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Ladesäulen für Elektro-Autos
Zuverlässiger Standard beim Stromzapfen

Zu viele Hersteller, zu wenige Regeln: Viele Ladesäulen für Elektroautos entsprechen dem Eichrecht nicht - und niemand kann nachhalten, ob die Ladestation auch tatsächlich die ausgewiesene Strommenge liefert und ob die Zeitdaten stimmen. Forscher entwickelten nun eine vertrauenswürdige Zapfsäule.

17.05.2019
Ein weißes Elektrofahrzeug vom Typ BMW i3 wird an einer E-Tankstelle aufgeladen
20 Zertifizierungsanträge für unterschiedliche Ladesäulen liegen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) derzeit vor (dpa / Patrick Pleul)
Die Ladesäule ist noch ein Prototyp. Auf der Messe seht sie relativ unauffällig am rechten Rand des Ausstellerstandes der der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Die Mitarbeiter dieser auf Mess- und Prüftechnik spezialisierten Bundesbehörde kümmern sich darum, dass genormte Größen auch eingehalten werden.
"Dass in Deutschland ein Kilogramm ein Kilogramm ist, dass diese Größen festgelegt sind, genauso das Gleiche mit Energie und Strom. Also wir kümmern uns drum, dass die Wirtschaft verlässliche Größen für ihre Interaktion hat."
Auftrag für eichrechtkonforme Ladesäule
Bei Ladesäulen für Elektroautos gibt es diese verlässliche Interaktion oftmals nicht, sagt Christoph Leicht, Leiter der Arbeitsgruppe Messeinrichtungen und Systeme für Elektrizität. Er herrsche Chaos. Zu viele Hersteller, zu wenige Regeln. Derzeit habe er 20 Zertifizierungsanträge für unterschiedliche Ladesäulen auf dem Tisch liegen. Und er arbeitet mit der Ostfalia, der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Braunschweig zusammen. Dorthin gab die PTB den Auftrag, eine eichrechtkonforme Ladesäule zu entwickeln. Prof. Rainer Bermbach stellte sie nun erstmals in Leipzig vor: "Damit könnte jedes E-Auto geladen werden."
Die Ladesäule würde alle relevanten Daten verlässlich und vor allem sicher erheben und weiterleiten. Sowohl Strommenge als auch den genauen Tankzeitpunkt.
"Wir benutzen hier das Network Time Protokoll, womit jeder Computer synchronisiert wird. Aber das ist primär auch ungesichert und wir verwenden das Network Time Security Protokoll, um das abzusichern."
Tasächlicher Stromverbrauch erfasst
Mit diesem Protokoll würden die Zeitinformation übermittelt. Der tatsächliche Stromverbrauch wird von einer sogenannten "mME", einer modernen Messeinrichtung erfasst.
"Die werden mit den gesicherten Zeitinformationen zusammengebracht, gestempelt, sagen wir, sodass der Startzeitpunkt oder der Endzeitpunkt genau erfasst werden mit gesicherter Zeit."
Dann kommt noch die Information dazu, wer tankt. Das geschieht über eine sogenannte "Transaktions-ID", man könnte auch Vorgangsnummer sagen. Das Ganze wird zusammengepackt und bildet dann einen neuen Messwert.
"Und der wird noch einmal kryptografisch gesichert, mit einer sogenannten Signatur, sodass man jederzeit nachprüfen kann, ist das der Wert oder wurde dieser Wert verfälscht."
Kontrollsystem gegen Betrug
Um in der Praxis zu überprüfen, ob eine bestimmte Stromzapfsäule auch tatsächlich die korrekte Zeit und Energiemenge meldet, ließ die PTB zusätzlich ein Kontrollsystem für Ladesäulen entwickeln. Das Gerät ist in etwa so groß wie ein handelsüblicher Computer. Es wird an die Ladesäule angeschlossen und simuliert den Tankvorgang, erläutert Christoph Leicht.
"Eine Ladesäule hat ja spezielle Stecker und da kommt nicht einfach nur Energie raus, sondern die müssen sich erst mit dem Auto abstimmen: Hallo hier ist das Auto, hallo hier ist die Ladesäule. Wie viel Energie kann ich denn aufnehmen, welche Leistungen können übertragen werden?"
Dieses Mini-Messsystem erkennt, ob die Ladestation auch tatsächlich die Strommenge liefert, die auf der Rechnung steht und ob die Zeitdaten stimmen. Doch bietet die neue eichkonforme Ladesäule und samt Kontrolltechnik Elektroauto-Besitzern nun tatsächlich die Gewissheit, dass beim Stromtanken alles korrekt abläuft? Mathias Dalheimer vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik sagt, das Eichrecht werde da eingehalten. Aber die Kundendaten wären immer noch nicht hinreichend gesichert – die Hürden für Betrüger niedrig.
Ladekarten leicht manipulierbar
"Man kann mit relativ einfachen Mitteln eine Ladekarte kopieren. Diese Szenarien gibt es nach wie vor - und da ändert dieser Ansatz auch nix dran."
Der IT Experte sagt, er habe darüber mit unterschiedlichen Unternehmen, die Ladesäulen herstellen und betreiben, gesprochen. Allerdings sähen die keinen Handlungsbedarf.
"Die Lücke wird nicht hinreichend ausgenutzt, sodass es keine wirklichen finanziellen Schäden gibt. Insofern gibt es keinen Entwicklungsdruck, da aktiv zu werden. Im Endeffekt bleibt der Verbraucher, wenn so was passiert, auf den Kosten sitzen."