Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Lärmproblem und fehlender Umweltschutz

Es war eine Wachstumsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Nicht einmal 200.000 Passagiere nutzten im Jahr 1950 den Flughafen Frankfurt, im vergangenen Jahr wurden über 50 Millionen Fluggäste gezählt. Jetzt soll eine neue Landebahn gebaut werden. Vor dem Landtag hat deshalb eine Anhörung über den Landesentwicklungplan begonnen, bei dem auch die Umweltverträglichkeit ein Thema ist.

Von Anke Petermann | 15.02.2007
    Das Zentrum für Angewandte Psychologie, Umwelt- und Sozialforschung in Bochum hat eine repräsentative Umfrage im Rhein-Main-Gebiet gemacht, und zwar dort, wo laut Messungen der Fluglärm am stärksten ist. Zum Ergebnis Dirk Schreckenberg:

    "Bei dem Wert 62 Dezibel, da sagt man aufgrund von umfangreichen Literaturanalysen und Erkenntnissen, dass bei 62 Dezibel 25 Prozent der Bevölkerung hoch belästigt ist, und diese 25 Prozenthoher Belästigung, die haben wir schon bei 55 db hier im Rhein-Main-Gebiet, und wenn diese 25 Prozent erreicht sind, dann ist es eine starke Umwelteinwirkung."

    Ende vergangenen Jahres hat der Bundestag das lange umstrittene Fluglärmgesetz verabschiedet. Für morgen wird die Zustimmung des Bundesrats erwartet. Als "Lex Fraport", als Gesetz zugunsten der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens und deren Ausbaupläne, hatten Grüne und Naturschutzverbände die Regelung gegeißelt. Thomas Norgall vom BUND Hessen.

    - "Der entscheidende Punkt ist, dass man gesagt hat, bei Neu- und Ausbau von Flughäfen muss gleich ein anderer Standard von Lärmschutz gewährt werden, damit die Bevölkerung wenigstens innerhalb der geschlossenen Häuser und Wohnungen den Lärm draußen halten kann. Bei bestehenden Häusern heißt das in der Regel, man muss sie nachrüsten, und das kostet Geld. Die entsprechenden Ausgleichsleistungen setzen eben relativ spät ein, so dass Fraport mit seinem Ausbauverfahren noch nicht unter dieses Gesetz fällt, obwohl es das größte Ausbauverfahren in Deutschland ist. Dieses verspätete Einsetzen, sozusagen Jahre nach dem Gesetz, haben wir immer kritisiert, weil wir gesagt haben, das ist gezielt eingesetzt worden, um Fraport zu schützen, damit man das Geld nicht ausgeben muss. Der Widerspruch ist eklatant: einerseits wird geworben damit, dass man ein leistungsstarkes weltweites Unternehmen ist, und gleichzeitig wird in der Gesetzgebung dafür gesorgt, dass man den Schallschutz zum billigen Jakob kriegen kann, das fanden wir nicht richtig.

    - Aber die Erfahrung lehrt, dass Fraport noch nie nur im Rahmen des Gesetzes gezahlt hat, weil sie ein hohes Interesse hat, das Vorhaben durchzukriegen."

    So Gernot Grumbach, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. CDU, SPD und FDP im Hessischen Landtag befürworten den Bau der Nordwest-Landebahn, allein die Grünen sind dagegen.

    Vom Lärmproblem zum Naturschutz. 2000 Hektar umfasste der Kelsterbacher Wald vor dem Flughafenbau. Dreiviertel der Fläche wurde bereits für den Airport gerodet, so Kelsterbachs Bürgermeister Erhard Engisch, Rest 500 Hektar.

    "Inmitten dieser 500 Hektar soll die neue Landebahn Nordwest gebaut werden. Sie Können dabei feststellen, dass der Restwald, der rechts und links davon stehen bleibt, seine Wald-Funktion nicht mehr erfüllen kann und deshalb als Naherholungsgebiet für meine Kommune komplett verloren geht, aber auch das ökologische Leben in diesem Wald erheblich gestört, wenn nicht verhindert wird."

    Aus Naturschutz-Sicht eine Katastrophe, meint Thomas Norgall vom BUND Hessen. Obwohl der Wald schon jetzt als Lärm- und Abgaspuffer zwischen Autobahnen und Flughafen missbraucht wird.

    " Wir haben dort sehr alte Waldbestände, die sind zum Teil auch von deren Struktur her so bedeutend, dass sie nach europäischem Recht geschützt werden. Dann haben wir Deutschlands größtes Vorkommen von Hirschkäfern dort - eine Tierart, die zwar nicht akut vom Aussterben bedroht ist, die Sie aber nicht beliebig woanders ansiedeln können, weil sie auf alte Eichenwälder angewiesen ist. Und dann haben wir da noch eine ganze Reihe von Grünlandgesellschaften, bis hin zu sehr hochwertigen Beständen des Borstgrasrasens."

    Dreieinhalb Hektar Haarginster, Bergsandlöckchen, Dreizahngras, dazwischen hüpfen Goldschrecken und andere seltene Insekten. Laut BUND-Auffassung ist das ein nach europäischem Naturschutzrecht besonders scharf geschützter Lebensraum, was Fraport und das Land Hessen anzweifeln. Unabhängig von diesem Detailstreit ist die Frage, ob es rechtlich überhaupt zulässig ist, die Lebensräume von Hirschkäfern und seltenen Fledermausarten zu zerstören, was durch die Rodung von mehr als der Hälfte der Waldfläche der Fall wäre.

    "Also in dem speziellen Fall sind wir der Meinung, dass es nicht geht, weil von diesem FFH-Gebiet eigentlich nichts mehr übrig bleibt, und die Richtlinie kennt eigentlich keine Ausnahme dahin gehend, dass ein FFH-Gebiet vollständig verschwindet."

    Sollte die Genehmigung Ende des Jahres anders entscheiden, will die Naturschutzorganisation BUND klagen.