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Kunst kommt nicht von Langeweile

Die Ankündigung eines sonntäglichen Museumsbesuchs löst bei Kindern oft das große Gähnen, im schlimmsten Fall gar blankes Entsetzen aus. Daran etwas zu ändern, haben sich aktuelle Kinderkunstführer vorgenommen.

Von Claudine Engeser | 24.07.2010
    Mit dem Begriff Museum verbinden viele Kinder sie gähnende Langeweile. Komische Bilder, die viel zu hoch hängen. Und strenge Aufseher, die sofort ankommen, sobald man sich einem Bild nähert oder zwischen den Besuchern herumrennt. Also eher keine Aussicht auf spannende Freizeitgestaltung.

    Museumsdirektor Andreas Blühm vom Kölner Wallraf-Richartz-Museum sieht das völlig anders. Für ihn ist das Museum kein verstaubter Ort für alte Leute. Sondern bestens geeignet für Kinder.

    "Ich glaube, dass ein Ausflug ins Museum genauso attraktiv sein kann wie ein Zoobesuch. Ein Museumsbesuch gilt ja als Bildung und schwer , man muss was wissen und still sein, darf nicht toben und kein Eis essen. Was das Letzte betrifft, das stimmt. Man darf kein Eis essen im Museum, also in den Gemäldesälen- lieber nicht. Aber ansonsten kann man sich da auch unterhalten und laut sein. Und man muss auch nicht alles wissen."

    Andreas Blühm ist nicht nur Museumsdirektor, sondern auch Autor des Buches "Fit für's Museum". Mit seinem Ratgeber wendet sich aber nicht nur an Kinder, sondern vor allem an die Eltern - schließlich will er der ganzen Familie Lust auf Kunst machen. Andreas Blühm:

    "Man kann das, ohne dass das Museum viel dafür tun, selbst als einen sehr spannenden Familienausflug gestalten."

    Dafür hat Andreas Blühm in seinem Buch jede Menge Tipps parat, unterstützt von Klaus Stuttmannns witzigen Karikaturen, die so manche Museumsszenerie auf die Schippe nehmen und die Lektüre so auch Kindern schmackhaft machen, die nicht so gerne lesen. Grundsätzlich eher in einer Sprache für die Erwachsenen geschrieben, spricht Blühm in Text-Kästen, durch grauen Hintergrund hervorgehoben, die Kinder direkt an:

    Nimm dir zuhause ein paar Gegenstände, die du besonders gerne hast, und schreibe eine Beschriftung. Vielleicht weißt du auch noch, woher du sie bekommen hast. Bespiel: Teddybär Felix, 50 cm hoch, Stoff und Strohfüllung, geschenkt Weihnachten 1999 von Tante Irma. Was möchtest du noch über das Spielzeug mitteilen?

    Natürlich läuft so ein Museumsbesuch nicht immer nach Plan, schließlich sind Kinder keine Roboter. Aber das macht so einen Ausflug für Eltern, Pädagogen und auch für Andreas Blühm und sein Team immer wieder aufs Neue spannend:

    "Wir haben festgestellt, dass die Kinder und die jungen Jugendlichen, ab acht Jahren manchmal genau auf die Dinge reagieren, wo wir gedacht haben, das ist das Letzte, womit sie angefangen hätten.

    Also, wir haben Historienmalereien von Peter Paul Rubens. Naja, dass nun da gerade die Kinder drauf abfahren, wie es heute so schön heißt, das hätte ich nie gedacht. Das ist aber der Fall. Wir haben einmal eine Ausstellung gemacht und wir haben Schulklassen gebeten, ihr Lieblingsbild auszusuchen. Das war dann statt der bunten Bilder, ein Kupferstich mit so einer Wildschweinjagd. Da wäre ich nie drauf gekommen."

    Aber was genau ist es, das die Wildschweinjagd-Szene so spannend macht? Ist es die dramatische Darstellung der Jagdszenerie - und der dazu in krassem Gegensatz stehende hellblaue Himmel? Oder ist es die wilde, barocke Dynamik, mit der sich Hunde und Menschen, hoch zu Roß oder zu Fuß, im Schatten der mächtigen Bäume bewegen? Am besten, man schaut selbst einmal im Wallraf-Richartz-Museum nach.

    Auch Bücherreihen wie "Kinder entdecken Kunst" aus dem Berliner Kindermann Verlag wollen den Kindern die Kunst nahe bringen. "Wer ist eigentlich dieser Matisse?", "Wer ist eigentlich dieser Miró?", "Wer ist eigentlich dieser Kandinsky?" Oder "Wer ist eigentlich dieser Picasso?" nennt die Kunsthistorikerin Britta Benke ihre Kunstbüchern für Kinder und versucht auf diese Fragen Antworten zu geben. In allen vier Bänden ihrer Serie "Kinder entdecken Kunst", begibt sich die in Düsseldorf lebende Autorin auf eine Reise durch Leben und Werk des jeweiligen Künstlers und eröffnet jungen Lesern ab sechs Jahren die fantastischen Welten ihrer vielschichtigen Arbeiten. Anhand zahlreicher Bilder und Fotos beantwortet die Kunstpädagogin Benke viele Fragen rund um das Schaffen der Künstler, kindgerecht und anschaulich. Und erklärt zum Beispiel wie Farben, Formen und Musik in den Werken des russischen Malers Wassily Kandinskys zusammenhängen oder ob man den Farben Töne zuordnen kann. Der Text ist leicht verständlich und die Sprache einfach.

    "Kandinsky hat seinem Bild den Zusatztitel 'Konzert' gegeben. Er hat es wenige Tage nach dem Besuch einer Musikaufführung gemalt. Konzert? Jetzt erkennst du es vielleicht auch! Diese große schwarze Fläche könnte das Instrument sein, das so ähnlich aussieht wie ein Klavier: ein Konzertflügel. Und links, nur mit ganz einfachen Umrissen und Farbklecksen angedeutet, die Menschen, die zugucken.

    Was meinst du: Können Farben klingen wie Töne in der Musik? Kandinsky meinte, dass man Farben nicht nur sehen, sondern auch hören kann. Die Farbe Gelb zum Beispiel klang für ihn wie ein laut geblasener Trompetenton. Orange glich für ihn dem Klang einer Kirchenglocke. Grün erinnerte ihn an die ruhigen, mitteltiefen Töne einer Geige. Und leuchtendes Zinnoberrot? Das schien ihm wie heftige Trommelschläge!"


    Zu Beginn eines jeden Buches dieser Reihe stößt man auf eine Kinderzeichnung: Bei Pablo Picasso ist es eine Buntstiftzeichnung, die er gemeinsam mit seinen Kindern gemalt hat, bei Kandinsky die Abbildung seiner Familie, gemalt von seinem Patenkind oder bei Joan Miró eine frühe Kinderzeichnung von ihm selbst: "Der Hühneraugendoktor". Britta Benke:

    "Was ich wichtig fand, jetzt um sie als Aufhänger zu nehmen für meine Kinderkunstbücher, war die Tatsache, dass es alles Maler sind, die selber von Kinderzeichnungen beeinflusst sind und auch Kinderzeichnungen gesammelt haben. Und das ist einer der Punkte meines Konzepts gewesen: Wo ich gedacht habe, es muss eine Brücke geschaffen werden, wie ich die Kinder erreichen kann. Und das spüre ich immer wieder, dass die Kinder diese Brücke, dass das ein so großer Maler ist, der Kinderzeichnungen gut fand, so dankbar aufnehmen."

    Das Konzept geht auf: Denn die Kinder nehmen nicht nur diese Brücke an: Besonders mögen viele die ausführliche Biografie, die ihnen viel über das Leben des Künstlers erzählt. Wo hat er gelebt? Wie hat er gelebt? Wie sahen seine Kinder aus? Daten und Stationen, schön dokumentiert mit ausgewählten Privatfotos des Künstlers. Wie zum Beispiel eins von Henri Matisse, der in seinem Sessel sitzt, das Skizzenbuch auf den Knien. In der rechten Hand hält er den Stift, in der anderen eine seiner weißen Pfauentauben, die in seiner Villa Le Rève frei herumspazieren durften. In seiner Arbeit orientierte sich Henri Matisse stark an Kindern:

    "Matisse war begeistert davon, welch einfache Formen Kinder beim Zeichnen und Malen verwenden und wollte dieselbe Einfachheit auch in seiner eigenen Kunst erreichen. Stell dir vor: Eine Zeichnung von seinem Sohn gefiel ihm sogar so gut, dass er sie in zwei eigenen Bildern als Hintergrund verwendet hat. Als er schon ein berühmter Maler war, sagte er: 'Man muss die Welt zeitlebens mit den Augen eines Kindes betrachten.'"

    Auch auf ihren Ausflügen mit Schulklassen in die Museen der Stadt erfährt die Kunstpädagogin Britta Benke oft Erstaunliches:

    "Wir waren vor Kurzem mit der ersten Klasse im K21. Sie glauben es nicht: 20 Minuten lang sitzen wir vor einem Bild von Matisse. Die Kinder sitzen da, sie langweilen sich nicht. Sie löchern einen mit Fragen. Es gibt nichts, was sie mehr interessiert als dieses Bild. Man kann die Kinder also erreichen. Mit dem richtigen Dreh kann man es schaffen, sie ganz nah heranzubringen an die Kunst."

    Britta Benke glaubt fest an das große Potenzial der Kinder und erkennt darin eine große Chance:

    "Man darf Kinder nicht unterschätzen. Sie sind so nah an der künstlerischen Botschaft. Das ist in dem Alter noch so da und das nehme ich so gerne auf."

    Angeleitet durch weiterführende Fragen werden die Kinder dazu angeregt, sich intensiv mit den Bildern der Künstler zu beschäftigen.

    "Auf welchem Bild in diesem Buch hast du schon einmal ganz ähnlich gemalte Hände gesehen, die wie ein Kaktus aussehen?"

    Ans Ende ihrer Bücher hat Britta Benke jeweils einen Workshop angehängt - mit Tipps und Anregungen, wie die Kinder selber einmal ausprobieren können, wie die Künstler zu arbeiten: Eine Schablone á la Kandinsky anzufertigen, mit der Schere zu zeichnen wie Matisse, oder wie Picasso, Alltagsgegenstände zu sammeln.

    Wer dann, über die Abbildungen hinaus, Lust bekommen hat, sich die erwähnten Bilder einmal im Original anzusehen, findet schließlich eine Liste mit den Namen der jeweiligen Museen, in denen die abgebildeten Arbeiten zu sehen sind.



    Eine komprimierte Übersicht über wichtige Künstler und Werke bietet der Prestel Verlag mit der Reihe "Kunst für Kids" an. In den Büchern "13 Künstler, die du kennen solltest", "13 Skulpturen, die du kennen solltest" oder "13 Bilder, die du kennen solltest" gibt die Autorin Angela Wenzel Kindern ab acht Jahren einen Querschnitt durch die Kunstgeschichte - von der Renaissance bis zur Moderne. Viele interessante Detailbilder mit ausführlichen Bildtexten und Quizfragen sollen das Interesse der Kinder anregen und lassen die Werke sehr lebendig erscheinen. Angela Wenzel, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung der Kunstsammlung Nordrhein Westfalen arbeitet, hat bei der Auswahl der Künstler und Werke folgende Kriterien zugrunde gelegt.

    "Es ist natürlich einmal die Frage, was mögen Kinder wohl gerne sehen. Dann ist die Auswahl natürlich dadurch bedingt: Was sind Skulpturen, die wirklich wichtig sind und die innerhalb der Entwicklung der Kunst einen wichtigen Markstein darstellen. Die also wirklich eine Bedeutung haben, die für andere Künstler wichtig waren etc., die für den Fortgang eine große Rolle spielen."

    So fiel die Wahl bei den Skulpturen auf Werke aus ganz unterschiedlichen Epochen, Materialien, Formen. Zum Beispiel auf Michelangelos imposanten David in Florenz, das spiegelnde Cloud Gate, das der indische Künstler Anish Kapoor zwischen 2004 und 2006 in Chicago errichtet hat , sowie den Strawinsky-Brunnen von Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely in Paris.

    Anleitungen mit praktischen Tipps sollen die Fantasie anregen:

    "Wie stellst du dir den Feuervogel vor? Du kannst ihn mit Wasserfarben malen, aus bunten Papieren kleben oder auch aus farbiger Modelliermasse kneten. Oder du formst ein Gerüst aus Kaninchengitterdraht und beziehst es mit Papiermaschee.

    Den Draht gibt es im Baumarkt."


    Bei den Bildern/Gemälden erklärt Angela Wenzel zum Beispiel "Den Feldhasen" von Albrecht Dürer, "Die Sixtinische Madonna" von Renaissance - Maler Raffael, "Die Sternennacht "von Vincent van Gogh oder "Die Nachtschwärmer" des amerikanischen Realisten Edward Hopper. Und selbst eine scheinbar so schwer zu vermittelnde Kunstrichtung wie der Abstrakte Expressionismus ist hier vertreten:

    "Jackson Pollock zum Beispiel musste dabei sein: Erstens gefällt es Kindern unheimlich gut, also sie können sehr viel damit anfangen, und wir haben und er Kunstsammlung dieses wunderbare Bild Nummer 32, und das liebe ich halt."

    Zitat: "Pollock legte seine Bilder zum Malen auf den Fußboden. So konnte er um die Leinwand herumgehen und von allen Seiten Farbe darauf schleudern. Die Arbeit erforderte den Einsatz seines ganzen Körpers und absolute Konzentration. Der Künstler war sozusagen 'voll in Aktion', deshalb nennt man diese Malerei Action-Painting."

    Angela Wenzel: "Einmal ist er als Person des Künstlers sehr aufregend und dann gibt es noch die entsprechenden Fotos und Filme, die als Filmstills abgebildet sind, wo man den Künstler in Aktion sieht.

    Und ich denke mir aber, und dafür spricht auch die Erfahrung in der Museumsarbeit, dass es den Kindern Spaß macht, mit Materialien zu experimentieren, die sie dann anders anwenden dürfen als auf einer begrenzten Fläche. Allein der Umgang mit der Farbe, die einfach mal tropfen zu lassen und zu spritzen, ist mal eine andere Erfahrung."

    Bei anderen Kunstwerken kommt ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: die Einbindung des Betrachters in das Werk. Mit Jan Vermeers "Mädchen mit dem Perlenohrring" hat Angela Wenzel auch hierfür ein gutes Beispiel gefunden: Der Blick des Mädchens wendet sich dem Betrachter zu und scheint ihn direkt anzusehen.

    "Das Mädchen schaut uns an und scheint uns etwas sagen zu wollen. Niemand weiß, wer sie ist. Vielleicht eine Tochter Vermeers? Das Mädchen mit dem Perlenohrring beschäftigte die Fantasie vieler Menschen. Ein Roman wurde zum Bestseller und 2003 sogar verfilmt. In dieser erfundenen Geschichte wird erzählt, das Mädchen sei eine Hausmagd der Familie gewesen."

    Dass vor allem für Kinder die Faustregel gilt "Man sieht nur, was man kennt, man erkennt nur, was man schon mal gesehen hat", weiß auch Museumsmitarbeiterin Angela Wenzel. Und hofft, durch die in ihren Büchern beschriebenen Kunstwerke und Künstler, auf einen Aha- Effekt im Museum oder im öffentlichen Raum:

    "So ein Buch, wenn es gut gemacht ist von der Gestaltung her, kann anregend sein, mal hinzugehen und die Originale anzusehen. So sollte es sein. Denn die Begegnung mit dem Original ist noch einmal etwas ganz anderes, aber ein Buch kann den Einstieg oder die Bestärkung dafür bilden."

    Am Ende eines jeden Buches dieser Reihe gibt es schließlich ein Glossar für Fachausdrücke und verschiedene Hinweise , wie zum Beispiel Internet-Links auf einen virtuellen Rundgang durch die Cheops-Pyramide. Eine historische Zeitskala verschafft den jungen Lesern einen einprägsamen Überblick über die Lebenszeit der Künstler sowie damalige wichtige:

    "Das ist Kunst" nennt der Dorling Kindersley Verlag seine Neuerscheinung im Sachen Kunst für Kinder. Auf knapp 140 Seiten ist es eins der umfassendsten Werke, die zurzeit für Kinder ab zehn Jahren auf dem Markt sind. Unterteilt wird in frühe Kunst, moderne Kunst und Bildhauerei. Gattungsbegriffe werden in insgesamt 140 Unterkapitel aufgeteilt, in denen teils Epochen, teils Mal-Techniken und teils künstlerische Einzelpositionen dargestellt und erklärt werden. Abstriche muss man eventuell beim Layout machen - Denn durch die Vielzahl an Informationen und Abbildungen könnten Kinder der empfohlenen Altersgruppe eventuell leicht überfordert werden. Schließlich führt uns das Buch durch die gesamte Kunstgeschichte. Begonnen wird in der Steinzeit.

    "Am Anfang war die Höhlenmalerei. Die Zeichnungen des Urmenschen. Obwohl viele Tausend Jahre alt, sind diese Bilder gut erhalten, dass sie oft tief in Inneren eines Berges oder unter der Erde nicht der Verwitterung ausgesetzt waren. Die Höhlenmenschen schufen diese Malereien im matten Schein eines flackernden Feuers mit Holzkohle oder einem Gemisch aus Wasser und Erde."

    Auf über 1000 Abbildungen und in anschaulichen, gut verständlichen Texten werden unter anderem Ausflüge in die ägyptische Kunst, die Malereien der Renaissance, zu den Göttern und Helden, in die Zeit des Rokoko und schließlich zu Franzisco de Goya. Das Kapitel über die Moderne Kunst thematisiert den Impressionismus ebenso wie den Expressionismus, abstrakte Kunst von Jackson Pollock, Pop-Art von Andy Warhol und Kriegsbilder ebenso wie Straßenkunst. Die Bildhauerei wird beispielsweise anhand von Michelangelo, Gustav Vigeland, Henry Moore oder Alberto Giacometti erläutert.

    "Giacometti war ein Perfektionist, der seine Figuren immer wieder überarbeitete. Selbst als er sehr berühmt und erfolgreich wurde, zerstörte er Werke, die ihm nicht gefielen, oder stellte sie beiseite und wandte sich ihnen erst wieder Jahre später zu."

    Auch in diesem Buch gibt es viele praktische Anleitungen, die man relativ problemlos und ohne großen Aufwand in die Tat umsetzten kann.

    "Forme Figuren im Stil von Giacometti: dünne Menschen oder Tiere aus Pfeifenreinigern oder anderen Drähten. Gestalte einige Figuren in ruhenden, andere in bewegten oder gebeugten Positionen."

    Den bekanntesten Werken und Künstlern ist je eine Doppelseite gewidmet. So kann nicht nur der Künstler selbst und eine seiner Hauptarbeiten, sondern auch seine Arbeitsweise und die Einordnung in ein spezielles Genre abgebildet und erläutert werden. Hier gibt es auch am äußeren Seitenrand jeweils eine recht ausführliche Künstlerbiografie. Die Gattungen werden anhand kleinformatigerer Abbildungen erklärt. Die Texte dazu sind schlicht formuliert, aber keineswegs naiv. Das Buch schließt mit dem englischen Künstler Damien Hirst, dessen mit Diamanten besetzter Schädel aus dem Jahr 2007, der als das teuerste Kunstwerk eines lebenden Künstlers gilt, plakativ und seitenfüllend in Szene gesetzt wird.

    "Tod ist ein zentrales Thema in den Werken Hirsts. 'Um der Liebe Gottes willen' ist ein mit 86001 Diamanten bestückter Platinabguss eines echten Schädels. Er ist eine Art Memento mori - ein Objekt, das uns an den Tod erinnern soll - und verbindet zwei der Leitmotive Hirsts: den Tod und den Wert seiner Arbeit. Hirst wurde zunächst mit einer Serie toter, teilweise sezierter Tiere (wie einem Tigerhai, einem Schaf und einer Kuh bekannt), die in Glasvitrinen in einer Formaldehydlösung ( ein giftiges farbloses Gas) konserviert sind."

    Ein umfassendes Glossar und ein Verzeichnis der Künstler machen das Buch fast schon zu einem Universallexikon. Für jüngere Kinder könnt es jedoch eventuell zu unübersichtlich wirken.



    "Die berühmtesten Gemälde der Welt" finden wir im gleichnamigen Buch von Rosie Dickins. Im Arena Verlag erschienen, stellt das soeben erstmalig auf Deutsch erschienene Werk fünfunddreißig Bilder aus allen Epochen vor. Darunter die betörenden "Seerosen am Morgen" von Claude Monet, Pablo Picassos Anti-Kriegsbild "Guernica" oder eins von Vincent van Goghs Sonnenblumenbildern aus den späten 1880er-Jahren.

    Auch Japans wohl bekanntestes Bild, "Die große Welle" des Künstlers Katsushika Hokusai, ist mit dabei. Darauf ist eine riesige Welle zu sehen, die sich vor drei kleinen Holzbooten aufbaut und sie gleich überrollen wird. Die Boote und die nur vage erkennbaren Seeleute scheinen der Gewalt des Meeres aussichtslos ausgeliefert zu sein. Im Hintergrund sieht man, eher klein, den Berg Fuji.

    "Dieses Bild erschien zunächst in einer Bildserie über den Berg Fuji. Es wurde mit geschnitzten Holzblöcken gedruckt- für jede Farbe brauchte man einen Block. Diese Blöcke wurden nacheinander mit Tusche bestrichen. Dann wurde das Papier darauf gepresst , sodass das endgültige Bild entstand. Weil es ein Druck war, konnte, der Künstler viele Abzüge machen und diese preiswert verkaufen. Dieser Druck wurde so beliebt, dass die Druckstöcke am Ende total verschlissen waren.

    Durch den Druckprozess ist die Anzahl der Farben und Schattierungen, die man verwenden kann, begrenzt- mit diesem Druck sind es nur sieben. Mit breiten Farbstreifen in Preußischblau wurden das Wasser, die Seemänner und der Berg dargestellt."


    Die verwirrend albtraumartige Szene aus Edvard Munchs "Der Schrei" entstand 1893. Vielen Kindern flößt dieses Bild Furcht ein: Der Kopf ist wie ein Schädel geformt, das Gesicht angstvoll verzerrt, die eigenartig geschwungenen Linien verdeutlichen das Echo des schrecklichen Lärms. Rosie Dickins erklärt in ihrem Buch aber nicht nur Herkunft und Stil des norwegischen Malers Munch, sondern interpretiert das Bild auf eine für Kinder verständliche Weise- ohne zu verstören.

    "Wer schreit? Die Figur hat den Mund weit geöffnet, so als ob sie schreien würde. Man könnte also meinen, der Bildtitel würde sich auf sie beziehen. Aber Edvard Munch erklärte, dass seine Inspiration zu diesem Bild von einem Schrei kam, den er auf geheimnisvolle Weise in der Welt um sich herum spürte:

    Ich ging die Straße entlang mit zwei Freunden. Die Sonne ging gerade unter. Plötzlich wurde der Himmel blutrot. Ich blieb stehen ... Meine Freunde gingen weiter- und ich stand da, zitternd vor Furcht. Ich spürte, wie ein lauter unendlicher Schrei durch alles ging."


    Einen ganz anderen Weg, Kindern die Kunst möglich kurzweilig nahe zu bringen, wählt Stefanie Sonntag, leitende Mitarbeiterin des Museumsdienstes der Stadt Köln. Ihr Buch "Zwei Engel büxen aus" ist kürzlich im Dresdener Sandstein Verlag zum dritten Mal neu aufgelegt worden. In leicht verständlicher Sprache und lockerem Erzählton lässt sie zwei sehr berühmte Engel zu Kunstführern werden.

    "Es ist ein ganz normaler Montag, der Tag, an dem das Museum geschlossen ist. Kein Besucher ist zu sehen, das ganze Haus ist gähnend leer. Da geschieht ganz hinten in dem Saal, wo die alten Bilder aus Italien hängen, etwas Eigenartiges. Dort befindet sich das berühmte Gemälde mit der Sixtinischen Madonna von dem Meister Raffael. Von weither reisen die Menschen an, um es zu bestaunen. Besonders lieben die Besucher die Engel, die am unteren Bildrand lehnen. Aber wer hat bemerkt, dass sie beiden sich langweilen? 'Wie lange sitzen wir eigentlich schon in diesem Bild?' fragt der keine Engel Angulus. 'Tja, wir gehören zu einem der ältesten Bilder in diesem Museum', stellt sein Freund Uriel rechts neben ihm fest. Er schließt die Augen und zählt im Geiste die Jahre ..."

    Dann passiert das Unerhörte: Angelus und Uriel klettern zum ersten Mal vom unteren Bildrand aus dem Gemälde heraus und brechen auf, um durch die altehrwürdigen Hallen der Dresdner Gemäldegalerie zu fliegen und um immer mehr interessante Kunstwerke entdecken. Sie beobachten erstaunt den "Trunkenen Herkules, von einer Nymphe und einem Satyrn geführt" von Peter Paul Rubens, mischen sich ein ins Kartenspiel der Falschspieler von Valentin de Boulogne, erschrecken sich über den Turmbau zu Babel von Marten van Valckenborch und wollen teilhaben am oftmals bizarren Geschehen, das sich farbgewaltig in den alten Gemälden abspielt.

    "Sie fliegen in den nächsten Saal. Da fällt ihr Blick auf ein riesiges Bild mit menschengroßen Figuren. Es zeigt die Hochzeit zu Cana von dem Maler Paolo Veronese. 'Oh , da wird ein Fest gefeiert- hier bleib ich!' , beschließt Angulus. 'Aber das ist doch ein Fest für Menschen', wendet Uriel ein. 'Was willst du hier, wenn es für uns nicht mal was zu trinken gibt?' Da gibt es doch nur Wein.' 'Aber schau doch, da links in der Ecke vor dem Tisch...'.Angelus kriegt Durst. 'Die Kinder trinken auch Wein- heimlich! Hm, ich will mal probieren.' Uriel hält ihn zurück. 'Willst du , dass es dir wie dem betrunkenen Herkules ergeht? Komm mal mit, ich zeig dir, wie das endet!' Uriel erinnert sich, dass manche Besucher davon sprachen."

    Die kleinen Barockengel machen es uns vor: Denn genauso sollten Ausflüge mit Kindern in Museen oder Galerien ablaufen: Genau hinschauen, suchen, finden und mit den darüber sprechen. Ein abenteuerlicher Rundgang, auf dem die Leser viel Wissenswertes erfahren. Die lustigen Illustrationen, durch die Angelus und Uriel die Originalbilder besuchen und teilweise auch interaktiv tätig werden, setzen dramaturgische Akzente. Stefanie Sonntags besondere Idee, sich von Wesen, die einem Werk des Museums entsprungen sind, durch die Gemäldesammlung führen zu lassen, ist durch und durch gelungen. Sie schafft es, mit ihrem Buch die Kinder dort abzuholen, wo sie gerade stehen und bedient sich alles andere als eines schulmeisterlichen Tons: Sie lässt die Engel freche Kommentare abgeben und die beeindruckenden Gemälde mit den Augen eines Kindes anschauen. Stefanie Sonntag:

    "Was auf jeden Fall da sein muss, ist , dass man die Perspektive des Kindes einnehmen muss. Die Perspektive der Zielgruppe natürlich. Wo ist der Anknüpfungspunkt zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit? Also , was ist das, was sie berührt, was sie gerade interessiert? Und inwiefern hat das Bild tatsächlich gerade etwas damit zu tun? Das ist sozusagen, der Zugang, den man ihnen schafft, den Zugang zu einer ganz eigenen Welt, wo sie dann ihren Teil finden."

    Den Zugang in die Welt der Kinder hat Stefanie Sonntag mit ihrem Buch gefunden. Dabei hat sie sich bei ihrer Arbeit im Museum, immer wieder aufs Neue von Kindern inspirieren lassen.

    "Weil Kinder manchmal wirklich die echt spannenden Ideen haben. Denn sie sehen Sachen, die wir nicht sehen. Sie sehen vor allem Sachen, die Kunsthistoriker schon lange nicht mehr sehen. Und das ist es, was wir hier als Gewinn empfinden."

    Und wer nun nach Lektüre dieser Kunstführer immer noch nicht den Weg ins Museum findet, dem bleibt nur noch eins: Selber malen!