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LABOR: Hochschulen
Studieren in einer Fremdsprache braucht mehr Zeit

An vielen Hochschulen werden Vorlesungen und Seminare nicht in der Muttersprache gehalten, sondern zum Beispiel auf Englisch. Dabei sollten sowohl Dozenten als auch Studierende damit rechnen, dass das Bearbeiten von Aufgaben länger dauert, sagen Forscher.

Von Armin Himmelrath | 11.05.2018
     Studenten an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen verfolgen eine Vorlesung im Fach Maschinenbau.
    Viele Hochschulen bieten Master-Studiengänge auf Englisch an (Oliver Berg / dpa)
    Ein deutscher Romanistikprofessor, eine Vorlesung auf Englisch - was hier an der Universität zu Köln stattfindet, das ist an vielen deutschen Hochschulen der Normalfall: Immer mehr Seminare und Vorlesungen werden in einer Fremdsprache angeboten, obwohl sich Studierende und Dozenten eigentlich auch auf Deutsch verständigen könnten.
    Und dann stellt sich schon die Frage: Funktioniert das Lernen in einer Fremdsprache genauso gut wie in der Muttersprache? Heleen Vander Beken ist Psychologin und arbeitet an der Universität im belgischen Gent. Sie erforscht, wie Erst- und Zweitsprache, Lernen und Erinnerung zusammenhängen. Was passiert, wenn Studierende nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden? Wie gut können sich zum Beispiel Studenten in Flandern Informationen in englischen Lehrbüchern oder Vorlesungen aneignen? Wenn es nur darum geht, Aussagen zu lesen und hinterher als richtig oder falsch zu bewerten, sei das kein Problem, sagt Heleen Vander Beken.
    "Aber wenn die Studierenden etwas aufschreiben und selbst formulieren sollen, dann ist da in der Fremdsprache eine große Einschränkung nachweisbar. Wir dachten erst, das wäre ein Reproduktionsproblem, dass sie einfach nicht so gut schreiben können. Aber es hängt, das haben wir herausgefunden, von der Schwierigkeit des Textes ab. Wir reden also über Verständnisprobleme, die dann auftreten, wenn Studierende schwierigere Aufgaben in Englisch und nicht auf Niederländisch erledigen sollen."
    Verständnisprobleme müssen berücksichtigt werden
    Diese Verständnisprobleme aber müssen bei der Planung und Durchführung von Seminaren und Vorlesungen berücksichtigt werden, fordert die belgische Psychologin. Jeder Dozent, der nicht muttersprachlich unterrichtet, müsse dafür sensibilisiert werden.
    "Eine ganz einfache Maßnahme ist, sich klar zu machen, dass Texte und Aufgaben in einer Fremdsprache mehr Zeit brauchen. Kollegen von mir haben herausgefunden, dass man zum Beispiel beim Lesen von Romanen in einer Fremdsprache, die man eigentlich ziemlich gut beherrscht, trotzdem etwa 20 Prozent mehr Zeit braucht. Man sollte als Dozent also mehr Zeit für den gleichen Stoff einplanen und die Studierenden auch warnen, dass sie mehr Zeit benötigen, um die selben Informationen zu bearbeiten."
    Außerdem, sagt Heleen Vander Beken, müssten die Studierenden das jeweilige Fachvokabular trainieren - denn das unterscheide sich bei Studiengängen und in der Wissenschaft oft massiv vom Alltagsvokabular.
    Die didaktischen Hinweise der belgischen Psychologin sind generell auch auf deutsche Hochschulen übertragbar. 228 grundständige Studienangebote auf Englisch verzeichnet der Hochschulkompass für Deutschland, dazu noch einmal über 1.000 Angebote im weiterführenden Bereich. Für viele Universitäten ist das längst Teil ihrer Internationalisierungsstrategie - so wie auch an der Universität zu Köln. Patrick Honecker ist deren Sprecher.
    "Derzeit ist das so, dass das von Fakultät zu Fakultät sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Es hängt auch davon ab, in welcher Phase des Studiums man ist: In den grundständigen Studiengängen ist das so, dass Englisch noch weniger angeboten wird. Es fängt bei dem Musterstudiengang an, dass dort massiv Teile in Englisch sind, auch ganze Studiengänge in Englisch angeboten werden. Und bei unseren NachwuchswissenschaftlerInnen in der Promotionsphase beispielsweise findet vieles schon automatisch auf Englisch statt. Bei den Naturwissenschaften zum Beispiel ist die Laborsprache eigentlich ganz klassisch Englisch, aber auch im geisteswissenschaftlichen oder im betriebswirtschaftlichen Bereich sind viele Studienbereiche schon komplett in Englisch abgebildet."
    Mangelnde Sprachkenntnisse der Dozenten
    Dabei ist das möglicherweise eingeschränkte Verständnis der Studierenden nur das eine Problem, sagt Lernforscherin Heleen Vander Beken. Eine andere Schwierigkeit könne in mangelnden Sprachkenntnissen der Dozenten liegen.
    "An meiner Universität in Gent gab es wegen genau dieser Bedenken einen Test für die Professoren, eine richtige Prüfung: Können die Dozenten genug Englisch? Es gibt dieses Vorurteil, dass belgische Professoren nur grottenschlecht Englisch sprechen. Deshalb gab es diesen Test mit Mindestanforderungen, und die meisten Professoren haben zum Glück besser abgeschnitten."
    In Köln war mangelnde Sprachqualität der Dozenten bisher kein Thema, sagt Uni-Sprecher Patrick Honecker. Tatsächlich ist in der Wissenschaft ja mittlerweile Englisch der Standard, zumal dann, wenn es um internationale Kontakte geht. Und deshalb hat fast jeder, der ein paar Jahre an Universitäten gearbeitet hat, ausreichende Kompetenzen, um in seinem Fachgebiet auch englische Lehre anbieten zu können. Und ideal wäre es, wenn er dabei auf die Erkenntnisse von Heleen Vander Beken zurückgreift und den Studierenden mehr Zeit einräumt.