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Kuwait
Niedrige Ölpreise machen Strukturreformen überfällig

Der niedrige Ölpreis macht auch den superreichen Golfstaaten zu schaffen: Saudi-Arabien hat einen Reformplan vorgelegt, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Bahrain und Oman haben Subventionen gekürzt. Auch die Regierung in Kuwait will Reformen durchsetzen – doch der Widerstand im Parlament ist groß.

Von Anne Allmeling | 11.06.2016
    Blick auf ein Ölfeld
    Bislang basiert die Wirtschaft in Kuwait fast ausschließlich auf der Förderung von Erdöl. Sie sorgt für etwa 93 Prozent der Staatseinnahmen. (picture alliance / dpa / epa Ali Haider)
    Abas Almijren ist ein viel beschäftigter Mann: Der Professor für Wirtschaftswissenschaften lehrt er an der Universität Kuwait, vor allem aber berät er den Finanzminister des Landes – und der hat in diesen Tagen alle Hände voll zu tun. Denn die Regierung in Kuwait will Reformen durchboxen – muss Reformen durchboxen, sagt Abas Almijren, wenn Kuwait auch weiterhin zu den reichsten Ländern der Welt gehören will:
    "Bei dem derzeitigen Ölpreis kann Kuwait seinen Staatshaushalt nicht finanzieren."
    Noch besteht keine akute Gefahr – schließlich hat der kleine Golfstaat seit 2003 Reserven in Höhe von umgerechnet 220 Milliarden Euro angehäuft. Im vergangenen Jahr hatte Kuwait aber eine Finanzlücke im Haushalt – und beschafft sich nun Geld über eine Anleihe. Die Ausgaben des winzigen Golfstaates sind enorm: Sie machen etwa ein Fünftel des Staatshaushaltes der Bundesrepublik aus – obwohl Kuwait gerade einmal vier Millionen Einwohner hat.
    "Der größte Teil der Regierungsausgaben sind laufende Kosten und nicht etwa Investitionen. Wenn man den kuwaitischen Staatshaushalt von etwa 60 Milliarden Euro anschaut, werden davon sechs Milliarden investiert. 54 Milliarden sind laufende Kosten. "
    Die hohen Ausgaben haben ihren Grund: Wer die kuwaitische Staatsbürgerschaft besitzt – und das sind insgesamt 1,3 Millionen Menschen – genießt umfangreiche Privilegien. Verheiratete Paare haben ein Anrecht auf eine eigene Wohnung, die Ausbildung an Schulen und Universitäten ist kostenlos, Strom und Wasser fast umsonst, weil sie vom Staat subventioniert werden. Doch das führe zu Verschwendung, kritisiert Abas Almijren: Ein durchschnittlicher Haushalt in Kuwait verbrauche pro Monat in etwa so viel Strom wie eine Familie in Deutschland im ganzen Jahr. Subventionen für so viel Energie kann sich der Staat auf Dauer aber nicht mehr leisten.
    "Wenn wir auch künftige Generationen mit Wasser und Strom versorgen wollen, meint Almijren, dann müssen sich die Dinge ändern. Wir müssen unseren Verbrauch reduzieren."
    "Die Last den Ausländern aufzuhalsen, ist ein kurzsichtiger Ansatz"
    Der Wirtschaftswissenschaftler hat der kuwaitischen Regierung einige Vorschläge unterbreitet. Zum Beispiel, die Preise für Strom und Wasser zu erhöhen, um so den Verbrauch zu drosseln. Doch diese Idee stieß auf Widerstand – nicht etwa in der Regierung, sondern im gewählten Parlament, das zurzeit von konservativen Kräften dominiert wird. Die Abgeordneten stimmten zwar einer Preissteigerung zu, aber die soll zunächst nur für Ausländer gelten. Eine Reform, die am Kern vorbeigehe, meint der kuwaitische Politikwissenschaftler Shafeeq Ghabra:
    "Die Last den Ausländern aufzuhalsen, ist ein kurzsichtiger Ansatz. Das wird nicht lange währen. Wir brauchen eine umfassende Lösung, die für Kuwaitis und Nicht-Kuwaitis funktioniert – und eine Lösung, die eine Öffnung der Wirtschaft mit sich bringt."
    Bislang basiert die Wirtschaft in Kuwait fast ausschließlich auf der Förderung von Erdöl. Sie sorgt für etwa 93 Prozent der Staatseinnahmen. Weil der Ölpreis in den vergangenen zwei Jahren stark gesunken ist, sind auch die Einnahmen gesunken – nicht nur in Kuwait, sondern auch in den anderen Golfstaaten.
    "Das Preisniveau zwingt die Region, über Wirtschaftsreformen nachzudenken. Aber da stellt sich die Frage: Kann es Wirtschaftsreformen geben ohne politische Reformen?"
    In den 60er- und 70er-Jahren galt Kuwait als Vorbild für die anderen Golf-Monarchien, weil es eine Verfassung hat und ein gewähltes Parlament – und weil es bis zum Einmarsch der irakischen Truppen 1991 wirtschaftlich extrem erfolgreich war. Doch der Krieg hat Kuwait zurückgeworfen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind die Nachbaremirate Katar und Abu Dhabi an Kuwait vorbeigezogen. Dort können die absoluten Monarchen Reformen auch gegen den Widerstand in der Bevölkerung durchdrücken. In Kuwait dagegen habe sich das Parlament zuletzt eher als Hemmschuh erwiesen, sagt Abas Almijren:
    "Die Abgeordneten schauen auf die Leute, die sie wählen. Wenn die Subventionen gekürzt werden, wirkt sich das negativ auf sie aus. In einem Jahr sind Parlamentswahlen. Die Parlamentarier schauen eher auf die nächste Wahl als auf die nächste Generation."
    Ohne die Öl-Einnahmen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler, wären die Haushaltsüberschüsse des Golfstaates in vier Jahren verbraucht. Ein klein wenig scheint er zu hoffen, dass der Ölpreis nicht weiter steigt – damit die Reformen in Kuwait Realität werden.