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Kunstbau oder Kloschüsselimitat

Die vier Guggenheim-Museen in New York, Venedig, Berlin und Bilbao gelten als erfolgversprechende Ausstellungsorte und beliebte Sightseeingziele. Das erste Guggenheim Museum, von Architekt Frank Lloyd Wright gestaltet und von Kritikern als Kaffeemühle, Brummkreisel oder Kloschüssel verspottet, öffnete 1959 in New York sein Tore.

Von Jana Edelmann | 21.10.2009
    Wie ein weißes Schneckenhaus windet sich der Rundbau spiralförmig in den New Yorker Himmel. Mit seinen harmonisch-weichen Formen und seiner weißen Fassade hebt sich das Solomon R. Guggenheim Museum in Struktur und Farbe deutlich ab von dem rot-grauen Ziegelsteineinerlei der kantigen Büro- und Wohnblocks an der Fifth Avenue: Es ist ehrgeiziges Architekturwagnis und bedeutende Sammlung für moderne Kunst in einem. Das Museum - benannt nach seinem Stifter, dem Kupferhändler Solomon Robert Guggenheim - öffnete am 21. Oktober 1959 erstmals seine Pforten. Heute ist der Bau ein Markenzeichen von New York. Vor 50 Jahren aber war er Kristallisationspunkt heftiger Kritik:

    "'Das ist ein Krieg zwischen Architektur und Malerei, in dem beide schlimm verstümmelt worden sind', verkündete der Kunstkritiker John Canaday. Und Robert Moses, Kurator des Metropolitan Museum, befand, dass das Gebäude aussähe wie 'ein umgedrehtes Haferflockengericht'"."

    Die Reaktionen auf den spektakulären Bau Frank Lloyd Wrights waren tagelang Thema in der "New York Times". Die Kreativen der Branche zeigten sich skeptisch: In einem öffentlichen Protestbrief beschwerten sich 21 Künstler, dass ihre Bilder wegen des Aufhängesystems und der 3-Grad-Neigung der Wände schief angebracht seien. Doch der amerikanische Star-Architekt Wright ließ sich davon nicht verunsichern. Auch Verunglimpfungen wie "Kaffeemühle", "Brummkreisel" oder "Kloschüssel" konnten ihn nicht beeindrucken:

    ""Jemand sagte, das Museum sähe aus wie eine Waschmaschine. Ich halte solche Kommentare für wertlos.”"

    Schon 16 Jahre vor der Eröffnung hatte Wright den Auftrag erhalten - von der Baroness Hilla Rebay von Ehrenwiesen. Die Deutsche war die Beraterin Solomon R. Guggenheims und Kuratorin seiner 1937 gegründeten Stiftung. Rebay war es, die dem milliardenschweren Kunstliebhaber die gegenstandslose Malerei der europäischen Avantgarde näher gebracht hatte. Am 1. Juni 1943 umwarb sie den zukünftigen Architekten in einem handschriftlichen Brief:

    ""Jemanden, der den Raum liebt, einen Schöpfer, einen Ausprobierer, einen klugen Mann","

    ... wolle sie für den Museumsbau. Ein Auftrag mit Folgen - von nun an wurde die Architektur von Kunstmuseen ebenso wichtig wie deren Sammlungen. Was mit dem Stammhaus in New York begonnen hatte, sollte 1997 mit Frank Gehrys Guggenheimdependance im spanischen Bilbao fortgeschrieben werden. Bis nach Venedig und Berlin reicht das Filialnetz mittlerweile, Abu Dhabi ist in Planung. Diese Expansionsstrategie brachte dem Museumsimperium die Kritik ein, über dem Kommerz die Kunst zu vergessen. Das Globalisierungsstreben seines langjährigen Kurators Thomas Krens erklärte sich der Architekturkritiker Hanno Rauterberg so:

    ""Zum einen ist das Mutterhaus in New York relativ klein, insofern war er gezwungen, in die Welt hinaus zu gehen. Und das andere war, dass er vom Guggenheim Museum in New York gelernt hat, dass die Architektur etwas ganz Zentrales ist. Und daraus hat er den Schluss gezogen: Gut, was ist eigentlich unsere Kernkompetenz als Museum? Da hat er gesagt, die architektonische Anmutung ist ganz wichtig. Und aus diesen beiden Komponenten hat er dann gesagt, wir gehen raus in die Welt, und wir bauen dort neue, funkelnde tolle Museen."

    Um Kunstwerke der Guggenheimsammlung zu betrachten, ist es aber gar nicht mehr nötig, noch ins Museum zu gehen. Die Internetbilddatenbank "Guggenheim Images" macht gegen Lizenzgebühr Millionen Kunstwerke weltweit zugänglich und kommerziell verwertbar. Dennoch wurde die ursprüngliche die Idee der Guggenheimstiftung damit nicht aufgegeben, betont Thomas Krens:

    "Die Guggenheimcharta von 1937 enthält die Einrichtung eines Museums oder mehrerer Museen für zeitgenössische Kunst oder Kultur für ein größeres soziales oder öffentliches Wohl. Sie erwähnt Bildung, die Einbeziehung des Publikums - sie besagt nicht, man sollte dies oder das nicht machen. Museen als öffentliche Institutionen sind nur 200 Jahre alt. Vor 1789 war der Louvre ein Privathaus. Und so wie sich diese Einrichtungen verändert haben, haben sich auch ihre Programme weiterentwickelt."