Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Kummerkasten für Soldaten

Die Berichte des Wehrbeauftragten lenken jedes Jahr die Aufmerksamkeit auf die Sorgen und Nöte der Soldaten. Der Wehrbeauftragte arbeitet im Namen des Bundestags und unabhängig von der militärischen und politischen Führung der Bundeswehr. Heute vor 50 Jahren hat der Bundestag seinen ersten Wehrbeauftragten gewählt.

Von Matthias Rumpf | 19.02.2009
    Das Vorbild für den deutschen Wehrbeauftragten fand sich in Schweden. Dort überwacht seit 1905 ein besonderer Militärombudsmann im Auftrag des Parlaments die Einhaltung der Gesetze in der Armee. Jeder Soldat hat das Recht, sich jenseits des Dienstweges direkt an ihn zu wenden. Ein fremdes, ja revolutionäres Konzept für das von Drill und Unterordnung geprägte deutsche Militär. Doch als kaum zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Bundesrepublik die Wiederbewaffnung anstand, war es ein zentrales Anliegen, ein neues Leitbild für den deutschen Soldaten zu schaffen.

    "Als Verteidiger kann nur der überzeugte und handwerklich hochwertige Einzelkämpfer bestehen, der sich aus Einsicht ein- und unterordnet. Die Streitkräfte müssen also alles tun, die Persönlichkeitswerte zu entwickeln, das heißt dem Einzelnen weitgehend Raum zur persönlichen Verantwortung und Initiative zu gewähren."

    So Wolf Graf von Baudissin, einer der geistigen Väter der Idee des "Staatsbürgers in Uniform". Im März 1956 wurden dann die rechtlichen Grundlagen für die Wiederbewaffnung gelegt und auch Art 45b ins Grundgesetz aufgenommen.

    "Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen."

    Es dauerte allerdings über zwei Jahre, bis sich der Bundestag auf ein Ausführungsgesetz einigen konnte. Umstritten war vor allem, wie abhängig der Wehrbeauftragte von der Regierungsmehrheit sein sollte. Der SPD-Politiker Fritz Erler fragte im April 1957 im Bundestag

    "Was sollte dieser Wehrbeauftragte? Es ist doch keine rein technische Institution, ein Briefkasten, sondern es handelt sich doch darum, dass eben nicht einfach ein neues Organ geschaffen wird, von dem der Staatsbürger den Eindruck hat, dass es genauso wie die Regierung sein Vertrauen nur von der Regierungsmehrheit bezieht. Die Kontrollfunktion wird nicht ausgeübt für einen Teil des Parlaments, sondern die Kontrollfunktion wird ausgeübt für das ganze Parlament."

    Am Ende blieb es bei Wahl und Abberufung des Wehrbeauftragten mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, allerdings mit einer Amtszeit von fünf Jahren, was den Wehrbeauftragten zumindest etwas unabhängig vom Regierungslager machte. Nach intensiver Suche wurde dann am 19. Februar 1959 der CDU-Politiker und ehemalige Wehrmachtsgeneral Helmuth von Grolman zum ersten Wehrbeauftragten gewählt. Der machte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt dem Verteidigungsminister gleich ein Angebot.

    "Ich könnte mir auch denken, dass der Herr Verteidigungsminister aus meiner Aufgabe durchaus auch Positives entnehmen könnte. Denn er hat mal jemand unbefangenes - will ich mal sagen -, der an der untersten Stelle die Sorgen und Nöte hört, so Gott will. Nicht wahr. Und dass er sie sehr schnell an ihn herantragen kann. Während, wenn das auf dem üblichen Dienstweg nach oben geht, wahrscheinlich die Dinge schon sehr gemildert oben erscheinen. Während ich ja aus meinem direkten Konnex mit den Soldaten das ungeschminkt ins Ohr kriege."

    Franz-Josef Strauß, der damalige Verteidigungsminister, wollte davon allerdings nichts wissen. Er war damit beschäftigt, innerhalb kürzester Zeit eine Armee mit einer halben Million Soldaten aus dem Boden zu stampfen und konnte dabei keine Störung durch Kritik von unten gebrauchen.

    Als Grolmans erster Bericht allzu deutlich auf die Schwierigkeiten beim Aufbau der Bundeswehr hinwies, musste er wegen Kompetenzüberschreitung gehen. Über die Kompetenzen des Wehrbeauftragten wurde und wird weiter gestritten, doch das Verhältnis zum Verteidigungsminister hat sich weitgehend normalisiert. Heute ist durch die Auslandseinsätze auch der Wehrbeauftragten mehr gefordert. Reinhold Robbe, der jetzige Amtsinhaber.

    "Die meisten Eingaben, das heißt etwa zwei Drittel, beschäftigen sich mit den Rahmenbedingungen der Soldaten, also wenn es um Bezahlung, um Verpflegung, um Unterkunft, um diese ganzen Dinge geht. Und ein Drittel der Eingaben beschäftigt sich mehr oder weniger mit Fragen der inneren Führung, wo Vorgesetzte versagen, wo Dinge passieren, die gegen geltendes Recht verstoßen, bis hin zu Sachen, mit denen sich der Staatsanwalt zu beschäftigen hat."

    Basis der Arbeit bleiben diese rund 6000 Eingaben, die der Wehrbeauftragte im Jahr erhält. Und die Besuche bei der Truppe, die er im Schnitt einmal pro Woche - meist unangemeldet - absolviert.