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Ladenhüter Blue Card

Deutschland wirbt seit Jahren um junge Fachkräfte aus Indien. Dass die Nachfrage gering bleibt, hat viele Gründe: Ein Hindernis ist die Sprache. Aber vor allem wissen nur wenige junge Inder, dass es in Deutschland die Blue Card gibt. Und nicht zuletzt fühlen sie sich im Kreis der neuen Arbeitskollegen oft nicht aufgenommen.

Von Thomas Wagner | 04.12.2012
    Ein großer Konferenzsaal im Hotel Sun-n-Sand im westindischen Pune: Auf der "Times Education Expo 2012”, eine Bildungsmesse mit internationalem Anstrich, erkundigt sich ein junger Mann am Stand des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Studienmöglichkeiten in Deutschland. Seine berufliche Zukunft sieht er allerdings in seinem Heimatland:

    "Nein, in Deutschland bleiben nach dem Studium, das möchte ich nicht. Ich werde nach Indien zurückkommen, um etwas für mein Land zu tun."

    Studieren in Deutschland: ja. Aber dort später arbeiten: eher nein. So verlaufen viele der Gespräche am DAAD-Stand. Und das liegt daran, dass die meisten jungen Inder so gut wie nichts über Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland wissen. Dhanashree Deodhar, Mitarbeiterin des DAAD in Pune, versucht dies in den vielen Gesprächen auf der Messe zu ändern:

    "Die vergleichen das mit den USA und der Green Card. Und dann fragen sie: Gibt es so etwas auch in Deutschland? Und es gibt ja jetzt diese Blue Card. Aber diese Blue Card ist sehr wenig bekannt. Wir machen das hier auf der Messe. Wir setzen das hier in die Zeitungen. Und in unseren Beratungen erklären wir das auch."

    Doch das ist kein einfaches Geschäft. Denn Deutschland ist nicht das einzige Land, das um die Gunst der häufig gut ausgebildeten indischen Nachwuchs-Ingenieure und IT-Experten wirbt.

    "Die Vereinigten Staaten, aber auch Großbritannien, aber ebenso Dubai und Singapur bieten für uns junge Inder sehr attraktive Arbeitsmöglichkeiten."

    Rashmi Parkhi, eine junge Frau Anfang 30, arbeitet im Indien-Office des deutschen Automobilzulieferers ZF. Sie hat beobachtet: Länder wie die USA oder England unternehmen erhebliche größere Anstrengungen bei der Anwerbung indischer Fachkräfte.

    "Andere Länder haben ständig so eine Art Bildungs-Agenten oder Bildungs-Botschafter nach Indien entsandt. Und die preisen ohne Unterlass die Arbeitsbedingungen in ihren Ländern an. Deutschland mag da durchaus ein interessantes Land sein. Aber Deutschland hat einfach bisher zu wenig unternommen, um auf die dort bestehenden Möglichkeiten aufmerksam zu machen."

    Hinzu kommt ein weiteres Problem – und daran lässt sich auch durch noch so gutes Marketing für die Jobmöglichkeiten in Deutschland nichts ändern.

    "Tatsache ist, dass die Inder eher Englisch sprachig sind. Und dieser Hemmschuh ist sicherlich einer, der dazu führt, dass sich nur ganz wenige für Deutschland interessieren würden."

    Johan Chacko weiß, wovon er spricht: Der gebürtige Inder hat erst an der Universität Karlsruhe studiert und dann als Manager beim Volkswagen-Konzern Karriere gemacht. Nun ist er als Leiter des VW-Werkes Pune für ein paar Jahre zurückgekehrt in seine alte Heimat. Er ist beredtes Beispiel dafür, dass man nur mit guten Deutschkenntnissen in Deutschland auch Karriere machen kann. Einige junge Inderinnen und Inder haben allerdings das genau erkannt.

    "Ich bin Omkar Soman. Ich lerne Deutsch am Goethe-Institut, weil ich das für meine Arbeit brauche. Ich lerne Veranstaltungs-Koordinator von Beruf."

    "Ich heiße Niha. Seit acht Jahren lerne ich Deutsch. Ich finde das toll. Um nach Deutschland zu gehen, also wenn man da arbeiten will, muss man die BLA am Institut machen."

    Omkar Soman und Neha Powral, zwei von über 650 Schülerinnen und Schüler am Goethe-Institut Pune. Dort freut sich Direktor Folco Nather über das zunehmende Interesse am Deutschkurs-Angebot. Allerdings: Einen Auftrag, die deutsche Blue-Card zu bewerben, so wie das von deutschen Unternehmensvertretern hie und da gefordert wurde, hat er noch nicht erhalten.

    "Dass deutsche Behörden den Auftrag erteilen würde, bitte bewerben Sie das. Da bin ich mir nicht so sicher, ob das erfolgreich wäre."

    Ihre Job-Angebote müssten deutsche Unternehmen, die indische Fachkräfte suchen, schon selbst bewerben. Eine Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut könnte sich Folco Nather dabei allerdings schon vorstellen:

    "Wenn deutsche Firmen auf uns zukämen und sagen würde: Wir sind auf der Suche nach diesen und jenen Qualifikationen und wir würden mit ihnen die Leute, die sie ausgewählt haben, sprachlich ausbilden – das wäre aus meiner Sicht der Erfolg versprechende Weg."

    Zu guter Letzt spielt noch ein weiterer Punkt mit: Inder leben selbst dann, wenn sie ins Ausland gehen, gerne unter Ihresgleichen. Der gebürtige Australier Ian Cathers leitet in Pune eine Berufsschule für Slumkinder und kennt sich in Bildungsfragen aus.

    "Wenn jemand von hier nach Deutschland oder in ein westeuropäisches Land geht, fühlt er sich häufig sehr einsam, sehr isoliert. Das ist für viele ein Riesenproblem!"

    Ein Land wie Deutschland müsse deshalb gerade indischen Fachkräften auch etwas bieten, was Ian Cathers menschliche Wärme nennt:

    "Da geht es nicht um irgendein Regierungsprogramm. Wichtig ist, wie herzlich ich von den Nachbarn willkommen geheißen werde, aber auch von den Arbeitskollegen im Unternehmen. Und ich glaube, das ist der springende Punkt."