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Lachen in der Lehre

Die Aufmerksamkeit ist das knappste Gut, sagt der Humor-Experte und Politologe Michael Suda. Um sie bei seinen Studenten zu erlagen, setzt er Humor ein, aber gezielt.

Michael Suda im Gespräch mit Manfred Götzke | 07.03.2011
    Manfred Götzke: 'So, bitte eine Folie weiter, kommen wir zu Punkt 3, Unterpunkt 4 des Marketingkonzepts, die offene Marktanalyse, zu beachten sind folgende zehn Kriterien:' ... Das war jetzt nur mal eine kurze Fantasievorlesung im Fach BWL, aber genau so etwas ist Alltag in den Hörsälen, langweilige Vorlesungen, Inhalte werden von Folien abgelesen, freier Vortrag - Fehlanzeige. Hängen bleibt bei solchen Vorlesungen oft wenig. Weil das so ist, sagt der Umweltpolitikprofessor Michael Suda: Vorlesungen und Seminare müssen unterhaltsam und auch lustig sein, und das nicht nur am Rosenmontag. Herr Suda, wie kamen Sie denn dazu, Humor im Hörsaal einzusetzen?

    Michael Suda: Früher war es ja so, dass das Semester länger ging, das Wintersemester, und von daher gab es die wunderbare Gelegenheit, beispielsweise am Faschingsdienstag eine Faschingsvorlesung zu halten, und diese Gelegenheit habe ich über zwei, drei Jahre hin genutzt, und als Rückkopplung ganz häufig gehört, dass die Studierenden in dieser Vorlesung gerade über Theorien und Methoden und unterschiedliche Ansätze mehr gelernt haben als in vielen Vorlesungen, die auf Folien oder Powerpoint entsprechend basiert haben.

    Götzke: Woran liegt das?

    Suda: Das liegt überwiegend an dem, was das Lachen in uns bewirkt, und da gibt es ja die Gelotologie als Lachforschung, und die liefert eine ganze Menge Ergebnisse, also was das Lachen im Kopf, im Bauch oder auch im Umfeld oder in der Seele anrichtet. Es kommt zu Hormonausschüttungen, das Immunsystem wird gestärkt, Spannungen werden aufgelöst, gleichzeitig findet ein kurzfristiger Kontrollverlust im Kopf statt, dann im Bauch, als Sauerstoffanregung, die Atemkapazität wird erhöht, Muskeln werden aktiviert und manchmal auch die Verdauung, was auch deswegen heißt, manche machen sich vor Lachen in die Hose, und gleichzeitig erzeugt dieses Lachen oder die Humorreaktion ein wunderbares Umfeld, in dem Stress abgebaut wird, die Lebensfreude der Menschen sichtbar wird, soziale Kompetenzen und die Kommunikation gefördert wird - also insgesamt lauter tolle Reaktionen, wo man sagen kann: Dann ist der richtige Moment da, die Aufmerksamkeit wiederzuerlangen innerhalb von Hörsälen oder Seminaren, um dann die Leute aufmerksam zu machen für entsprechend wichtige Informationen.

    Götzke: Also Humor als auflockerndes Element zwischen zwei wichtigen oder komplexen Wissensblöcken?

    Suda: Genau, also im Mittelpunkt muss natürlich in den Hörsälen die Wissensvermittlung stehen und nicht irgendwie ein Clown mit roter Nase, der die Menschen bespaßt, sondern es geht darum, dass knappste Gut, um was wir alle kämpfen, die Aufmerksamkeit von diesen Menschen, wiederzuerlangen. Und da ist der Humor eine wunderbare Sache.

    Götzke: Wie beginnt den eine lustige Vorlesung?

    Suda: Da gibt es unterschiedliche Eröffnungsmöglichkeiten, zum Beispiel mit einer Mikrofonattrappe durch den Saal zu gehen und die Menschen zu fragen, was ihnen spontan zu einem bestimmten Thema einfällt, oder dass am Anfang, wenn man als Professor oder als Lehrender gezeigt hat, dass man Autorität in diesem Feld hat, kann man auch mal als andere Figur auftauchen und das kritisch beleuchten, oder man lässt fiktiv auf dem Handy einen Studierenden anrufen, der sich über den Stoff der letzten Stunde erkundigt.

    Götzke: Wo ist denn da die Grenze zwischen Klamauk und seriöser Wissensvermittlung?

    Suda: Diese Grenze ist wahrscheinlich bei jeder Person fließend. Der Humor, den man in einen solchen Raum einfügt, muss authentisch sein, der muss zur Person passen und es darf nie die Kompetenz oder die Autorität des Wissensvermittlers infrage gestellt werden.

    Götzke: Authentizität ist ein wichtiges Stichwort. Sie bilden Professorenkollegen weiter in Sachen humoristischer Vorlesungspraxis, um das mal so zu nennen.

    Suda: Genau.

    Götzke: Aber kann man jemandem, der einfach nicht lustig ist, so etwas beibringen?

    Suda: Also bisher hatten wir in unseren Kursen nie jemanden, der nicht lustig war. Da findet sicher am Anfang eine Selbstselektion statt, die sagt, ich gehe da hin, da kann ich noch etwas dazulernen, und diejenigen, die bei uns teilnehmen, die haben alle einen unheimlichen Sinn für Humor. Aber das, was sich zeigt, ist: Die brauchen diese zwei Tage, um rauszufinden, was denn zu ihnen passt, was ist authentisch, und es gibt einen wunderbaren Erfahrungsaustausch zwischen diesen Lehrenden, wo ich immer ganz, ganz viel dazulerne.

    Götzke: So etwas kann aber auch - da sind wir immer noch beim Stichwort Authentizität - peinlich werden im Vorlesungssaal, oder?

    Suda: Das wird in dem Moment peinlich, wenn man beispielsweise Späße auf Kosten von Minderheiten macht, die in diesem Raum verankert sind. Das ist etwas, wo dieses Kollektiv derjenigen, die da zuhören, das nie akzeptieren würde und sich dann dieser gesamte Druck sich gegen diesen Lehrenden hinterher richtet. Und dann hat man verloren.

    Götzke: Sagt der Politologe und Humor-Experte Michael Suda. Vielen Dank!