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Kuriose Europameisterschaft
Schlammfußball in Island

Der Ball rollt kaum und die Beine bleiben stecken: Alljährlich zieht es Hunderte Menschen nach Island, um im Matsch Fußball zu spielen. Kräftige Spieler und Spielerinnen sind bei der Schlammfußball-Europameisterschaft übrigens klar im Vorteil.

04.08.2019
Spiel-Szene bei der Schlammfußball-Europameisterschaft in Island
Muskelkater vorprogrammiert: Die Beine versinke tief im Schlamm (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Bolungarvík ist einer der nördlichsten Orte der Welt. Umringt von hohen Bergen und der Atlantikküste liegt das kleine Fischerdorf mit rund 900 Einwohnern in den isländischen Westfjorden und zieht am ersten Augustwochenende alljährlich Hunderte Menschen an. Europameisterschaft im Schlammfußball nennen die Organisatoren um Jóhann Gunnarsson ihr Turnier ganz selbstbewusst.
"Das ist hier die Schlammfußball-EM, in Finnland gibt es die Weltmeisterschaft, wir sind von dort inspiriert worden, und haben dann vor 15 Jahren dieses Turnier aufgesetzt, die Europameisterschaft. Damals gab es kein weiteres Turnier von dieser Größe und so ist die EM jetzt hier."
Ein Teilnehmer der Schlammfußball-EM in Island schießt den Ball
Eine gute Schusstechnik hilft - auch im Schlamm (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Da es keinen Verband gibt, der das offiziell organisiert, sondern sich vielmehr eine Community gebildet hat, treffen sich in Bolungarvík Hardcore-Fans und solche, die ihren Weg zufällig hierhin gefunden haben. Seitdem das Turnier vor drei Jahren aus der etwas größeren Nachbarstadt nach Bolungarvík umgezogen ist, sind die zufälligen Besucher allerdings weniger geworden und die Mehrheit Isländer.
Schubsen ja, foulen nein
Was fasziniert die Leute daran, im Matsch Fußball zu spielen, wo der Ball kaum rollt, die Beine stecken bleiben und der Körper schwer wird, wenn man einmal tief eingesackt ist?
"Das ist das Kind in uns. Es ist wie, wenn kleine Kinder eine Pfütze sehen, haben sie Spaß daran hinein zu hüpfen. Das ist quasi die Pfütze für die Großen", sagt Jóhann Gunnarsson. Schubsen um den Ball zu bekommen erlaubt, foulen nein.
Es braucht drei bis vier Tage und ganz viel Wasser bis das Feld in dem gewünschten "bespielbaren" Zustand ist.
Es braucht drei bis vier Tage und ganz viel Wasser bis das Feld in dem gewünschten "bespielbaren" Zustand ist. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Es geht intensiv, aber fair zur Sache. Wer in den Schlamm fällt, lässt sich vom weichen Untergrund auffangen und kümmert sich nicht ums Äußere. "Weil wir es lieben uns im Matsch zu wühlen, das ist großer Spaß", erklärt David Hjartason, der früher im Verein Fußball gespielt hat und jetzt mit seiner inzwischen etwas kräftigeren Statur Vorteile im Schlamm hat. Ihn stößt keiner so leicht um. Schnell ist kaum einer der Spieler, aber Fußballgeschick zahlt sich immer noch aus.
Rund 100 Spieler machen mit, einige in festen Teams, andere wurden zusammengewürfelt. Es sind wenige, dafür große Mannschaften, damit viel gewechselt werden kann. Schlammfußball ist extrem aufreibend, bericht Oriol Borrell aus Barcelona, auch wenn ein Spiel sechs gegen sechs nur zwei Mal zehn Minuten dauert.
"Hier kannst Du nur zwei oder drei Minuten spielen, weil jeder Schritt große Anstrengung bedeutet und dann darf man auch die anderen zur Seite schubsen, das macht es noch anstrengender."
Seine Schwester Anna hat wie viele ihre Schuhe mit viel Klebeband festgemacht, um sie im Matsch nicht zu verlieren. "Aber es ist dennoch echt schwer zu spielen, auch weil der Matsch auf den Schuhen diese noch schwerer macht."
Physische Herausforderung oft unterschätzt
Genau deswegen wurde Schlammfußball in Finnland erfunden. Organisator Jóhann Gunnarsson, der bei dem Turnier auch Schiedsrichter ist, hat den Erfinder vor einigen Jahren mal getroffen:
"Das war ein Skilanglauftrainer, der für seine Läufer ein Aufwärmprogramm gestalten wollte, und sie dann im Schlamm hat Fußball spielen lassen. Weil es einerseits Spaß bedeutete, aber eben auch Anstrengung. Und dann wurde ein eigenes Spiel und Turniere daraus."
Spieler der Schlammfußball-Europameisterschaft stehen in einem Fluss und waschen den Dreck ab
Der Dreck muss weg: Nach dem Spiel geht es in den nahe gelegen Fluss zum Waschen (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Die vor allem in Skandinavien populär sind, aber auch in Deutschland gibt es Turniere wie an diesem Wochenende im sächsischen Wöllnau. Wobei die physische Herausforderung oft unterschätzt wird. Trotz aufpeitschender Partymusik und angenehmen 20 Grad in der Sonne bekommen in Bolungarvík einige zum Ende wackelige Beine. Der Turniersieger in diesem Jahr ist nach Elfmeterschießen ein großes von einem örtlichen Unternehmen gesponsertes Team aus Isländern und US-Amerikanern, die auch schon im letzten Jahr gewonnen haben und sich nun erneut stolz Schlammfußball-Europameister nennen.