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Pakistans Reibungen mit den USA

Das amerikanisch-pakistanische Verhältnis krankt seit jeher an auseinanderklaffenden Interessen, gegenseitigem Misstrauen und enttäuschten Erwartungen, urteilt Husain Haqqani, der ehemalige Botschafter Pakistans in den USA. In seinem Buch "Magnificent Delusions" will er die Gründe darlegen, bleibt aber an vielen Stellen einseitig.

Von Sabina Matthay | 07.04.2014
    Susan Rice, Nationale Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten, gab kürzlich einen bemerkenswert offenen Einblick in Barack Obamas Außenpolitik: "Mal ehrlich", so Rice vor Journalisten, "manchmal machen wir uns mit Regierungen gemein, die genau die Rechte mit Füßen treten, die wir Amerikaner hoch schätzen." Als einer der schwierigsten amerikanischen Verbündeten gilt Pakistan und zwar nicht erst, seit US-Spezialkräfte Al Qaeda-Chef Osama bin Laden dort aufspürten. Husain Haqqani verschafft einen umfassenden Überblick über die turbulente Beziehung zwischen Islamabad und Washington seit der Gründung Pakistans.
    "'Magnificent Delusions' handelt davon, wie Pakistan in den vergangenen 66 Jahren ein pathologisches Verhalten kultiviert hat, wonach das Land amerikanische Mittel verlangt, amerikanische Hilfe und Unterstützung begehrt, aber zugleich will, dass das Volk an einer sehr negativen Sicht auf die USA festhält, gar Hass entwickelt."
    Um nämlich, folgt man Haqqani, den Amerikanern weitere Mittel zur Bekämpfung dieser Antipathie zu entlocken und diese dann für andere Zwecke auszugeben.
    "Selbst zu seinen besten Zeiten in den 1950er und 1960er Jahren war die amerikanisch-pakistanische Partnerschaft alles andere als ein Bündnis, das auf gemeinsamen Interessen und Werten fußte; stattdessen waren die beiden stets damit beschäftigt, unterschiedliche Feinde zu konfrontieren und unterschiedliche Erwartungen an ihre Beziehung zu knüpfen."
    Die USA verpflichteten Pakistan zunächst als Verbündeten im Feldzug gegen den Kommunismus, dann im Kampf gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans und schließlich im Krieg gegen den islamischen Extremismus. Pakistans Generäle unterstützten die USA – und verfolgten damit auch ganz eigene Interessen, weil sie sich ständig bedroht sahen vom Erzfeind Indien. Auch deshalb ließen sie Atomwaffen entwickeln und förderten islamische Extremisten – allerdings hinter dem Rücken der Amerikaner. Während die Vereinigten Staaten beispielsweise die Ausbildung von Mujaheddin als Waffe gegen die Sowjets finanzierten, sahen die Pakistaner die Kämpfer als Mittel asymmetrischer Kriegsführung gegen Indien. So krankt das amerikanisch-pakistanische Verhältnis seit jeher an auseinanderklaffenden Interessen, gegenseitigem Misstrauen und enttäuschten Erwartungen. Husain Haqqani ist wie kaum ein anderer geeignet, diese Geschichte zu erzählen. Nicht zuletzt, weil er, der zwischen 2008 und 2011 als pakistanischer Botschafter in den USA diente, selbst Opfer des vergifteten Verhältnisses wurde:
    "Ein Botschafter, der als Brücke fungieren wollte, galt in Pakistan nicht als guter Mann. Im Grunde kritisierten sie mich ständig als amerikanischen Agenten. Jedes mal wenn ich darauf hinwies, dass die Amerikaner vielleicht auch ein triftiges Argument hatten, wurde das von den pakistanischen Medien als feindlicher Akt gegenüber Pakistan dargestellt."
    In den USA gelobt
    Haqqani musste zurücktreten, als ihm vorgeworfen wurde, er habe die Amerikaner gebeten, einen Militärcoup in Pakistan zu verhindern. Ein Vorwurf, den er bestreitet. "Magnificent Delusions" stützt sich überwiegend auf Briefe, Memoranden, Memoiren, mehrheitlich amerikanische und auf Haqqanis eigene Aufzeichnungen. So sorgfältig das Buch recherchiert ist, so sehr hätte man sich mehr pakistanische Stimmen gewünscht. Leider mangelt es auch an Einzelheiten zu Vorgängen der jüngsten Vergangenheit, als Husain Haqqani selbst ein zentraler Akteur im Verhältnis zwischen Washington und Islamabad war. Auffällig auch, wie milde Haqqani über die 2007 ermordete ehemalige Premierministerin Bhutto und ihren Mann, den späteren Präsidenten Zardari urteilt. Die Korruptionsaffären des Clans erwähnt er nur am Rande. Der ehemalige Botschafter ist eben nicht nur Historiker im amerikanischen Exil, sondern offenbar darauf erpicht, eines Tages in seine Heimat zurückzukehren und dort auch wieder eine politische Rolle zu spielen. Was nun die Zukunft der unperfekten amerikanisch-pakistanischen Partnerschaft angeht, rät Haqqani zu Nüchternheit:
    "Beide Seiten müssen das Narrativ aufgeben, das sie über die Jahre aufgebaut haben. Amerika meint, dass Pakistan unzuverlässig sei. Pakistan dagegen muss aufhören, Amerika für alles und jedes die Schuld zu geben, und es muss seine Lage überdenken. In Pakistan werden mehr Menschen von Extremisten und Terroristen getötet als von Ausländern."
    In den USA ist Haqqanis Buch allgemein als realistische Bestandsaufnahme gelobt worden, aber auch als Argument, die Militär- und Wirtschaftshilfe für den unzuverlässigen Partner in Südasien zu kappen. In Pakistan beschränkten die meisten Rezensenten sich auf Inhaltsangaben. Besonderes Interesse erregte die Schilderung einzelner Episoden des US-pakistanischen Verhältnisses, etwa die Abstimmung von Drohnenangriffen, die pakistanische Proteste dagegen Lügen strafen. "Magnificent Delusions" ist ein notwendiges Buch: Wenn das angeschlagene Verhältnis zwischen Washington und Islamabad gerettet werden soll, muss man wissen, woran es krankt. Husain Haqqani bringt die Versäumnisse auf den Punkt.
    Husain Haqqani: Magnificent Delusions. Pakistan, the United States and an Epic History of Misunderstanding, Im Verlag Perseus Books erschienen, bisher nur auf englisch, die 415 Seiten kosten 21,95 Euro.