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Länderfinanzausgleich
Schäubles "Milchmädchenrechnung"

Bundesfinanzminister Schäuble will offensichtlich mit einer milliardenschweren Geldspritze die Länder zu einer grundlegenden Reform der staatlichen Finanzbeziehungen bringen. Kritik für diesen Vorschlag kommt von den Ländern. Der baden-württembergische Finanzminister Schmid (SPD) sprach von einer "Milchmädchenrechnung".

Von Theo Geers | 29.04.2015
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei einer Pressekonferenz zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank.
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei einer Pressekonferenz zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank. (AFP / /Nicholas Kamm)
    Mit sieben Milliarden Euro will Wolfgang Schäuble die stockenden Verhandlungen über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen wieder in Gang bringen. Das Geld vom Bund soll helfen, dass im komplizierten Finanzausgleich Geberländer die von ihnen verlangte Entlastung erhalten und Nehmerländer etwa in Ostdeutschland nicht schlechter dastehen als heute. Von dort, aber auch aus anderen Ländern, kommt jedoch schon jetzt Widerstand.
    Denn Schäuble möchte nicht nur Geld ins Umverteilungssystem schießen, er will auch an das System selbst heran und dabei den sogenannten Umsatzsteuervorwegausgleich völlig abschaffen. Dort werden Einnahmen aus der Mehrwertsteuer umverteilt, die großen Zahler sind Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, die größten Empfänger heißen Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Fiele dieser Umsatzsteuerausgleich weg, könnten die Geberländer mehr eigene Einnahmen behalten, sie stünden besser da. Und damit die Nehmerländer sich nicht verschlechtern, würde Schäuble in seine Bundesschatulle greifen. Allerdings würde ihn das nur etwa 3,5 Milliarden Euro an frischem Geld kosten, das haben die Länder längst nachgerechnet, so Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans gegenüber dem WDR:
    "In diese sieben Milliarden rechnet der Bundesfinanzminister vieles ein, das so oder so zu bezahlen ist vom Bund. Es geht um Entflechtungsmittel, es geht um Mittel für Gemeinde- und Verkehrsfinanzierungen, also alles Dinge, die schon vorher da waren, die bleiben müssen. Das ist nicht der Ausgleich, den der Bund bringen muss."
    Kritik aus Bayern und Baden-Württemberg
    Heißt übersetzt: Schäuble kommt nur deshalb auf optisch hohe sieben Milliarden Euro, weil er Zahlungen des Bundes, die auch jetzt schon an die Länder fließen etwa für den öffentlichen Nachverkehr oder den Wohnungs- und Hochschulbau, einfach mit einbezieht. Die Ostländer lehnen daher Schäubles Vorschlag komplett ab, Niedersachsens Finanzminister Schneider spricht von von mangelnder Ausgewogenheit, Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmidt von einer Milchmädchenrechnung. Ihn stört wie Bayerns Finanzminister Markus Söder noch ein weiterer Punkt: Schäuble will künftig auch die Finanzkraft der Kommunen mit berücksichtigen. Das träfe Bayern und Baden-Württemberg mit ihren reichen Kommunen, weshalb auch Söder im Bayrischen Rundfunk zu Schäubles Vorschlag "Nein" sagt:
    "Abschaffungen von Umsatzsteuervorausgleich beispielsweise begünstigen nur Nordrhein-Westfalen und belasten Bayern zusätzlich. Genauso wie eine Anhebung der Gemeindefinanzkraft, auch da würde Bayern für den Fleiß der eigenen Kommunen bestraft."
    Schäuble, da sind sich alle Länder einig, muss mehr als nur sieben Milliarden brutto und dreieinhalb Miliarden netto in den Umverteilungstopf geben. Doch genau das hat der Bundesfinanzminister nicht vor, betont sein Sprecher Martin Jäger. Immerhin: Es ist die allgemein akzeptierte Grundlage für Gespräche, die auch dadurch schwerer geworden sind, das Angela Merkel und Horst seehofer Anfang März beschlossen, den Solidarzuschlag ab 2020 abzuschmelzen. Die Länder wollten an den Einnahmen daraus zur Hälfte beteiligt werden. Das wären rund 10 Mrd. Euro und von dieser Forderung kommen sie nur sehr schwer herunter, so Norbert Walter-Borjans:
    "Der Bund muss von aus dem was er vom Soli bis 2030 einnehmen wird mit Sicherheit mehr in Waagschale werfen müssen als bisher vorgesehen."