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Kurswechsel während der Krise

Am Sonntag wählen die Bürger der Republik Zypern einen neuen Präsidenten. Bislang war die Überwindung der Teilung immer Wahlkampfthema Nummer Eins. Doch dieses Mal überschattet die Wirtschaftskrise den Wahlkampf im griechischen Teil der Insel.

Von Thomas Bormann | 15.02.2013
    Nikos Anastasiades redet im Fernseh-Werbespot schon wie der neue Präsident:

    "Der Weg, der uns bevorsteht, ist sicherlich nicht leicht, aber mit einigen Kursänderungen, mit starkem Willen, mit Hartnäckigkeit und Eintracht werden wir ein besseres Zypern schaffen."

    "Nikos Anastassiádis: Wir bündeln Kräfte." – Mit diesem Slogan wirbt die konservative Partei mit dem Namen "Demokratische Sammlung" um Wählerstimmen. Zypern steckt tief in der Krise; die Staatskasse ist leer. Das Regieren wird nicht einfach werden, das weiß auch der Sprecher der "Demokratischen Sammlung", Harris Georgiades:

    "Es ist eine Last, ehrlich gesagt: eine große Last, die die neue Regierung erbt. Und das ist sehr bedauerlich, denn Zypern hatte immer ausgezeichnete Wirtschaftsdaten."

    Jetzt aber sind die Zahlen schlecht; die Stimmung bei den 900.000 Einwohnern der Sonnen- und Urlaubsinsel Zypern ist eingetrübt. Jeder spürt die Krise:

    "Mit Sicherheit. Es ist härter, weil viele Leute ihre Arbeit verloren haben, Löhne wurden gekürzt, junge Leute finden keine Arbeit und müssen in andere Länder gehen."

    "Man sieht es auch im Stadtbild. Immer mehr Geschäfte schließen, überall gibt es Ausverkäufe mit bis zu 80 Prozent Rabatt. Man merkt schon die Krise doch sehr."

    Sagt Björn Luley. Er leitet das Goethe-Institut in Nikosia. Immer mehr Zyprer schreiben sich bei ihm für Sprachkurse ein. Junge Zyprer lernen Deutsch, um notfalls nach Deutschland auswandern zu können und dort Arbeit zu finden, wenn die Krise auf Zypern sich zuspitzt.

    Zypern braucht aus dem Rettungsschirm Hilfskredite in Höhe von 17-einhalb Milliarden Euro. Das ist so viel wie die Wirtschaftsleistung Zyperns eines kompletten Jahres.

    Aber ob die Hilfe kommt, ist noch nicht ausgemacht. Kanzlerin Angela Merkel stellte Anfang dieses Jahr klar, ...

    "… dass es keine Sonderbedingungen für Zypern geben kann, sondern dass wir ganz allgemeine Regeln in Europa haben und wir sind da längst noch nicht am Ende der Gespräche."

    Jeder auf Zypern ahnt, warum die Kanzlerin zögert:

    Frau Merkel sagt, wir in Zypern würden russisches Schwarzgeld waschen. Das ist nicht wahr!, schimpft ein Zeitungsverkäufer.

    Auch im Finanzministerium in Nikosia werden die Vorwürfe aus Berlin empört zurückgewiesen. Es gebe zwar viele russische Investoren auf Zypern, die hier Geld anlegen oder Handelsfirmen gründen. Diese Geschäfte seien aber legal; Zypern habe alle EU-Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche umgesetzt, versichert Andreas Charalambous vom Finanzministerium:

    "Nichtsdestotrotz - wir sind uns bewusst, dass es da gewisse politische Auffassungen und Empfindlichkeiten gibt - deshalb stimmen wir einer weiteren Überprüfung durch den Internationalen Währungsfonds zu. Wir wollen zeigen, dass wir die Sorgen ernst nehmen und bereit sind, unsere Gesetze und Regelungen gegen Geldwäsche noch weiter zu stärken."

    Zudem sollen die Banken auf der Insel stärker kontrolliert werden. Zyprische Banken hatten durch allzu leichtfertig vergebene Kredite an Griechenland Milliarden Euro verloren und dadurch die Krise auf Zypern erst ausgelöst.

    Nikos Anastasiades gilt als Europa-freundlichster Kandidat für das Präsidentenamt. Er ist bereit, im Gegenzug für Hilfskredite aus dem Euro-Rettungsschirm Reformen umzusetzen, und somit nachzuholen, was der bisherige Präsident Dimitris Christofias von der Kommunistischen Partei versäumt hat. Anastasiades will sich schnell mit den EU-Partnern auf ein Rettungspaket für Zypern einigen:

    "Das ist entscheidend für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, für Wettbewerbsfähigkeit und für nachhaltiges Wachstum der Industrie."

    Laut Umfragen wendet sich die Mehrheit der Wähler dem 66-jährigen, konservativen Berufspolitiker Nikos Anastasiades zu, einem Mann mit dem Charme eines Buchhalters, der zwar keine mitreißenden Reden halten kann, dem viele Zyprer aber zutrauen, ihr Land aus der Krise zu führen.