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Kurzfristig wird's kompliziert

Mit Blick auf das ganze Jahrhundert ist sich die Wissenschaft inzwischen ziemlich sicher: Es wird deutlich wärmer auf der Erde. Dies hat auch eine neue Computersimulation des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg ergeben. Das Ergebnis: Je nachdem wie viele Treibhausgase die Menschheit noch in die Atmosphäre entlässt, steigt die Temperatur verglichen mit dem vorindustriellen Zeitalter um zwei bis fünf Grad. Das passt gut zu den Ergebnissen anderer Forscher.

Von Georg Ehring | 29.02.2012
    Jetzt wollen die Hamburger auch für kürzere Zeiträume von bis zu zehn Jahren Prognosen vorlegen. Doch der Blick auf die nächste Dekade fällt der Klimawissenschaft deutlich schwerer als die langfristige Prognose. Das ist nur auf den ersten Blick paradox. Denn kurzfristig geht es um deutlich kleinere Temperaturschwankungen, sagt Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg.

    "Diese kurzfristigen Schwankungen um 0,2 Grad spielen keine Rolle, wenn ich mir etwa Temperaturunterschiede zwischen dem Ende des Jahrhunderts und dem Anfang des Jahrhunderts anschaue. Dann sind diese 0,2 Grad vernachlässigbar. Wenn ich mir aber die nächsten zehn Jahre anschaue, muss ich diese Schwankungen mit erfassen und vorhersagen, und das ist deutlich schwieriger."

    Der langfristige Trend zur Erwärmung wird immer wieder durch eine Abkühlung oder stabile Temperaturen unterbrochen. Das vergangene Jahrzehnt zum Beispiel war zwar das wärmste seit Beginn der Messungen, doch innerhalb der Dekade stiegen die Temperaturen kaum, 2011 war sogar eher kühl.

    Für solche Schwankungen sorgen natürliche Faktoren, die den menschengemachten Klimawandel überlagern - und die sind erst zum Teil verstanden. Einigermaßen vorhersagbar sind die Sonnenaktivität mit einem Elf-Jahres-Zyklus sowie Veränderungen der Meeresströmungen - nicht dagegen große Vulkanausbrüche, die kurzfristig für eine Abkühlung sorgen können.

    Der Versuch, daraus eine globale Prognose zu schmieden, scheitert bisher auch an Problemen im Detail - vor allem in der Erfassung der Verhältnisse zu Beginn einer Vorhersage. Dr. Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut für Meteorologie:

    "Um dieses bewerkstelligen zu können, muss man den Anfangszustand des Ozeans gut kennen. Man muss also mit Messungen arbeiten, man muss mit Rekonstruktionen des Ozeanzustands arbeiten und von dort aus an dann diese dekadischen Vorhersagerechnungen machen."

    Die ersten Ergebnisse der Hamburger Forscher sind eher verwirrend als erhellend. Für das begonnene Jahrzehnt zum Beispiel ist von Eindeutigkeit keine Spur: Lässt man eine Prognose für die nächsten Jahre Anfang 2011 beginnen, ergibt sich eine sehr schnelle Fortsetzung der Erwärmung, bei einem Anfangsdatum 2012 macht die Erwärmung dagegen noch mehrere Jahre Pause, bevor die Temperaturen weiter steigen. Zu erklären ist dies vermutlich durch noch unbekannte Fehler im Modell. Jochem Marotzke traut sich deshalb für das begonnene Jahrzehnt weltweit noch keine Prognose zu.

    "Zur Entwicklung der globalen Mitteltemperatur können wir aufgrund unserer Ergebnisse leider nichts Zuverlässiges sagen. Wir haben zwar ein Ergebnis, aber wir trauen ihm nicht und wir haben gute Gründe, dieses Ergebnis mit Skepsis zu betrachten."

    Hoffnung macht den Forschern, dass ihre Rechnungen für manche Erdregionen bereits brauchbare Ergebnisse liefern. Das gilt vor allem für den Atlantik zwischen Europa und Nordamerika, wo der Golfstrom den Takt vorgibt. Die Prognose von Jochem Marotzke für diese Weltregion überrascht:

    "Es gibt allerdings kleinere Bereiche auf dem Globus, vor allem die Oberflächentemperatur im nördlichen Nordatlantik, wo wir unseren Modellrechnungen durchaus vertrauen und dort erwarten wir für diese Dekade eine Abkühlung um vielleicht 0,2 Grad."

    Eine Abkühlung der Nordatlantikregion hätte auch Folgen für das Wetter in Mitteleuropa - nur welche, das wissen die Forscher noch nicht.