Dienstag, 19. März 2024

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Kunstfestival
Antisemitismus-Debatte überschattet Ruhrtriennale

Vor der heute beginnenden Ruhrtriennale ist eine Antisemitismus-Debatte entflammt. Auslöser war die Einladung einer schottischen Musikband, die einer anti-israelischen Boykott-Bewegung nahestehen soll. Der Auftritt wurde abgesagt - die Kritik an der Intendantin Stefanie Carp ebbt jedoch nicht ab.

Moritz Küpper im Gespräch mit Silvia Engels | 09.08.2018
    Die Dramaturgin und Festival-Direktorin Stefanie CARP, Deutschland, wird ab 2018 die neue Intendantin der Ruhrtriennale, Pressekonferenz zur Vorstellung von Stefanie CARP als neuer Intendantin der Ruhrtriennale, Â | Verwendung weltweit
    Stefanie Carp wird vorgeworfen, sich nicht klar genug von Antisemitismus zu distanzieren (dpa / picture alliance / Sven Simon )
    Worum geht es bei dem Streit genau?
    Es geht um eine Konfrontation, die schon länger schwelt und in deren Mittelpunkt die neue Intendantin der Ruhrtriennale steht, Stefanie Carp. Sie hat ein vielgelobtes Programm für die nächsten Wochen auf die Beine gestellt, mit bedeutenden internationalen Künstlern. Und zu diesem Programm gehörte ursprünglich auch die schottische Hip-Hop-Band "Young Fathers".
    Diese Band unterstützt eine vor allem in Kulturkreisen aktive israel-kritische Bewegung namens BDS – oder hat zumindest eine Nähe zu dieser BDS-Bewegung. BDS, das steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen". Formal unterstützt diese Bewegung zwar nur das palästinensische Selbstbestimmungsrecht, tatsächlich gehen deren Forderungen aber häufig weiter, zielen auf einen Boykott Israels und übertreten häufig – so ist die Wahrnehmung – die Grenze zwischen harscher Kritik an Israel und echtem Antisemitismus. Daher gab es eben massive Kritik am Auftritt, am Mitwirken dieser Band, der Young Fathers, woraufhin Carp sie ausgeladen hat. Kurze Zeit später hat sie allerdings die Band wieder eingeladen, dann wollte die Band aber nicht mehr.
    In der Folge auf dieses Zick-Zack-Spiels gab es eine Diskussion, unter anderem auch einen Kulturausschuss des Landtages und eine heftige Debatte über die Positionierung der Ruhrtriennale-Intendantin selbst. Die hat sich dabei in der Angelegenheit und zu Israel immer wieder, missverständlich geäußert. Schon da, also vor ein paar Wochen, heißt es heute aus der Staatskanzlei, habe Ministerpräsident Laschet beschlossen, seine Teilnahme an der offiziellen Eröffnungsinszenierung kommende Woche und auch am traditionellen Empfang von Ministerpräsident und Intendantin im Anschluss abzusagen.
    Das Ganze hatte politische Folgen: NRW-Ministerpräsident Laschet sagte für die Eröffnung ab. Mit welcher Begründung?
    Laschet hat dazu kein offizielles Statement abgegeben oder die Absage öffentlichkeitswirksam selbst verkündet, sondern das Ganze über seinen Regierungssprecher Anfang der Woche bestätigen lassen. Das lässt vermuten, dass man sich in der Staatskanzlei der Tragweite natürlich bewusst ist und auch die Eröffnung und die gesamte Ruhrtriennale nicht komplett überschatten möchte.
    Triennale-Eklat, hieß es aber dennoch in Zeitungen in dieser Woche. Hinsichtlich der Begründung dieser Entscheidung macht sich Laschet einen Bundestagsbeschluss aus dem April zu Eigen, der BDS-Initiativen grundsätzlich ablehnt. Antisemitische oder das Existenzrecht Israels in Frage stellende Aktionen sehe der Ministerpräsident nicht von der Kunstfreiheit gedeckt. Das hat er dann auch selbst noch einmal getwittert.
    Das mediale Echo zumindest, gibt Laschet recht, in den Zeitungen und Kommentaren wird seine Entscheidung fast unisono positiv aufgefasst. Und: Man muss wissen, dass Laschet selbst auch Anfang September seine Antrittsreise nach Israel unternimmt. Da wäre eine andere Position sicherlich nur schwer vermittelbar.
    Wie geht die Leitung der Ruhrtriennale damit um?
    Die Intendantin hat schriftlich Stellung genommen. In dem Schreiben bezeichnet sie Laschets Entscheidung als "sehr bedauerlich". Und weiter: "Ich nehme seine Gründe ernst".
    Zudem bekräftigte Carp noch einmal, dass sie sich am 18. August in Bochum einer Debatte zum Thema Boykott und Kunstfreiheit stellen werde. Das hat sie auch noch einmal in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung heute bekräftigt. An der Diskussion nehmen auch NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) – die wohl auch zum Eröffnungsempfang kommen wird – und Künstler teil. Moderiert wird die Diskussion von Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). An diesem Tag sollte ursprünglich das Konzert der "Young Fathers" stattfinden.
    Allerdings hat auch diese Ankündigung und Ansetzung Kritik hervorgerufen, gerade bei den jüdischen Landesverbänden in NRW, weil diese nicht eingeladen waren und die Veranstaltung am jüdischen Ruhetag Schabbat stattfinde.