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Lächelnde Luna

Vier Jahrzehnte nach den bemannten Mond-Flügen der USA ist der Nachbar der Erde wieder schwer im Kommen. Die Russen wollen endlich einmal zum Mond, die Inder und Chinesen zum ersten Mal, die Amerikaner wieder einmal. Verpasst eine Nation den Anschluss, wenn sie nicht mitmacht? Genau das behaupten jetzt die deutschen Raumfahrt-Institute und versuchen der Bundesregierung unter dem Namen Mona Lisa eigene Pläne schmackhaft zu machen.

Von Guido Meyer | 03.06.2007
    Wir schreiben das Jahr 1979, als Shirley Bassey ihren Moonraker-Song singt. Es ist das Thema zum gleichnamigen James-Bond-Film, in dem ein Gangster Space Shuttles entführen lässt und sie zu einer geheimen Raumstation schickt - nicht etwa zum Mond.

    Die ausgehenden siebziger Jahre bieten Platz für Science Fiction dieser Art: Das Apollo-Mond-Programm der Amerikaner ist zu Ende, die neuen Raumfähren werden gerade gebaut und getestet. Ihr Ziel ist der erdnahe Orbit. Der Mond hat seinen Zauber für die Wissenschaft wie für die Medien verloren.

    " Es ist bemerkenswert, dass die Menschheit seit drei Jahrzehnten nicht mehr auf dem Mond war. Hätte man damals vorhergesagt, dass es mehr als dreißig Jahre dauern würde, bis wieder Menschen dorthin fliegen, hätten wir das alle für lächerlich gehalten und gedacht, dass in diesem Zeitraum Astronauten schon längst auf dem Mars gelandet sein würde."

    Sally Ride war Amerikas erste Astronautin im All. 1983 ist sie mit der Raumfähre Challenger in den Weltraum geflogen. Die Space Shuttles hatten Anfang der achtziger Jahre das Mondprogramm der Apollo-Jahre abgelöst.

    Nun tritt umgekehrt wieder ein Mondprogramm an die Stelle der Shuttle-Flotte. Das Columbia-Unglück vom Februar 2003 war Anlass, auf höchster Ebene umzudenken. Im Januar 2004 gab US-Präsident George Bush der NASA den Mond als neues Ziel vor. Obwohl der eigentlich ein altes Ziel war, wirkte die Kursänderung für viele Beobachter wie ein Befreiungsschlag. Nach drei Jahrzehnten des ständigen Kreisens um den eigenen Planeten hatte die Raumfahrtbehörde eine neue Vision. Ihre Umsetzung sollte die NASA gleichzeitig aus der Lähmung durch das Columbia-Unglück lösen und von den vermeintlichen Fesseln zwischenstaatlicher Kooperation bei der Internationalen Raumstation befreien.

    " Unser Ziel ist die Rückkehr zum Mond als Startplatz für Missionen, die weiter in den Weltraum vordringen. Mit dem Crew Exploration Vehicle können ab 2015 Menschen zum Mond fliegen und vor Ort dauerhaft leben und arbeiten."

    George W. Bush positionierte die USA mit dieser Rede an der Spitze einer Bewegung, die von Asien ausging und die Amerikas Raumfahrt ansonsten fast unbemerkt überholt hätte: China, Indien und Japan entwickeln bereits seit Ende der neunziger Jahre eigene Sonden, die in den kommenden Jahren zum von Amerika lange vernachlässigten Mond fliegen sollen.

    Für Raumfahrtneulinge ist ein Flug zum Erdtrabanten eine Art Gesellenstück, mit dem sich das jeweilige Land im All beweisen kann. Eine solche Mission ist ehrgeiziger, als lediglich den Heimatplaneten zu umkreisen; gleichzeitig ist sie jedoch nicht zu anspruchsvoll: Der Mond ist nah und ohne große flugtechnische Kunststücke zu erreichen. Somit liegt der Flug zum Erd-Begleiter auch für Europas aufstrebende Raumfahrt nahe.

    " Von der Industrie her weiß ich, dass wir bereits seit 6 oder 7 Jahren an dem Thema Mond arbeiten und auch mit Forschern in sehr intensivem Gedankenaustausch sind und auch das Thema von der Bedarfsseite her bearbeitet haben. Also unabhängig von der Äußerung von Herrn Bush und von dem Statement von Herrn Bush wäre eine Initiative aus Europa initiiert worden."

    Hartmut Müller von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt. Während in den USA die Rückbesinnung auf den Mond also von oben verordnet wurde, ist dieser Trend in der Alten Welt sozusagen natürlich gewachsen und wissenschaftlich begründet. Amerika bemüht sich derzeit hauptsächlich um die Entwicklung neuer Raketen und Schwerlastträger, ohne genau zu wissen, was es damit zum Mond schießen will. Europa umgekehrt hat zwar kein Beförderungsmittel - aber viele Ideen.

    " Was wir festgestellt haben, dass eine zunehmende Anzahl von Wissenschaftlern wirklich Interesse an Forschung auf dem Mond hat, weil der Mond einmalige Forschungsbedingungen bietet, die wir sonst nicht im Weltraum und auch nicht auf der Erde wieder finden."

    In der Tat ließe sich der Mond als außer-irdisches Labor zum Beispiel für astronomische Projekte nutzen, um also ungestört von irdischen Funksignalen den Sternenhimmel zu beobachten. Astrobiologen wollen auf dem Mond Experimente durchführen, bei denen sie Erfahrungen für interplanetare Langzeitflüge sammeln. Der Mond könnte somit ein Testfeld werden für eine bemannte Mission zum Mars.

    Der Aufbau der Internationalen Raumstation nähert sich seinem Ende, der Weltwirtschaft geht es gut, die Sterne stehen günstig für einen neuerlichen Run auf den Mond. Offenbar ist diese Aussicht so verführerisch, dass die Deutschen einem ihrer Mondprojekte den Namen der geheimnisvoll lächelnden Mona Lisa gaben. Rolf Janovsky, Direktor der Explorationsabteilung für Mond und Mars beim Raumfahrtunternehmen OHB-System in Bremen.

    " Wir stehen hier vor der Sonde aus dem Mona-Lisa-Programm. Diese Sonde repräsentiert ein Modell unseres Programms zum Mond. Und Mona Lisa - wir haben diesen Namen gewählt, weil jeder damit dieses schöne Gemälde verbindet, diese hübsche Frau, die so viel sagend lächelt und ihr Geheimnis aber auch noch nicht preisgeben will. Das ist ein Name, der anschaulich und einprägsam ist, und so haben wir ein technisches Objekt mit einem sehr schönen Gemälde verbunden."

    "Wir kommen jetzt zum Hauptkomplex." - "Da wird der Moonraker hergestellt." - "Ja - Werkstätten, Büros, Hangars, Entwurfsabteilungen, Labors und Testzentren - alles." - "Sehr imponierend."

    Auch die europäischen Mondpläne gleichen derzeit noch einer großen Baustelle, verteilt auf diverse "Werkstätten, Büros, Hangars, Entwurfsabteilungen, Labors und Testzentren", überall auf dem Kontinent. Mona Lisa zum Beispiel steht in Bremen...

    " Wir sehen hier eine große Struktur mit 4 Landebeinen, einem großen, zentralen Triebwerk, vielen Tanks und Solargeneratoren und einigen Ausrüstungsgegenständen. Dieses Fahrzeug ist dazu konzipiert, um Nutzlasten von der Erde zum Mond, auf die Mondoberfläche, zu transportieren und dort zu betreiben."

    Fürs Auge gibt Mona Lisa nicht viel her. Die Sonde macht ihrer Namensgeberin optisch keine Ehre, sieht unspektakulär aus und ist wesentlich kleiner als der Eagle, mit dem die Amerikaner zu Apollo-Zeiten bemannt auf dem Mond gelandet sind. Mona Lisa ist nur eine Trägerstruktur, ein Beförderungsmittel, das für jede Mission mit einer wissenschaftlichen Nutzlast bestückt werden muss.

    " Wir haben dieses Fahrzeug so konzipiert, dass die Missionsdauer bis zu 6 Wochen betragen kann. Und in dieser Zeit stellt dieses Fahrzeug alle Ressourcen zur Verfügung, die diese Nutzlast benötigt, d h. eine Thermalkontrolle, Energieversorgung, Kommunikation, Datenauswertung - all diese Infrastruktur wird von dem Landefahrzeug für die Nutzlast zur Verfügung gestellt. Wir haben dieses Fahrzeug für eine Nutzlastmasse von 100 kg konzipiert. Eine dieser Nutzlasten könnte zum Beispiel ein AstroHab sein."

    Beim AstroHab handelt es sich um ein kleines, autonomes Forschungslabor in Form einer Palette, die auf die Trägerstruktur Mona Lisa aufgesetzt wird. Es kann bestückt werden mit Experimenten aus den Lebenswissenschaften, der Geologie und der Astrobiologie. Nachdem sich die vier Solarpanele der Muttersonde auf dem Mond entfaltet haben, packt sich das AstroHab selbst aus. - Mona Lisa beginnt zu lächeln. Matthias Dünne aus dem Bereich Raumfahrt und Umwelttechnik beim Weltraumkonzern OHB-System beschreibt die mögliche astrobiologische Variante dieses Labors.

    " Das AstroHab ermöglicht, den Einfluss der veränderten Bedingungen, den wir im Weltraum haben - d h. veränderte Strahlung, nicht vorhandene Schwerkraft - für eine längere Zeit zu untersuchen. Das hat einerseits Nutzen für Prozesse auf der Erde, im Zusammenhang mit Medizin, u. a. das Vestibularsystem, also Schwerkraftsystem des Menschen. Und weiterhin werden wir mit diesen Erkenntnissen dann es ermöglichen, zum Mars zu reisen, weil wir auf diesen langen Mars-Reisen eben entsprechende biologische Einheiten brauchen, die das Leben eines Menschen dort überhaupt erst ermöglichen."

    Das AstroHab ist eine Blackbox, die Wissenschaftlern verschiedene Ergebnisse liefern kann. Dies können abstrakte Messdaten sein, aber auch auf dem Mond hergestellte Produkte wie Nahrungsmittel oder Sauerstoff. Das AstroHab könnte auch Recycel-Verfahren auf dem Mond demonstrieren, indem es die Entfernung von Schadstoffen aus dem Wasser durchspielt oder andere Prozesse und Kreisläufe, die für langfristige Aufenthalte von Astronauten im All nötig sind. Astrobiologen sprechen von der Erforschung und vom Betrieb geschlossener, ökologischer Lebenserhaltungssysteme. Eine der möglichen Fragen dabei ist, ob Pflanzen auf dem Mond Photosynthese genauso effizient durchführen wie auf der Erde.

    " Es gibt Algenreaktoren zur Sauerstoffproduktion. Da ist es generell erst ´mal denkbar, dass bei veränderter Schwerkraft, veränderten Strahlenbedingungen, Algen weitaus weniger produktiv sind."

    Mona Lisa und ihr AstroHab könnten im nächsten Jahrzehnt Wirklichkeit werden - entweder als nationale Mission, gefördert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder im Rahmen der Explorationspläne von Europas Weltraumagentur ESA.

    Eine Mondlandemission wie Mona Lisa ist aus Sicht des DLR allerdings schon Schritt zwei der Monderkundung. Schritt eins wären Messungen und Beobachtungen von einer Mondumlaufbahn aus. Daher liebäugelt das DLR für eine rein deutsche Mond-Mission eher mit der Idee des Lunar Exploration Orbiters.

    LEO wird vom Raumfahrtkonzern EADS vorgeschlagen und hat derzeit die größeren Chancen auf Realisierung, trotz des verführerischen Lächelns des Konkurrenzkonzeptes Mona Lisa von OHB.

    " Wir fokussieren von der Raumfahrtagentur aus auf den Lunar Exploration Orbiter - kein Landegerät, ein Orbiter -, der 4 Jahre lang in 50 km Höhe - oder fast schon muss man sagen Tiefe - fliegt, also wirklich nah an der Mondoberfläche dran. Nach meiner Einschätzung wird's zunächst natürlich einen Orbiter geben, und dann wird man natürlich auch landen."
    Friedhelm Claasen, zuständig für Bemannte Raumfahrt, ISS und Exploration am Bonner Sitz des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zwar würden sich beide Projekte durchaus sinnvoll ergänzen - eine Sonde und ein Lander -; Sie konkurrieren jedoch um dieselben Fördergelder aus dem Bundesministerium für Wirtschaft. Walter Döllinger, beim DLR Direktor für bemannte Raumfahrtprogramme, plädiert zunächst einmal für die Sonde.

    " Wir wollen eine Mondmission mit einer Sonde fliegen, mit hervorragenden Instrumenten. Was uns vorschwebt vom Mond sozusagen wäre eine vergleichbare Aufnahme wie bei dieser MarsExpress-Kamera, die wir ja jetzt geflogen haben um den Mars herum mit fantastischen 3D-Bildern in Farbe, Topografie pur mit einer hohen Auflösung. Das gleiche möchten wir mit dem Mond machen: die gesamte Oberfläche mit dieser Kamera kartieren. Dann können Sie quasi mit dem Hubschrauber virtuell über den Mond fliegen, alle Krater beobachten und auch spätere Landeplätze vorbereiten, wo man dann später ggf. eine Mondbasis errichten will."

    Naturgemäß haben es große Raumfahrtkonzerne leichter, wenn sie Projekte vorschlagen. EADS oder OHB haben mehrfach bewiesen, dass sie in der Lage sind, international wettbewerbsfähige Raumsonden zu bauen. Sie verfügen über das Know How und die Manpower in ihren europaweit verteilten Niederlassungen. Aber auch aus wissenschaftlichen Einrichtungen kommen Modelle für Mond-Missionen. So schlägt die Universität Stuttgart die Lunar Mission BW 1 vor. "BW" steht für Baden-Württemberg, und "1", weil es die erste Mission aus dem Schwabenland Richtung Mond werden soll. René Laufer, Diplom-Ingenieur am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart, ist Projektleiter von BW 1.

    " Wir wollen als erste Universität auch einen universitären Kleinsatelliten mal jenseits des Erdorbits fliegen, zum Mond. Das ist ein kleiner Satellit, der den Mond umkreisen soll, Fernerkundung betreiben soll, die Mondoberfläche erforschen soll, Fotos machen soll, mit anderen Instrumenten sich das anschauen soll, bevor er dann am Ende der Mission auf die Oberfläche herunterfällt."

    BW 1 ist ein würfelförmiger Satellit mit etwa einem Meter Kantenlänge. Mit seiner Hilfe sollen erstmals zeitgleiche Beobachtungen der Mondoberfläche aus der Umlaufbahn und von Amateurastronomen auf der Erde möglich sein. Wie für die Pläne aus der Industrie auch gilt jedoch: Die Finanzierung ist keinesfalls gesichert, die Durchführung somit ungewiss.

    " Wir hoffen, dass wir gegen Ende der Dekade dann diese Mission zum Mond starten können. Mit elektrischen Antriebssystemen dauert's dann ´ne Weile, vielleicht 1 1/2 bis 2 Jahre, so dass wir also gegen Ende der Dekade, Anfang der nächsten Dekade am Mond sein wollen."

    Ein anderes Modell aus Baden-Württemberg wartet ebenfalls auf eine Fluggelegenheit zu einem anderen Himmelskörper unseres Sonnensystems, egal welchen: Mars, Venus, Merkur oder Mond. Der Rover Nanokhod (sprich eingedeutscht: Nano-kott) ist universell einsetzbar. Sabine Klinkner, zuständig für robotische Systeme beim Raumfahrtunternehmen von Hoerner & Sulger im baden-württembergischen Schwetzingen.

    " Der Nanokhod ist ein kleiner Microrover, der für die Erkundung von planetaren Oberflächen entwickelt worden ist. Es ist ein kleines Konzept mit 2 Kettenkästen und einer beweglichen Nutzlastbox in der Mitte. Und das Konzept ist mit Hilfe von 2 Tetherkabeln mit dem Lander verbunden und bleibt es während der ganzen Mission. Darüber kriegt er seine Energieversorgung und macht die Kommunikation zum Lander und die dann wiederum zum Orbiter oder zur Erde, je nach dem, was für ´ne Mission man sich vorstellt."

    Ein Raupen-Rover in Schuhkartongröße an der Leine also. Nanokhod ist kompatibel mit dem Lander Mona Lisa, den er als Bodenstation nutzen könnte. Er könnte aber genauso mit LEO, der Sonde in der Umlaufbahn, zusammenarbeiten, da diese den Mond umkreist und die Daten des Rovers weiterleiten könnte zur Erde.

    " In der Nutzlastbox befinden sich alle Instrumente, die dann eben in situ alle Untersuchungen an Steinen oder an der Oberfläche des Planeten machen, und somit hat man ein mobiles Gerät, was in der Umgebung des Landers Untersuchungen machen kann, ohne jetzt auf den Landepunkt beschränkt zu sein."

    Fast wäre ein Exemplar des Nanokhods schon einmal zum Einsatz gekommen, und zwar als Untermieter bei der Sonde VenusExpress, die derzeit unseren Nachbarplaneten umkreist. Die europäische Weltraumagentur ESA hatte jedoch letztlich auf die Mitnahme eines Rovers verzichtet, weil er auf der heißen Venus-Oberfläche womöglich geschmolzen wäre. Nun ist sein Einsatz für Europas Flug zum sonnennächsten Planeten Merkur 2009 im Gespräch. Oder er fliegt auf den derzeit so begehrten Mond.

    Dass allein aus der Bundesrepublik so viele Ideen kommen - für einen Orbiter, einen Lander und einen Rover - zeigt wie ausgeprägt der aktuelle Run auf den Mond ist.
    Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt schmiedet man sogar noch weitere Pläne für eine automatische Mission, die Mond-Gestein zur Erde fliegt. Ognjan Božič (sprich: Bo-sitsch, kurzes o) vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig erläutert diese Mond-Mission, die aus zwei Bauteilen besteht.

    " Die erste Komponente ist ein Orbitersatellit. Dieser Satellit wird haben mehrere Funktionen. Eine Funktion ist rein wissenschaftlich: Es geht um <sogenanntes remote="" sensing=""> Fernerkundung aus Mond-Umlaufbahn. Aber wir brauchen auch eine Relaisstation, die Signale von Lander auch zur Erde bringen."

    Hier ähnelt das DLR-Konzept dem von LEO, dem Lunar Exploration Orbiter, der den Mond ebenfalls auf einer Umlaufbahn umkreisen würde. Doch die Ideen des DLR reichen wesentlich weiter. Der zweite Bauteil dieser Sonde soll auf dem Mond landen, mit Hilfe eines Roboterarms Proben entnehmen, wieder starten und das Mondgestein zur Erde fliegen.

    Falls eine solche Mission jemals stattfindet, dann vollzieht sie scheinbar nur das nach, was die Amerikaner bereits vor fast vierzig Jahren bemannt vorgemacht haben.

    Mondproben liegen längst in den großen naturkundlichen Museen; mitgebracht von den bemannten Apollo-Missionen der NASA in den siebziger Jahren. Dennoch sieht das DLR in seinem Vorschlag eine sinnvolle Ergänzung.

    " Bis jetzt haben Apollo-Programm und Lunar-Programm am meisten Proben waren gesammelt in äquatorialer Ebene. Aber hochinteressante Ebene sind Polar-Ebene und Ebene zwischen 60 und 80° Luna-Breite. Dort, in diesem Bereich, sind sehr starke Vulkanaktivitäten gewesen, und eigentlich Mondproben aus diesem Bereich sind hochinteressant."

    So interessant Bodenproben aus diesen Mond-Gegenden sein mögen, so anspruchsvoll ist es, eine solche Mission umzusetzen. Bislang hat noch nie eine Raumsonde von irgendeinem Himmelskörper unseres Sonnensystems automatisch Proben entnommen und sie zur Erde geflogen. Wegen technischer Schwierigkeiten hat die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA ihre Pläne vorerst auf Eis gelegt, Bodenproben des Mars´ zur Erde zu fliegen. Die bloße Tatsache, dass der Mond der Erde näher ist als der Rote Planet, macht den erfolgreichen Ablauf einer robotischen Entnahme von Mond-Proben nicht einfacher.

    Aus Moonraker: "Was wissen Sie über den Moonraker?" - "Das, was ich in den Zeitungen gelesen habe, Sir."
    Deutschland ist nicht das einzige Mitgliedsland der europäischen Weltraumagentur ESA, das derzeit mit verführerischen Vorschlägen für Mond-Missionen glänzt. Angelehnt an James Bond will Großbritannien zum Beispiel einer real existierenden Raumsonde den Namen Moonraker geben, eine weitere soll MoonLITE heißen. Die Pläne dazu stammen vom Raumfahrtunternehmen Surrey Satellite Technology und wurden vom britischen Forschungsbeirat für Astronomie und Teilchenphysik in Auftrag gegeben - im Auftrag ihrer Majestät, sozusagen. James Bond lässt grüßen. Entsprechend scharf soll die erste der beiden britischen Mond-Sonden schießen.

    " Wir wollen ein Netzwerk von Penetratoren aufbauen. Vier solcher Harpunen sollen an verschiedenen Stellen auf der Vorder- und Rückseite des Mondes wie massive Pfeile in seine Oberfläche eindringen. Mit ihnen können wir seismologische Messungen anstellen und Wärmewanderungen im Mond-Boden nachvollziehen. Dies wiederum würde uns Hinweise auf den inneren Aufbau des Mondes geben und auf seinen Kern, über den wir derzeit nicht viel wissen."

    Yang Gao von der University of Surrey. Gemäß ihrem Namen soll die Sonde MoonLITE Licht ins Dunkel der Mondrückseite und tiefer liegender Schichten des Mondbodens bringen. "Lite" wie ´Licht´ aber auch wie ´leicht´: Die Sonde soll nur rund achtzig Millionen Euro kosten. Zündet MoonLITE, könnte bald der Moonraker folgen.

    " Der Moonraker soll die Oberfläche vor Ort untersuchen. Wir wissen derzeit zwar, dass der Mond insgesamt sehr alt ist, aber jüngste Erkenntnisse zeigen uns, dass er auch über Strukturen verfügt, die mit 1,3 Milliarden Jahren relativ jung sind. Diese wollen wir genauer datieren, weil uns das helfen würde, den Ablauf der Kraterbildung nachzuzeichnen. "

    Ob wirklich bald zwei Sonden mit wehendem Union Jack um den Mond herumkreisen werden, hängt diesmal nicht von Europas Weltraumagentur ab. Bei der ESA steht man Vorschlägen zu Landemissionen made in Britain skeptisch gegenüber, seit die britische Raumfahrtagentur BNSC Ende 2003 den Mars-Lander Beagle 2 in den Sand gesetzt und bis heute nicht wiedergefunden hat. Die BNSC sähe es zwar gerne, wenn die Projekte im Rahmen einer europäischen Weltraumpolitik realisiert werden würden, will sie aber auch eigenständig umsetzen.

    Während sich die Europäer mit unbemannten Missionen beschäftigen, haben die Amerikaner ein ehrgeizigeres Ziel: Astronauten sollen Ende des kommenden Jahrzehnts nicht nur zum Mond zurückkehren, sondern dort mit dem Bau einer permanent bewohnten Mond-Basis beginnen. Spätestens dann kommen die bis dahin getesteten automatischen Lebenserhaltungssysteme zum Zuge, wenn es also darum gehen wird, vor Ort Pflanzen zu züchten oder Sauerstoff zu recyceln. Hilfreich wäre, wenn zumindest das kostbare Gut Wasser nicht eigens vom Heimatplaneten auf den Mond importiert werden müsste. Noch einmal Rolf Janovsky vom Raumfahrtkonzern OHB.

    " Die erste Frage, die wir überhaupt klären müssen, ist: Gibt es dort überhaupt Wasser? Es gibt ja Indikationen von Radarsystemen, es gibt Informationen aus Orbitern - die sind widersprüchlich. Letztlich können wir die Frage, ob es nur Wasser gibt, nur dadurch beantworten, indem wir in diese Krater hineingehen, d h. der erste Schritt wird sein, bevor wir an einen Abbau überhaupt denken, nachzuschauen ob Wasser da ist, in welcher Form es vorhanden ist, in welchen Mengen es vorhanden ist, in welchen Tiefen es vorhanden ist."

    Zuletzt hatten die amerikanischen Sonden Clementine und Lunar Prospector in den neunziger Jahren Anzeichen von Wasser-Eis an den Innenwänden von Kratern an den Polen des Mondes gefunden. Endgültige Beweise stehen jedoch bis heute aus. Im nächsten Jahr will die NASA den Lunar Reconnaissance Orbiter auf die Reise schicken, der - ebenfalls von einer Umlaufbahn aus - erneut nach Wasser auf dem Mond suchen wird.

    " Wenn wir das alles wissen, dann können wir daran denken, an diese wirklich sehr schwere Aufgabe heranzugehen, dieses Wasser aus diesen Kratern herauszuholen, und das wird eine extrem anspruchsvolle Aufgabe werden, weil die Krater für diese Art von Abbau eine sehr unfreundliche Umgebung darstellen. Es ist extrem kalt, Sie können überhaupt nichts sehen, Sie haben sehr steile Kraterhänge, Sie müssen das völlig autonom machen, Sie haben keine Funkverbindung zur Erde. Es wird eine robotisch extrem anspruchsvolle Aufgabe."

    In Kratern vorhandenes Wasser-Eis abzubauen wäre billiger als es von der Erde zum Mond zu fliegen, obwohl auch der Abbau sehr schwierig ist. René Fléron von der Technischen Universität von Dänemark nahe Kopenhagen erläutert eine Destilliervorrichtung für lunares Wasser-Eis.

    " Im Prinzip wollen wir das Wassereis mit Hilfe des Sonnenlichts aus den Kratern verdampfen. Wir könnten es so aus dem Regolith heraus destillieren, bräuchten das Mondgestein selbst also nicht zu bewegen. Ein Spiegel am Kraterrand würde die Strahlen der Sonne bündeln und auf das Eis lenken. Es würde schmelzen und dabei direkt vom festen in einen gasförmigen Zustand übergehen. Wenn dieser Wasserdampf aufsteigt, trifft er auf eine Auffangvorrichtung, auf der er wieder gefriert. Diesen Absorbier-Behälter würde ein Roboter aus dem Krater bergen. Astronauten können ihn dann in ihrer Mond-Basis erhitzen und so flüssiges Wasser erhalten."

    Wasser ist nicht der einzige mögliche Bodenschatz auf unserem Nachbarn im All. Die Mondkruste besteht überwiegend aus Aluminium, Kalzium, Eisen und Titan. Doch auch ein auf der Erde seltenes Element dürfte dort vorkommen, so der deutsche Astronaut Ulrich Walter.

    " Es gibt zum Beispiel Untersuchungen, inwieweit Helium 3 auf der Mondoberfläche ist. Helium 3 ist ein Isotop, was man sehr gut für Fusionsreaktoren auf der Erde gebrauchen könnte."

    Helium 3 ist in gebundener Form im Mond-Regolith vorhanden, im Mondgestein also, und müsste aus diesem extrahiert werden, genauso wie das Wasser-Eis. Bei einer Kernfusion könnte es mit dem Wasserstoff-Isotop Deuterium verschmelzen; ein Prozess, der nach dem gleichen Prinzip abläuft wie das Sonnenfeuer. Bislang gibt es solche Kernfusions-Reaktoren jedoch noch nicht. Noch einmal Walter Döllinger vom DLR.

    " Da bin ich zu nüchtern. Dieses Thema mit Helium 3, sozusagen ein Rohstoff für Kernfusion, um damit Energie zu erzeugen, oder auch abbaubare Rohstoffe - das weiß keiner. Da mag es vielleicht Schätze geben, nur man muss einfach sehen: Diese zu bergen und auf die Erde zu führen, wie auch immer, das ist sozusagen eine exorbitante Aufgabe. Ich würde sagen, in erster Näherung, das sind wissenschaftliche Ziele der Erforschung des Mondes, aber bitte jetzt nicht zu versuchen für den Steuerzahler, ´wir können da vielleicht Rohstoffe abbauen, die wir für die Erde nutzen können´. Das macht keinen Sinn."

    Mit dem Mond wird auf Dauer kein Geld zu machen sein, zumindest nicht mit den europäischen und amerikanischen Plänen. Das notorisch finanzschwache Russland denkt deshalb daran, zahlende Weltraumtouristen künftig nicht nur zur Internationalen Raumstation zu schicken, sondern auf Mondumkreisungen. In wenigen Jahren sollen die Sojus-Raumschiffe entsprechend umgerüstet sein. Auch Pläne für ein Hotel auf dem Mond gibt es bereits. Vielleicht werden also weder amerikanische Astronauten noch ein internationales Raumfahrer-Team als nächste auf dem Erd-Trabanten landen. Stattdessen mögen es Multi-Millionäre auf Privat-Urlaub sein, die NASA und ESA die Show stehlen und uns vom Mond aus lächelnd zuwinken.</sogenanntes>