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Kultusministerkonferenz vs. Bund
Knoten in der Bildungspolitik

Schulpolitik ist Ländersache. Doch was bringt beispielsweise ein Numerus Clausus, wenn Abiturnoten nicht vergleichbar sind? Die Kulturminister ringen um mehr Vergleichbarkeit - und um Abgrenzung vom Bund. Sie wollen vermeiden, dass ein geplanter Nationaler Bildungsrat zu viel Einfluss nimmt.

Von Christiane Habermalz | 14.06.2018
    Abitur-Klausuren werden in Stuttgart im Regierungspräsidium sortiert und für die Zweitkorrektur verteilt.
    Bildungspolitik ist Ländersache: Im Vergleich zu anderen Bundesländern, haben Schüler in Sachsen-Anhalt weit mehr Leistung für ihr Abitur zu erbringen. (picture-alliance/ dpa / Franziska Kraufmann)
    Der Streit ist sozusagen vorprogrammiert. Ganze drei Stunden hat die Kultusministerkonferenz, die KMK, der Länder in Erfurt für die Aussprache mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek eingeplant - nur für das Thema Nationaler Bildungsrat. Das geplante Beratungsgremium - besetzt mit Bildungsforschern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Bildungspraktikern - soll mit seiner Expertise für mehr Vergleichbarkeit und Transparenz im Bildungswesen sorgen. Bei Abiturnoten, den Bildungsstandards und in der Unterrichtsqualität sollen die zum Teil großen Unterschiede zwischen den Ländern angeglichen werden. Doch wer in dem Gremium künftig das Sagen haben soll - die Länder oder der Bund - darüber herrscht maximale Uneinigkeit.
    "Was uns verblüfft hat, war die Idee, dass der Bund hier in diesem Gremium mit mehr Stimmen vertreten sein soll als alle Bundesländer zusammen. Und das ist ehrlicherweise eine Sache die überhaupt nicht akzeptabel ist!"
    Kritisierte der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe, zugleich auch Sprecher der SPD, der grün- und linksregierten Kultusministerien in der Kultusministerkonferenz.
    "Die, die das machen, bezahlen sollen, die müssen doch da eingebunden werden!"
    Angst vor zu viel Einfluss des Bundes
    Die Länder wollen um jeden Preis vermeiden, dass der Rat ihnen mit seinen Empfehlungen ihre Bildungspolitik künftig vorschreiben könnte - und dass der Bund sich über diesen Umweg zu viel Einfluss sichern könnte. In einem Gegenentwurf der Kultusministerkonferenz sollen daher die Länder eine Zwei-Drittel-Stimmenmehrheit haben. Vor allem aber: Ohne ihre Zustimmung soll keine öffentliche Empfehlung des Rats ausgesprochen werden dürfen. Karliczek lehnt das ab.
    Die Entscheidung über die Umsetzung der Empfehlungen werde am Ende bei den Ländern liegen, betonte sie im Vorfeld. Doch der neue Nationale Bildungsrat dürfe auch kein verlängerter Arm der Kultusministerkonferenz sein - dann könne man auch gleich ganz auf ihn verzichten. Unterstützung erhielt die CDU-Politikerin vom bildungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Albrecht Rupprecht.
    "In der Sache, glaube ich, ist die entscheidende Frage: Soll der Bildungsrat eine neue Qualität bringen oder soll es ein Anhängsel an bestehende Institutionen mit keinem Mehrwert sein. Zweiteres bringt überhaupt nichts - ersteres ist notwendig."
    Streit über Digitalpakt-Umsetzung
    Zweiter Streitpunkt in Erfurt dürfte der Digitalpakt sein, mit dem der Bund die Schulen für das digitale Zeitalter rüsten will. Hier erwarten die Länder eine schnelle Umsetzung der Eckpunkte, die bereits 2016 unter Karliczeks Vorgängerin Johanna Wanka zwischen Bund und Ländern ausgehandelt worden waren. Doch die Union im Bundestag befürchtet, die Länder könnten, sobald sie das Geld vom Bund erhalten, eigene Anstrengungen bei der digitalen Ausstattung der Schulen zurückfahren. In einem Positionspapier warnen sie vor "Mitnahmeeffekten" bei den Ländern.
    "Dadurch stärken wir Forschung und Bildung nicht", so Rupprecht. "Das ist Verschiebebahnhof. Linke-Tasche-Rechte-Tasche kann nicht die Lösung sein. Sondern die Lösung muss eine gemeinsame Kraftanstrengung sein."
    Unsicherheit über Kostenbeteiligigung der Länder
    Dissens gibt es auch beim Zeitplan. Karliczek will, bevor sie ihre Unterschrift unter den Digitalpakt setzt, erst das Grundgesetz ändern - ihre Versicherung dafür, dass der Bund nicht wie bisher einfach nur Geld geben, aber dann keinen Einfluss auf dessen Verwendung nehmen kann. Das aber könnte die Auszahlung des Geldes, auf das die Schulen dringend warten, noch weiter verzögern.
    Und noch ein Problem dürfte die Verhandlungen erschweren. Beim Bund-Länder-Finanzpakt, der letzten Sommer verabschiedet wurde, wurde festgelegt, dass für jede Bundesinvestition ein Länderanteil erforderlich ist. Dass dies auch den Digitalpakt betreffen könnte, daran hatte schlicht niemand gedacht. Auf die Länder kommt jetzt also für die fünf Milliarden, die der Bund in die Digitalisierung von Schulen stecken will, eine Kostenbeteiligung hinzu - wie hoch, weiß niemand genau. Irgendetwas - heißt es vage - zwischen zehn und 40 Prozent. Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD, ist dennoch zuversichtlich, dass am ersten Januar 2019 das Geld aus dem Digitalpakt fließen kann:
    "Was uns jetzt fehlt, ist die Klärung von Fragen, die jetzt im Prozess aufgetaucht sind, und die Unterschrift des Bundes unter eine Bund-Länder-Vereinbarung. Und da erwarten wir von der Regierung, dass es da jetzt auch konstruktive Vorschläge gibt, um den Knoten aufzulösen."