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Kunst und Krise

Von der Kunst zu leben war in Griechenland schon vor der Krise schwierig. Jetzt ist die griechische Gesellschaft am Punkt null angelangt, glaubt die arbeitslose Tänzerin Evdokia Manohi. Dieser Punkt null könnte auch ein Startpunkt sein für etwas Neues.

Von Alkyone Karamanolis | 14.01.2012
    Ein Literaturcafé im Athener Stadtzentrum, vier Freunde. Die Performance-Künstlerin Stella Dimitrakopoulolu, die Tänzerin Evdokia Manohi, Giannis Loukos, Komponist, und die Foto- und Installationskünstlerin Natasha Papadopoulou. Vor einigen Monaten waren sie bei den Demonstrationen, die am nur wenige Meter entfernten Syntagma-Platz stattfanden. Damals, sagt Giannis Loukos, habe er gehofft, dass die Regierung fällt, dass die alten Politiker aus dem Parlament ausziehen und neuen Kräften Platz machen. Dieser Traum habe sich zerschlagen. Überhaupt: "Dies sind schwierige Zeiten für Träume", sagt Giannis Loukos.

    "Ich ziehe mich zurück auf die kleinen, auf die einfachen Dinge. Ich will nicht mehr als einen Job zum Überleben. Denn das, was mir wirklich erträume, nämlich zu vom Komponieren zu leben, ist schwer zu realisieren. Also rücken meine Träume zwangsläufig ins Private ab."

    Giannis Loukos komponiert gerade die Musik zu einem Kurzfilm. Was danach kommt, weiß er nicht. Ihre finanzielle Lage, die Lage am Kunstmarkt, die Lage im Land. All das ist nicht zu trennen von den Hoffnungen der vier Künstler für die Zukunft und von ihrem Ausblick aufs Jahr 2012. Von der Kunst zu leben war in Griechenland schon vor der Krise schwierig, sagt Natasha Papadopoulou. Sie ist vor zwei Jahren aus den USA nach Griechenland zurückgekehrt. Zunächst lief es gut, nun ist auch sie mit der Krise konfrontiert. Auf vielfältige Weise.

    "Ich sehe die Gefahr, dass wir Künstler ausgebeutet werden. Wenn es plötzlich kein Geld für Ausstellungen gibt, stellst Du Deine Arbeit zu egal welchen Konditionen zur Verfügung. Und die Kuratoren wissen das. Sie wissen, dass wir nicht anders können als Kunst zu machen und dass es für uns essenziell ist, unsere Kunst zu zeigen. Und sie nutzen das leicht aus."

    Vielleicht wäre jetzt die Zeit, die Kunst aus Galerien und Museen zu befreien und direkt zu den Menschen zu tragen, sinniert Natasha Papadopoulou. Vieles ist passiert im vergangenen Jahr: Ein Künstlerkollektiv hat ein Athener Theater besetzt und jungen Künstlern damit ein Forum geboten, ihre Arbeit zu präsentieren, es gab Festivals und Symposien. Natasha Papadopoulou sieht in der Krise auch die Chance, einiges neu auszuloten:

    "Damit es Veränderung gibt in Griechenland, müssen wir erst mal unsere Identität bestimmen. Wenn wir sagen, dass große Kunst durch großen Leidensdruck entsteht, dann müssen wir auch einmal überlegen, warum wir uns in dieser Lage befinden. Wir haben einen merkwürdigen Nationalstolz. Wir sind stolz auf eine Geschichte, die wir gar nicht richtig kennen. Das Christentum hat vieles zugedeckt, es hat unser kulturelles Gedächtnis mit vielen "Neins" bedacht. In Wirklichkeit sind wir sehr verwirrt."

    Die griechische Gesellschaft ist am Punkt null angelangt, glaubt auch die Tänzerin Evdokia Manohi. Sie meint das positiv. Obwohl sie infolge der Krise arbeitslos ist. Dieser Punkt null könne auch ein Startpunkt sein für etwas Neues:

    "Ich sehe die Krise als eine Chance, unsere Werte zu überdenken. Ich habe, nachdem ich ja eh keinen Job hatte, dieses Jahr ehrenamtlich gearbeitet. Das war wie eine Befreiung. Der Druck der Arbeit ist von mir abgefallen. Auch der Druck, dass meine Arbeit gefallen muss. Ich nehme mir nun mehr Zeit für meine Freunde, wir tauschen uns aus, wir planen Projekte, wir fassen Neues ins Auge."

    Mit dieser Sichtweise vom Nullpunkt als Startpunkt können sich die anderen drei anfreunden, auch, wenn sie insgesamt skeptischer in die Zukunft blicken als Evdokia Manohi. Denn: Wie lange kann man die Hoffnung am Leben halten, fragt sich Stella Dimitrakopoulou, bevor man etwas zurück bekommt. Sie wünscht sich Kraft, um zuversichtlich zu bleiben. Ähnlich sieht es Natasha Papadopoulou:

    "Ich wünsche mir, dass ich weiter das Bedürfnis verspüre, mich kreativ auszudrücken. Dass ich nicht dem Pessimismus erliege, diesem Gefühl, dass es eh keinen Sinn hat, Kunst zu machen, wenn wir nicht mehr ausstellen können, wenn wir nicht mehr davon leben können. In New York gab es einen Puls, der einen mitriss. Unser Problem in Griechenland ist, dass die Träume in den Seelen der Menschen sterben. Es gibt Familien, die können ihre Kinder nicht ernähren. Und es ist schwer, dem etwas entgegen zu halten, zu sagen, egal, ich mache eine Installation, ich baue drei Projektoren auf - wo soll ich die denn überhaupt herbekommen? Mit der Zeit passt man seine Träume den Gegebenheiten an."