Freitag, 19. April 2024

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Kunst und Klima
"Ich habe nie den Zeigefinger erhoben"

Ausstellungen in London, New York und Tokio sowie Performances weltweit. Tino Sehgal ist ein wichtiger Akteur der globalen Kunstszene. Seit vielen Jahren versucht er, klimafreundlich zu reisen. Lange galt er als "Künstler mit einer Macke", sagte er im Dlf. 2019 hat sich das Bild gewandelt.

Tino Sehgal im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 20.12.2019
Der Künstler Tino Sehgal fotografiert in einem Probenraum in Berlin-Mitte
Tino Sehgal - Künstler und Klimaschützer der ersten Stunde (imago images/Christian Kielmann)
Tino Sehgal macht Kunst, die sich "entwickelt", die im Zusammenspiel mit Zuschauern und Zuschauerinnen entsteht. Seine Werke sind Installationen, "konstruierte Situationen", heißt es. Er ist in London geboren, in Sindelfingen als Kind einer deutschen Mutter und eines indischen Vaters aufgewachsen. Schon sehr lange beschäftigt er sich mit Klimafragen und sieht sich selbst als jemand, der sich als Kind der 80er früh mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt hat. "Schon Anfang der 90er gab es eine Studie die besagte, dass ökologisch bewusste Menschen das wenigste CO2 verbrauchten," so Sehgal.
Mission und Moral
Er habe deshalb schon früh den Eindruck gehabt, dass Klimaschutz wenig mit reden, sondern eher mit Taten einher geht. Im Kunstbetrieb galt er lange als derjenige der "halt eine Macke hat, der fliegt nicht gerne, hat Angst vorm fliegen." Viele Jahre hat er sich nicht öffentlich zum Thema Klimaschutz geäußert.
"Ich habe mich nicht als Missionar verstanden, meine moralische Intuition war der stärkste Grund", erzählt Sehgal.
Mehr als theatralische Gesten
Kürzlich ist er mit dem Zug nach Asien gereist, 2006 war er das erste Mal mit dem Schiff in den USA. "Frachtschiffe sind keine wirkliche Alternative, da können nur sechs Menschen drauf. Ich kann das als Künstler als theatralische Geste zelebrieren."
Mittlerweile hat er die Webseite "atmosfair.de" für sich entdeckt, die ihm hilft die klimafreundlichste Reisealternative zu finden. Inzwischen sei das Thema Klimaschutz aber kein Randthema mehr und die Wahrnehmung habe sich gewandelt. "2019 bin ich vom verrückten Künstler zum ernst zu nehmenden politisch denkenden Menschen geworden- dafür bin ich dankbar."