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Kunstsammler Berggruen
Bilderspende für die Geburtsstadt Berlin

Heinz Berggruen gehörte zu den herausragenden Kunsthändlern des 20. Jahrhunderts. Zum Symbol für Versöhnung wurde er, als er als Jude 1996 nach Berlin zurückkehrte, wo er am 6. Januar 1914 geboren worden war. Und der Stadt seine kostbare Kunstsammlung überließ.

Von Carsten Probst | 06.01.2014
    "Ich bin in dieser Stadt geboren, aufgewachsen. Meine ganze kulturelle Erziehung ist in Berlin erfolgt. Und das ist schon ein ganz wichtiger Grund, wie auch die emotionale Beziehung zu dieser Stadt als der Stadt einer sehr schönen Kindheit und Jugend, die dann, wie wir wissen, verdorben wurde."
    Wieder und wieder antwortete Heinz Berggruen so auf die Frage, warum er 1996, gegen Ende seines höchst erfolgreichen Lebens als Kunsthändler in Paris, nach Berlin zurückgekehrt sei und einen großen Teil seiner Sammlung mit Werken der klassischen Moderne mitgebracht habe.
    Am 6. Januar 1914 war Heinz Berggruen in Berlin-Wilmersdorf, in der Konstanzer Straße, geboren worden. Sein Vater besaß ein Schreibwarengeschäft in der Nähe des Kurfürstendamms. An der Berliner Humboldt-Universität studierte Berggruen von 1932 an Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft, später ging er nach Toulouse. 1936 erhielt er ein Stipendium der Berkeley Universität in Kalifornien und nutzte es, um vor den Nationalsozialisten in Deutschland zu fliehen und ins amerikanische Exil zu gehen.
    Diese Phase seines Lebens hat Berggruen als zweiten Grund für seine Rückkehr nach Berlin benannt.
    "Ich denke, nach alldem, was passiert ist, nach der grauenhaften Zeit der Nationalsozialisten, ist es gut, einander näherzukommen und wieder das zu versuchen neu aufzubauen, das von den Nazis entweder kaputtgemacht wurde oder ins Ausland bewegt."
    Die Staatlichen Museen in Berlin kauften Berggruens Sammlung für 253 Millionen D-Mark, einem Preis deutlich unter dem Marktwert, richteten dafür den Stülerbau des Schlosses Charlottenburg her, in dessen Obergeschoss Berggruen während seiner Berlinaufenthalte auch lebte. Und verpflichteten sich zur Übernahme der laufenden Betriebskosten.
    Seitdem gehört das "Museum Berggruen" zu den Publikumsmagneten in der Berliner Museumslandschaft. Berggruen wurde zum Symbol, nicht nur für die Versöhnung zwischen Juden und Deutschen. Zahllose Werke der klassischen Moderne hatten die hauptstädtischen Museen durch die Kulturpolitik der Nazis verloren. Berggruens Sammlung, 170 Werke vor allem von Picasso, Klee, Giacometti und Matisse, konnte diese Verluste zwar nicht ungeschehen machen – doch so kurz nach der Wiedervereinigung wirkte sie auch wie eine symbolische Heilung dieser Wunden. Die überschwänglichen Ehrungen und Preisungen, mit denen Berggruen in Berlin bedacht wurde, schienen ihm selbst nicht ganz geheuer zu sein. So zitiert das Magazin "The New Yorker" Berggruen im Frühjahr 2001:
    "Ich bin jetzt seit fünf Jahren wieder hier in Berlin, rede mit den Leuten, verbringe meine Zeit mit ihnen. Die Deutschen haben mit so etwas nicht gerechnet. Und sie lieben es. Sie fallen vor mir auf die Knie. Manchmal ist es ein bisschen zu Deutsch. Genauso taten sie es ja auch für Hitler, wissen Sie: Ihre wunderbaren Werke, es ist so herrlich. Manchmal fühle ich mich verführt, zu sagen: Ihr wart doch dieselben Leute, die sagten, Hitler war herrlich, nicht? Aber ich bin sicher, sie lieben es. Wäre es anders, würden sie sagen: Warum belästigt er uns mit seinen Picassos?. Hätte ich gesagt: Lasst mich in Ruhe und hätte meine Ware eben woanders hingebracht."
    Diese Äußerung und die andauernde Hofierung Berggruens waren wohl der Grund für die bis dahin völlig unbekannte Autorin Vivien Stein, vier Jahre nach Berggruens Tod im Jahr 2007 eine "unautorisierte Biografie" zu veröffentlichen, in der sie schwere Vorwürfe gegen den Kunsthändler erhebt. Große Teile seiner Autobiografie bezeichnete Stein als Selbstdarstellung eines gewieften Geschäftsmannes, der sich am Ende seines Lebens als Vertreter der jüdischen Sache aufgespielt habe, obwohl er selbst nie gläubiger Jude gewesen sei. Seine Geschichten über seine Freundschaften mit Künstlern wie Picasso und Matisse seien stark übertrieben, viele dubiose Geschäftspraktiken habe Berggruen hingegen verschleiert. Eindeutige Nachweise für ihre Behauptungen bleibt Stein oft schuldig. Die deutsche Politik und das Feuilleton reagierten in der folgenden, wochenlangen Debatte gleichwohl mit Abwehrreflexen, teils auch mit persönlichen Angriffen auf die Autorin. Heinz Berggruens Bedeutung für das Selbstverständnis der jungen "Berliner Republik" wurde damit nur unterstrichen.