands Schulen mit zeitgemäßer Technik auszustatten - aber bislang sind nur 20 Millionen geflossen. Der administrative Aufwand sei erheblich gewesen, aber der Vorlauf sei jetzt überall durch, sagte der hessische Kultusminister Alexander Lorz im Dlf.

Alexander Lorz im Gespräch mit Benedikt Schulz | 24.01.2020
Alexander Lorz (CDU), hessischer Kultusminister, in Frankfurt/Main.
Der Digitalpackt ist auf fünf Jahre angelegt - am Ende würden alle Schulen an Bord sein, so Alexander Lorz (dpa)
Benedikt Schulz: 20 Millionen Euro sind bislang bewilligt aus dem Digitalpakt, sieben Monate nach Start. Das ist zumindest das Ergebnis einer Recherche des "Berliner Tagesspiegels", also weniger als ein Prozent. Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen, denn zu den sieben Monaten seit Start kommen ja noch die gut zwei Jahre dazu, in denen schon über den Pakt gestritten wurde, also eigentlich eine ganze Menge Zeit, um sich schon mal den einen oder anderen Gedanken darüber zu machen, wohin denn mit dem Geld. Es scheint aber schwieriger zu sein. Ein paar Bundesländer haben bislang noch überhaupt kein Geld abgerufen, und für die Schülerinnen und Schüler läuft die Zeit derweil natürlich weiter. Am Telefon ist Alexander Lorz, Kultusminister von Hessen und laut Medienberichten eines der Bundesländer, in denen bislang noch kein Euro geflossen ist. Er sagt nun, stimmt so nicht, seit Mitte Januar sind nämlich die ersten Gelder gekommen. Fragen wir nach. Hallo Herr Lorz, ich grüße Sie!
Alexander Lorz: Schönen guten Morgen!
Schulz: Also ich habe es gesagt - Sie sagen, in Hessen sind bereits die ersten Gelder geflossen. Vielleicht können Sie mal kurz einordnen, von welcher Größenordnung reden wir denn da?
Lorz: Im Moment haben wir bei uns Anträge im Volumen von etwas über zwölf Millionen Euro zur Bewilligung vorliegen. Das betrifft 160 Schulen, und die erste Förderzusage in Höhe von einer halben Million Euro hat der Ministerpräsident persönlich in der vergangenen Woche an die Stadt Offenbach übergeben. Insofern ist der Bericht im "Tagesspiegel" tatsächlich nicht mehr zutreffend. Sie können sagen, das verändert sich jetzt im Prinzip von Tag zu Tag. Das gilt für alle Bundesländer.
Verwaltungsvorgänge und Gesetzgebung brauchten Zeit
Schulz: Trotzdem muss man doch sagen: Dafür, dass der Streit um diesen Digitalpakt so langwierig war – dass er langwierig war, werden Sie mir sicherlich zustimmen –, dafür ist es doch mindestens verwunderlich, dass es so lange dauert, bis Geld fließen konnte, nicht nur bei Ihnen, sondern überhaupt auch bei allen anderen. Warum hat es so lange gedauert?
Lorz: Umgekehrt wird ein Schuh draus. Gerade weil es bis zum Abschluss des Digitalpaktes so lange gedauert hat - Klammer auf, das lag jetzt nicht an den Ländern, Klammer zu - , sondern das lag an sehr grundsätzlichen Differenzen, die weit über den Digitalpakt hinausgingen; gerade deswegen konnte man sich ja im Vorhinein nicht einfach sozusagen vorsorglich darauf einstellen. Nun bedarf es, wenn wir von solchen Investitionssummen reden – ich meine, fünf Milliarden Euro ist ja auch kein Pappenstiel –, dann bedarf es natürlich da auch entsprechender Verwaltungsvorgänge. Wir brauchen Förderrichtlinien, die müssen auch wieder zwischen Bund und Ländern abgestimmt werden. Wir brauchten in Hessen ein eigenes Gesetz, das liegt aber auch daran, weil wir aus hessischen Mitteln den Digitalpakt noch mal in einer Art und Weise aufstocken, wie das kein anderes Bundesland tut. Das muss aber auch erst mal vom Landtag verabschiedet werden, Förderrichtlinien müssen verabschiedet werden. Dann müssen die Anträge gestellt werden, die müssen begutachtet werden. Das braucht alles seine Zeit, aber dieser Vorlauf ist jetzt überall durch, und deswegen werden Sie jetzt sehen, wie Tag für Tag und Woche für Woche sozusagen die Förderzusagen purzeln werden.
"Digitalisierung auf neue Stufe gehoben"
Schulz: Jetzt hat Ihre Parteikollegin, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, gesagt, das Wichtigste sei schließlich Qualität und dass die Schulen vor der Antragsstellung ein didaktisches Konzept erarbeiten. Sicherlich nicht falsch, aber das mindestens hätte man doch erwarten können, dass es ein didaktisches Konzept für die Digitalisierung von Schulen nicht erst seit Beginn des Digitalpaktes gibt.
Lorz: Nein, es sind ja auch schon ganz viele Schulen auf diesem Weg unterwegs gewesen. Sie können bei uns in Hessen auch schon jede Menge gelungener Beispiele für Digitalisierung von Schulen besichtigen, die wir auch schon vor dem Digitalpakt aus eigenen Mitteln gemacht haben. Das wird jetzt nur einfach auf eine neue Stufe gehoben mit dem Digitalpakt. Dafür sind wir ja auch dankbar. Wenn Sie schauen, dass zum Beispiel unsere Förderrichtlinie nach Abstimmung mit Bund, Landesrechnungshof und so weiter seit dem 2. Dezember in Kraft ist und dass am 16. Januar bereits die erste Förderzusage übergeben worden ist – das sind gerade mal keine sechs Wochen, und da war noch Weihnachten zwischendrin –, dann sehen Sie, da lagen natürlich fertige Konzepte in den Schubladen, weil sonst hätte man das niemals so schnell auf den Weg bringen können.
Kommunale Schulträger treffen Investitionsentscheidung
Schulz: Jetzt wurde vergangenes Jahr mehrfach kritisiert, dass die Bundesländer – da spreche ich Sie jetzt gar nicht direkt als Land Hessen an –, dass die Bundesländer selbst gar nicht so ganz genau wissen, wie es um die technische Ausstattung an ihren Schulen bestellt ist. Ist das so?
Lorz: Das ist teilweise richtig. Das hat aber den ganz schlichten Grund, dass das auch keine Landesangelegenheit ist, sondern das ist eine Ausstattungsfrage, die liegt bei den kommunalen Schulträgern. Die kommunalen Schulträger sind dem Land gegenüber da nicht berichtspflichtig, und deswegen fließt ja auch das Bundesgeld keineswegs an die Länder – wir sind da ja sozusagen nur die Mittler, die das weitergeben –, sondern das ist im Prinzip eine Bundesunterstützung für Investitionen, die eigentlich dann die Kommunen vornehmen. Wir arbeiten jetzt natürlich eng zusammen, wir stimmen uns beispielsweise in Hessen in sogenannte regionalen Steuergruppen, auch mit den kommunalen Schulträgern, ab. Deswegen bekommen wir natürlich über diesen Prozess auch ein Bild davon, wo die Bedarfe sind und wie es an den Schulen aussieht - aber, wie gesagt, grundsätzlich war das kommunale Angelegenheit, und die müssen das dem Land nicht mitteilen, was sie in den Schulen verbauen.
Vorreiter und Nachzügler beim Know-How in den Schulen
Schulz: Aber kann man denn sicherstellen oder kann man sich denn sicher sein, dass in den Kommunen bei den Schulträgern überhaupt digitales Know-how vorliegt, um solche Anträge zu stellen? Sie haben es ja gerade skizziert. Ganz einfach ist das ja offensichtlich nicht.
Lorz: Nein, das ist durchaus unterschiedlich. Es gibt, wie überall, Schulträger, die sind da ganz hervorragend ausgestattet und auf der Höhe der Zeit, und es gibt andere, die haben da in der Vergangenheit nicht so viel Wert darauf gelegt. Das müssen sie jetzt in der Tat auf einen einheitlichen Standard bringen. Das ist die große Chance, aber auch die Herausforderung des Digitalpakts, und dafür geben wir als Land natürlich auch entsprechend Hilfestellung. Zum Beispiel in Hessen sind wir gerade in den letzten Zügen, was den Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit den kommunalen Schulträgern anbetrifft, wo auch entsprechende Mindeststandards festgelegt werden sollen.
Schulz: Das wäre jetzt meine Frage. Also würden nicht von dem Digitalpakt mindestens mittelfristig diejenigen profitieren, die sozusagen schon sich Konzepte erarbeitet haben, Know-how erarbeitet haben - jetzt nicht erst in den letzten zwei Jahren, sondern in den letzten, ich sage mal, zehn Jahren?
Lorz: Der Digitalpakt ist ja auch ein Programm, das auf fünf Jahre angelegt ist. Natürlich wird es so sein, das liegt in der Natur der Sache, dass diejenigen, die sozusagen schon immer vorne dran waren, jetzt auch da zeitlich vorne dran sind und die anderen vielleicht etwas länger brauchen. Aber dieser Zeitraum von fünf Jahren gibt uns genug Gelegenheit, um am Ende alle an Bord zu haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.